Bis zu 2000 Euro: Wenn Sie bald noch CO2 ausstoßen, wird es richtig teuer

55 Euro kostet die Tonne CO2-Emissionen in diesem Jahr. Damit hat sich der Preis seit seiner Einführung 2021 bereits mehr als verdoppelt. Das ist aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Ab dem kommenden Jahr werden die Preise dynamischer gestaltet. 2026 sollen sie in einem Band zwischen 55 und 65 Euro liegen. Ab spätestens 2028 wird er dann komplett frei verhandelt. Bisher galt das Jahr 2027 als Start, bei der EU wird aber aktuell um einen Kompromiss für das Jahr 2028 verhandelt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fürchtet, dass er dann sprungartig auf bis zu 200 Euro pro Tonne steigen könnte, also fast eine Vervierfachung des heutigen Preises.

Grundlage dieser Preisbildung ist das System des Handels mit Emissionszertifikaten. Simpel erklärt muss ein Energieversorger oder Mineralölunternehmen, welches in seinem fossile Brennstoffe in Umlauf bringt, Zertifikate aufkaufen, die die Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen erlauben. Die Papiere werden von der EU versteigert, die Erlöse kommen dem Klimasozialfonds zu Gute. Aus diesem werden Klimaprojekte in den Mitgliedsstaaten gefördert. Aber: Die Zahl der Zertifikate ist begrenzt und so gewählt, dass die EU-Klimaziele dadurch erreicht werden. Da aber die Emissionen derzeit höher liegen als sie dafür sollten, werden die Zertifikate schon zum Start in anderthalb Jahren zu knapp sein. Und wenn ein Gut zu knapp ist, dann steigt es unweigerlich im Preis.

Bis zu 2000 Euro Mehrkosten drohen pro Jahr

Schon die jetzt geringeren Preise merken Sie im Alltag. Der ADAC schätzt, dass der Liter Benzin dadurch seit 2020 um etwa 15,7 Cent teurer geworden ist. Bei Diesel sind es sogar 17,3 Cent pro Liter. Auch beim Heizen macht sich der CO2-Preis bemerkbar. Bei Erdgas wird sein Effekt vom ADAC auf 1,19 Cent pro Kilowattstunde und bei Heizöl auf 17,52 Cent pro Liter geschätzt. Das sind aber nur die Werte von heute. Wenn der Preis kommendes Jahr auf bis zu 65 Euro pro Tonne CO2-Äquivalente steigt, dann werden es bis zu 18,6 Cent pro Liter Benzin, 20,5 Cent pro Liter Diesel, 1,4 Cent pro Kilowattstunde Erdgas und 20,7 Cent pro Liter Heizöl sein.

Und das ist erst der Anfang. Geht der Preis ab 2027 wirklich auf 200 Euro pro Tonne CO2-Äquivalente nach oben, sieht die Rechnung wie folgt aus: Bei Benzin würde die Abgabe dann einen Anteil von rund 67 Cent pro Liter ausmachen, bei Diesel sogar 74 Cent. Der Preis der Kilowattstunde Erdgas enthielte dann 5,1 Cent für den CO2-Preis und bei Heizöl wären es 75 Cent pro Liter.

Das treibt die Kosten für Verbraucher ordentlich in die Höhe. Beispiel Auto: Ausgehend davon, dass nach Daten des Umweltbundesamtes der durchschnittliche Deutsche eine Fahrleistung von 12.500 Kilometern pro Jahr hat und das durchschnittliche Auto mit Verbrennermotor 7,4 Liter auf 100 Kilometern verbraucht, zahlen Sie bereits heute zwischen 145 und 160 Euro pro Jahr für den CO2-Preis. Ab 2027 stiege diese Summe auf 624 bis 687 Euro. Das sind Familien mit zwei Autos müssten sich dann also auf 1248 bis 1375 Euro Mehrkosten pro Jahr gegenüber einem Leben ohne CO2-Preis einstellen.

Bei den Heizkosten schwanken die Mehrkosten je nach Verbrauch stark. Alleinlebende mit einem Verbrauch von 6000 Kilowattstunden Erdgas zahlen heute bereits 71,40 Euro für den CO2-Preis. 2027 wären es 307 Euro. Für Paare mit einem Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden geht es von heute 119 auf dann 511 Euro nach oben, für Familien mit 20.000 Kilowattstunden Verbrauch von 238 auf 1023 Euro. Bei Heizöl liegen die Preissteigerungen für Singles (600 Liter Verbrauch) bei heute 105 Euro und in zwei Jahren 452 Euro, für Paare (1000 Liter Verbrauch) bei 175 beziehungsweise 753 Euro und für Familien (2000 Liter Verbrauch) bei 350 beziehungsweise 1506 Euro.

Zusammengerechnet bedeutet das, dass Alleinlebende ab 2027 allein für den CO2-Preis rund 794 Euro im Schnitt mehr bezahlen müssten als heute. Für Paare wird es gegenüber heute um 988 Euro teurer und für Familien um 1977 Euro.

EU-Kommission berät über Anpassungen

Das ist für die meisten ein gewaltiger Preissprung. Wer heute noch ein Auto mit Benzin- oder Dieselmotor fährt und zu Hause mit Erdgas oder Erdöl heizt, der wird sich in anderthalb Jahren auch kaum umstellen können. Zwar lässt sich der Preisschock durch ein neues Auto, eine neue Heizanlage oder einen Umzug abfedern, aber das kostet jeweils viel Geld und ist daher für die meisten keine Lösung. Sparsameres Heiz- oder Fahrverhalten kann zwar die Mehrkosten mindern, aber nicht verhindern.

Deswegen überlegt die EU-Kommission bereits, wie sich der Effekt abfedern ließe. Eine simple Möglichkeit wäre, einfach mehr Zertifikate für den Handel herauszugeben. Dann würde der Wert eines einzelnen Zertifikates und damit die Kosten für die Allgemeinheit sinken. Allerdings würde das auch bedeuten, dass mehr Treibhausgase ausgestoßen werden und damit die Klimaziele nicht einhaltbar wären. Dass diese aufgeweicht werden, erscheint aber unwahrscheinlich. Die angestrebte Klimaneutralität der EU ist kaum mehr verhandelbar, schließlich haben auch die meisten Mitgliedsländer sich eigene Zieldaten gesetzt – Deutschland etwa auf 2045.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die EU den Staaten Gelder zuschießt, damit diese ihren CO2-Ausstoß minimieren können. Dann wären weniger Zertifikate erforderlich. Statt das Angebot zu erhöhen, würde dann die Nachfrage sinken, was ebenfalls den Preis drückt. Mittel zu diesem Zweck könnte der EU-Klimasozialfonds sein. In den sollen sowieso die Einnahmen des Zertifikatehandels laufen. Mit dem Geld wiederum werden Projekte in der EU finanziert, mit denen etwa Gebäude energieeffizient saniert werden und der Zugang von Bürgern zu emissionsarmer Mobilität verbessert werden soll. Die Bundesregierung überlegt zum Beispiel, Mittel des Fonds für ein Social-Leasing-Programm zu verwenden, bei dem einkommensschwache Haushalte ein Elektroauto zu staatlich gedeckelten Preisen leasen können. Ähnliche Programme in Frankreich und den USA waren ein voller Erfolg.

Die Idee der EU-Kommission ist nun, Gelder aus dem Klimasozialfonds vorzuschießen. Statt auf Einnahmen aus dem Zertifikatehandel zu warten, soll die Europäische Investitionsbank (EIB) schon jetzt passende Projekte in der EU finanzieren. Damit könnte es dann zum Start des Handels 2027 bereits mehr Elektro- und weniger Verbrennerautos auf den Straßen geben sowie mehr, besser sanierte Gebäude, die weniger Heizenergie benötigen. Dann würden insgesamt weniger Treibhausgase ausgestoßen und entsprechend weniger Zertifikate benötigt.

Die EU-Kommission will in Kürze ein genaues Bündel von Maßnahmen vorschlagen. Sie reagiert damit auf Bitten von 19 EU-Staaten, darunter Deutschland, und Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, die sich mit Wünschen und Anregungen für Anpassungen in den vergangenen Monaten gemeldet hatten. Neben den vorgezogenen Investitionen des Klimasozialfonds ist auch eine Art „Soft Launch“ im Gespräch. Dabei würde der Emissionshandel nicht abrupt am 1. Januar 2027 starten, sondern schon im kommenden Jahr stufenweise eingeführt werden. Das würde zwar einen hohen Endpreis der Zertifikate nicht verhindern, den Anstieg aber gradueller gestalten, so dass Unternehmen und Verbraucher sich besser darauf einstellen können. Zudem soll die Marktstabilitätsreserve, ein Mechanismus, der den Preis der Zertifikate stabilisieren soll, mehr Macht dazu bekommen.

Große Reformen des Zertifikatehandels oder gar seine Abschaffung wird es aber nicht mehr geben. Dazu müssten sich alle 27 Mitgliedsstaaten erneut in einem langwierigen Prozess auf ein Vorgehen einigen. Das erscheint in der Kürze der Zeit nicht mehr machbar. So betont auch die EU-Kommission, nur Maßnahmen in Betracht zu ziehen, die sich ohne eine formelle Änderung der Verträge durchführen ließen.