Der große Check: Was haben wir 10 Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen geschafft?

Paris, Dezember 2015: Die Welt hielt den Atem an. In einem überfüllten Saal auf dem Flughafen Le Bourget fiel der Hammer – und plötzlich jubelten fast 200 Staaten. Das Pariser Klimaabkommen war geboren. Ein Versprechen, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, idealerweise bei 1,5 Grad.

Zehn Jahre später blicken wir zurück: Was hat sich wirklich verändert? Hat die Welt geliefert – oder nur geredet?

Wo stehen wir beim 1,5-Grad-Ziel?

Einerseits schlecht: 2024 wurde das 1,5-Grad-Ziel erstmals überschritten. Doch: Ohne das Pariser Abkommen hätten die globalen Emissionen bis 2100 möglicherweise zu einer Erwärmung von bis zu 4 Grad führen können. Nun liegt die Prognose bei 2,6 bis 2,8 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau – bei voller Umsetzung der Klimaziele (NDCs). Die ganz großen Horror-Szenarien, die 2015 noch als realistisch galten, sind mittlerweile vom Tisch. 

Erwärmung bis zum Jahr 2100: 1,5 Grad sind fast unmöglich, aber aller Voraussicht nach wird die Menschheit es schaffen, die Erwärmung unter drei Grad Celsius zu begrenzen
Erwärmung bis zum Jahr 2100: 1,5 Grad sind fast unmöglich, aber aller Voraussicht nach wird die Menschheit es schaffen, die Erwärmung unter drei Grad Celsius zu begrenzen Climate Action Tracker

In einer Guardian-Umfrage gingen etwa 80 Prozent der Klimaexperten von einer globalen Erwärmung von mindestens 2,5 Grad Celsius aus, während fast die Hälfte eine Erwärmung von 3 Grad Celsius oder mehr erwartet. Lediglich 6 Prozent hielten es für realistisch, dass das Ziel von 1,5 Grad Celsius erreicht werden kann. Technisch sei es jedoch weiterhin möglich, den 1,5-Grad-Zielwert zu erreichen, denn offiziell ist das 1,5-Grad-Ziel erst verfehlt, wenn die globale Erwärmung langjährig durchschnittlich über 1,5 Grad liegt.

Der IPCC-Bericht unterstreicht, dass die letzten zehn Jahre die heißesten seit Beginn der Messungen waren. Hitzewellen sind mittlerweile fünf- bis zehnmal wahrscheinlicher als noch 2015.

Wie engagiert sind die Länder?

Vor Paris war Klimaschutz ein Flickenteppich. Das Kyoto-Protokoll von 1997 band nur wenige reiche Länder. Paris änderte das radikal. Heute haben 196 Länder das Abkommen ratifiziert – fast die ganze Welt. Jeder Staat muss alle fünf Jahre NDCs einreichen, also Pläne, wie er seine Treibhausgase kürzt. 

Und das funktioniert: Seit 2015 haben laut des Net Zero Trackers 140 Staaten Netto-Null-Ziele bis 2050 versprochen. Die EU will bis 2030 um 55 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990, China ist zwar nach wie vor der größte Klima-Schmutzfink, pumpt jedoch Milliarden in Solarpaneele – und sogar Indien setzt auf erneuerbare Energien

Klimaschutzbemühungen: Deutschland auf Platz 16

Der Climate Change Performance Index 2025 zeigt ein zwiespältiges Bild der globalen Klimaschutzbemühungen:

  • 61 von 64 untersuchten Ländern, die zusammen mit der EU für 90 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, haben den Anteil erneuerbarer Energien in den letzten fünf Jahren gesteigert.
  • Dänemark führt das Ranking auf Platz 4 an (die obersten 3 Plätze bleiben unbelegt), gefolgt von den Niederlanden und Großbritannien, das dank Kohleausstieg und einem Verzicht auf neue fossile Projekte auf Platz 6 klettert.
  • Deutschland befindet sich im Mittelfeld auf Platz 16 (2024: Platz 14)
  • China, der größte Emittent, bleibt trotz Boom bei erneuerbaren Energien auf Platz 55, da es stark von Kohle abhängig ist.
  • Die USA (Platz 57) und G20-Länder wie Russland, Saudi-Arabien und Südkorea schneiden besonders schlecht ab.

Der große „Decoupling“-Erfolg

Die vielleicht positivste Entwicklung der letzten Jahrzehnte: Effektiver Klimaschutz ist längst keine Wohlstandsbremse mehr. Im Gegenteil hat eine Reihe von Industrieländern es mittlerweile geschafft, seine Emissionen zu senken und gleichzeitig den Wohlstand weiter zu steigern. „Decoupling“, also „entkoppeln“, nennen Experten dieses Phänomen in der Fachsprache.

Die Gründe dafür liegen vor allem in der Art und Weise, wie wir Energie erzeugen und konsumieren. Haushalte und Industriebetriebe nutzen Strom immer effizienter – gleichzeitig wird der erzeugte Strom dank des Ausbaus Erneuerbarer Energien immer sauberer.

Der „Decoupling“-Effekt in Aktion: Emissionen sinken, Wohlstand steigt
Der „Decoupling“-Effekt in Aktion: Emissionen sinken, Wohlstand steigt Our World in Data

Wie hoch ist der CO2-Ausstoß?

Der „Emissions Gap Report 2024“ des Umweltprogramms der Vereinten Nationen analysiert die erhebliche Diskrepanz zwischen den Klimazielen der Länder und den tatsächlichen Treibhausgasemissionen. Denn trotz Fortschritten in der Klimapolitik stagnieren die Emissionen, insbesondere in den G20-Staaten. 2024 stiegen die globalen Emissionen gegenüber dem Vorjahr erneut um 0,9 Prozent auf insgesamt 36,3 Gigatonnen CO2-Äquivalent (GtCO2e). 

Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die globalen Treibhausgasemissionen aber sinken – bis 2030 um 42 Prozent, bis 2035 um 57 Prozent. 

Immerhin: 2024 wurden durch den Ausbau nicht-fossiler Energien 9,8 GtCO2e vermieden, berichtet das Magazin „Nature“.

Lässt sich mit NDCs die CO2-Lücke schließen?

Im Jahr 2025 steht die dritte Runde der NDCs an, die Ziele bis 2035 umfassen wird. Bislang haben 67 Länder, die für 36 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, ihre neuen NDCs eingereicht (Climate Watch). Die verbleibenden 130 Länder, die zusammen 64 Prozent der globalen Emissionen ausmachen, müssen ihre Beiträge noch vorlegen – voraussichtlich bis zur COP30. 

Der kürzlich veröffentlichte NDC-Synthesebericht 2025 der UNFCCC analysierte bereits 64 der neuen NDCs. Obwohl der Datensatz begrenzt ist und keine globalen Schlussfolgerungen erlaubt, liefert er wertvolle Erkenntnisse:

  • Qualitätssteigerung: 89 Prozent der NDCs umfassen nun die gesamte Wirtschaft (vs. 81 Prozent zuvor).
  • Emissionsreduktion: Die NDCs prognostizieren eine durchschnittliche Reduktion um 17 Prozent gegenüber 2019.
  • Umfassender Ansatz: Alle NDCs gehen über reine Minderung hinaus und integrieren Anpassung (in 73 Prozent der Fälle), Finanzierung, Technologietransfer, Kapazitätsaufbau sowie Verluste und Schäden.
     

Die neuen „bedingungslosen NDCs“ (die Staaten aus eigener Kraft umsetzen können), könnten bei vollständiger Umsetzung lediglich 1,4 Gigatonnen CO2-Äquivalent (GtCO2e) einsparen, schreibt das „World Resources Institute“. Während die „bedingten NDCs“ (abhängig von finanziellen oder technologischen Bedingungen) eine Reduktion von 1,6 GtCO2e ermöglichen könnten.

Dennoch verbleibt eine Lücke von 26,6 bis 29,9 GtCO2e, die geschlossen werden muss. Die Gefahr: In Zeiten nachlassender internationaler Kooperation könnte es noch schwerer werden, diese Lücke zu schließen. Das wiederum könnte die globale Erwärmung beschleunigen – und viele Menschenleben kosten. 

Landet das Geld für Entwicklungsländer an der richtigen Stelle?

Reiche Länder versprachen im Zuge des Pariser Klimaabkommens, bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer bereitzustellen. Dieses Ziel wurde 2022 überschritten, mit über 115 Milliarden Dollar – mehr als 15 Prozent über dem Ziel. 

Dazu hat der Green Climate Fund über 13,6 Milliarden Dollar (2023) für Projekte in armen Ländern mobilisiert, um Dürren zu bekämpfen und vor Überschwemmungen zu schützen. Für die Zeit nach 2025 wird ein neues Ziel (New Collective Quantified Goal) diskutiert. 

Dennoch fließt Geld oft in fossile Projekte statt in Erneuerbare. Geopolitik macht es schlimmer: Kriege in der Ukraine und Nahost treiben Energiepreise hoch. Kleinen Inselstaaten wie den Fidschis steht sinnbildlich „das Wasser bis zum Hals“. Der Wandel trifft die Ärmsten am härtesten.

Fidschi Flut
Arme Regionen wie Fidschi leiden besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels. IMAGO / Newscom World

Experten schlagen Alarm: Wir brauchen mehr Tempo

Trotz der Fortschritte seit dem Pariser Klimaabkommen warnen Experten eindringlich: Der aktuelle Kurs reicht nicht aus, um die Klimakrise zu bewältigen. Die Rekordhitze der letzten Jahre, gepaart mit der Emissionslücke zeigt, dass die Welt schneller handeln muss. Bei der kommenden Weltklimakonferenz (COP 30) in Belem bietet sich eine neue Chance.