Klimakrise außer Kontrolle? 10 Schritte, um den Kollaps noch zu stoppen

Im Kampf gegen die Erderhitzung passiert zu wenig, sagt eine neue Studie der Denkfabriken Climate Analytics und World Resources Institute (WRI) aus der Berichtsreihe „State of Climate Action“ für das Jahr 2025. Danach unternehmen die Staaten weltweit viel zu wenig, um die Klimakrise und den menschengemachten Klimawandel wirksam einzudämmen. 

Die Autoren der Studie untersuchen 45 Bereiche, die für den Klimaschutz entscheidend sind, wie etwa die Energie- und die Stromproduktion. Das Ergebnis: In keinem dieser Schlüsselsektoren seien die Staaten mit Blick auf das Jahr 2030 auf Kurs, um die Ziele des Klimaabkommen von Paris zu erreichen. Die Weltklimakonferenz hatte dort vor zehn Jahren beschlossen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad und maximal auf zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. 

„Alle Systeme blinken rot“ - Klimaschutz laut Studie zu lahm

„Alle Systeme blinken rot“, sagte Clea Schumer vom WRI, eine der Leitautorinnen zum neuen Bericht „State of Climate Action 2025“. „Es bleibt einfach keine Zeit mehr für Zögern oder halbe Sachen.“ Die Ergebnisse gelten auch als Weckruf für die Weltklimakonferenz in Brasilien in knapp drei Wochen. 

Besonders alarmierend ist laut Schumer die Entwicklung bei der Stromproduktion aus Kohle. „Eine unserer größten Sorgen ist, dass der Ausstieg aus der Kohle vom Kurs abgewichen ist“, sagte Schumer. Es habe sogar einen Rekord bei der Kohleverbrennung gegeben. Ein Grund sei die hohe Nachfrage nach Strom. Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump bestätigen die Entwicklung: Seine Regierung stellt zusätzlich 5,3 Millionen Hektar bundeseigenes Land und 625 Millionen Dollar für den Kohle-Abbau bereit.

Die staatlichen Subventionen für fossile Brennstoffe wie Gas, Öl und Kohle sind laut Studie seit 2014 weltweit jährlich um durchschnittlich 75 Milliarden US-Dollar gestiegen – auf mehr als 1,5 Billionen US-Dollar im Jahr 2023. Auch nehme die Abholzung der Wälder, die klimaschädliche Treibhausgase aufnehmen, wieder zu – obwohl die Entwaldung zu Beginn des Jahrzehnts noch abgenommen hatte. Fazit:  „Wir fallen nicht nur zurück – wir rasseln bei den wichtigsten Aufgaben durch“, sagte Sophie Boehm vom WRI. 

Kohleabbau in den USA
Anstatt den Kohleabbau zu begrenzen, werden in den USA neue Bergwerke eröffnet. Getty Images

Der große 10-Punkte-Plan, um das Klima zu retten

Um die Pariser Klimaziele bis 2030 doch noch zu erreichen, müsse die Welt schnell und umfassend handeln, heißt es in dem Bericht. In „zehn wichtigen Erkenntnissen“ fassen die Autorinnen und Autoren aus dem aktuellen „State of Climate Action“ Anzeichen für Fortschritte und Defizite zusammen: 

  1. Der Ausstieg aus der Kohle muss zehnmal schneller passieren. Das entspricht der Stilllegung von fast 360 Kohlekraftwerken mittlerer Größe pro Jahr und dem Stopp aller geplanten Kohle-Projekte.
  2. Die Abholzung von Wäldern müsste neunmal schneller reduziert werden: Das derzeitige Niveau entspricht dem Bericht zufolge in etwa dem dauerhaften Verlust von fast 22 Fußballfeldern pro Minute.
  3. Positiv ist die Zunahme privater Finanzierung, die den Ausbau bestehender kohlenstofffreier Technologie wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen ermöglichen. Da privates Kapital jedoch nicht ausreicht, ist eine drastische Erhöhung öffentlicher Klimafinanzierung nötig. Geld fehlt vor allem in den Bereichen Wiederherstellung der Wälder, Ausbau der Infrastruktur für den öffentlichen Nahverkehr und die Entwicklung klimafreundlicher Agrartechnologien.
  4. Neue Innovationen wie grüner Wasserstoff, der Anteil der Elektro-LKW oder die direkte Kohlendioxid-Abscheidung aus der Luft wachsen zwar, machen aber immer noch einen sehr kleinen Anteil aus. Der Neubau von Anlagen zur Luftabscheidung von CO2 etwa müsste zehnmal schneller laufen.
  5. Im letzten State of Climate Action waren die Elektrofahrzeuge der einzige Bereich, der im Soll für die Pariser Klimaziele war. Da die Märkte in Europa und den USA einbrachen, ist davon keine Rede mehr. Auch der China-Boom kann die stagnierenden Absatzzahlen weltweit nicht ausgleichen.
     
  6. Die Solarenergie ist die am schnellsten wachsende Stromquelle in der Geschichte. Der Anteil von Sonne und Windenergie ist seit 2020 um rund 13 Prozent gewachsen. Doch es reicht nicht, um auf den Weg für 2030 zu kommen. Dazu müsste das Wachstum bei jährlich 29 Prozent liegen.
  7. Bei der weltweiten Dekarbonisierung von Zement ist eine vierfache Beschleunigung nötig. In den vergangenen fünf Jahren hat die Zementproduktion große Anstrengungen unternommen, um die Menge an CO2 pro Tonne zu reduzieren. Die Studie wertet dies als ermutigendes Zeichen. Dagegen hat die Kohlenstoffintensität der globalen Stahlproduktion weiter zugenommen.
  8. Die landwirtschaftliche Produktion ist für etwa die Hälfte der weltweiten Methan- und Lachgasemissionen verantwortlich. Die Emissionen müssen beim Düngemittel 1,2 mal, bei der Methan-Produktion der Nutztiere 2,5 mal und beim Güllemanagement sowie beim Reisanbau sechsmal schneller sinken.
  9. Verändertes Konsum-, Ernährungs- und Mobilitätsverhalten wie Radfahren, zu Fuß gehen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren sowie die Energieeffizienz in Wohnungen und an Arbeitsplätzen können die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent reduzieren. So müsste etwa der Rind- und Lammfleischkonsum in Ländern mit hohem Konsum fünfmal schneller verringert werden: Das bedeutet umgerechnet, den Konsum um etwa zwei Portionen pro Woche in Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland zu senken.
  10. Die Verbesserung der Ökosituation von Mooren, die weltweit mindestens ein Fünftel der weltweiten organischen Kohlenstoffvorräte im Boden speichern, könnten zu einer großen Verringerung von Treibhausgasen führen. Genau Daten liegen dem Bericht zufolge nicht vor, um den Fortschritt zu bewerten. 

Auch Entwicklungen, die Hoffnung machen

Bill Hare, Chef von Climate Analytics, sagte, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, komme es jetzt auf nur eines an: Geschwindigkeit. Darin sei die Wissenschaft sich einig. 

Der Bericht, den unter anderem der Bezos Earth Fund und die Stiftung ClimateWorks Foundation finanzierte, beleuchtet auch positive Entwicklungen. So habe sich der weltweite Anteil der Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie seit 2015 mehr als verdreifacht, hieß es. Und im Jahr 2024 übertrafen die Investitionen in saubere Energien demnach zum zweiten Mal in Folge die Investitionen in fossile Brennstoffe.

mit dpa-Material