Warum der „Ozean-Rülpser“ unser Klimasystem auf den Kopf stellen könnte

Das Südpolarmeer könnte in einigen Jahrhunderten plötzlich „aufstoßen“ – und dabei riesige Mengen gespeicherter Wärme freisetzen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der University of Victoria. Der Effekt, den sie als ozeanischen „Rülpser“ beschreiben, würde nach einer Phase sinkender CO2-Emissionen und globaler Abkühlung eintreten.

Bisher sind die Ozeane ein wichtiger Puffer gegen die globale Erwärmung: Sie schlucken etwa ein Viertel der menschengemachten CO2-Emissionen und mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme. Das Südpolarmeer ist dabei ein besonders dynamisches System: Durch großflächige Auftriebsströmungen kann es enorme Mengen überschüssiger Wärme und Kohlenstoff aufnehmen und speichern. Doch Simulationen von Ivy Frenger und ihrem Team zeigen, dass sich das in Zukunft ändern könnte – wenn die Welt langfristig netto CO2 aus der Atmosphäre entfernt.

Der Ozean als entscheidender Klimapuffer

Für ihre Studie nutzten die Forschenden das Klimamodell UVic v2.9, das über mehrere Jahrhunderte hinweg Wechselwirkungen zwischen Ozean, Atmosphäre, Meereis und Landbiosphäre simulieren kann. Sie modellierten ein Szenario, in dem die CO2-Emissionen zunächst steigen, nach rund 70 Jahren drastisch sinken und dann langfristig negative Nettoemissionen erreicht werden.

Das überraschende Ergebnis: Nach Jahrhunderten negativer Nettoemissionen könnte der Südliche Ozean seine Wärme als Schub plötzlich freisetzen – mit einer Geschwindigkeit, die der historischen menschengemachten Erwärmung ähnelt. Die Erwärmung könnte Jahrzehnte bis zu einem Jahrhundert anhalten, erklären die Forscherinnen und Forscher. Besonders auffällig: Durch die besondere chemische Zusammensetzung des Meerwassers würde dabei nur wenig zusätzliches CO2 entweichen. Das bedeutet, dass die bisher relativ lineare Beziehung zwischen kumulativen CO2-Emissionen und globaler Temperatur gestört wird – die Erde kühlt nicht automatisch, nur weil CO2 aus der Atmosphäre entfernt wird.

Ein „schlafender Riese“ im Klimasystem

Frenger betont, dass die Ergebnisse auch in anderen Modellvarianten stabil bleiben, obwohl es sich um ein idealisiertes Szenario handelt. Sie unterstreichen, dass der Südliche Ozean ein entscheidender, aber schwer vorhersehbarer Akteur im Klimasystem ist. Neben der Wärmefreisetzung ist die regionale Wirkung besonders relevant: Die stärksten Erwärmungseffekte würden in der Südhalbkugel auftreten und damit Länder treffen, die heute bereits besonders klimawandelanfällig sind.

Die Studie zeigt auch: Klimamodelle müssen die langfristige Wärmespeicherung im Ozean und die Wege von Wärme- und Kohlenstofffreisetzung besser abbilden, um politische Entscheidungen auf der Grundlage von CO2-Budgets verlässlich zu unterstützen. Negative Emissionen allein garantieren keine sofortige globale Abkühlung – der Ozean kann gespeicherte Wärme „zurückwerfen“, unabhängig von den CO2-Konzentrationen.

Damit rückt das Südpolarmeer als „schlafender Riese“ in den Fokus der Klimaforschung: Ein bisher stiller Puffer, der unter bestimmten Bedingungen das Klimasystem selbst nach einer Phase sinkender Emissionen noch für Jahrhunderte beeinflussen könnte.