Hunderttausende fordern in einem offenen Brief den Verbleib von Robert Habeck in der Politik. In einer Zeit voller Krisen brauche es „Menschen - und noch wichtiger Führungspersönlichkeiten - wie dich“, heißt es in der Beschreibung zu einer Online-Petition, die am Montag ins Leben gerufen und in weniger als 24 Stunden von mehr als 75.000 Menschen unterzeichnet wurde. Am Mittwochmorgen (08.28 Uhr) hatten den Brief an Habeck schon mehr als 200.000 Menschen unterschrieben.
Der Kanzlerkandidat der Grünen widersetze sich „dem rückwärtsgewandten, zynischen und entmenschlichten Diskurs“ und stehe ein für „Verstand, Zusammenhalt und Zuversicht“, heißt es weiter. „Du bist für viele ein Hoffnungsträger. Und Hoffnungsträger dürfen nicht gehen, wenn sie am meisten gebraucht werden, sondern müssen Führung und Verantwortung übernehmen.“
„Würde es begrüßen“: Jetzt positionieren sich Top-Grüne für die Habeck-Wende
Auch prominente Grüne wollen Habeck in der Parteispitze halten - zum Beispiel Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident. „Ich wünsche ihm und uns, dass er die Türe für eine Rückkehr einen Spalt weit offen lässt“, sagte Kretschmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Kretschmann sagte der NOZ am Dienstag: „Ich bedaure es, dass Robert Habeck nicht mehr für ein Spitzenamt zur Verfügung steht.“ Aber er habe auch „großen Respekt vor diesem Schritt“. Habeck habe „wahnsinnig viel für die Grünen geleistet“ und die Partei „mit seiner Idee der Bündnispartei zur breiten gesellschaftlichen Mitte hin geöffnet“. Als Minister habe Habeck sich „um Deutschland verdient gemacht“. Er habe das Land „im Rekordtempo vom russischem Gas unabhängig gemacht und den Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben wie keiner vor ihm“.
Auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay sieht Habecks geplanten Rückzug aus der ersten Reihe der Politik als falsch und unnötig an. „Auch wenn ich nicht jede seiner Entscheidungen teile: Die Art und Weise, wie er Politik macht, wird den Grünen fehlen“, sagte der Grünen-Politiker der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. „Das wird auch schwer zu kompensieren sein.“ Onay betonte: „Ich habe ihm meine Meinung mitgeteilt, dass ich es sehr begrüßen würde, wenn er es sich anders überlegen würde.“
„Die Arme sind offen“: Habecks Landesverband stellt ihm Rückkehr in Aussicht
In Habecks Landesverband Schleswig-Holstein öffnet man ihm die Türen. „Die Arme sind offen“, sagt Schleswig-Holsteins Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter. Einen Ministerposten stellt er ihm aber nicht in Aussicht. „Wir wollen hier nichts am Kabinett ändern und machen unseren Job jetzt erst mal fertig.“ Ein Weggang von Habeck aus der Politik insgesamt wäre ihm zufolge allerdings ein großer Verlust für die Grünen.
Nach Ansicht von Petersdotter ist Habeck derzeit der beste Politiker, den die Grünen haben. Er wäre ein „massiver Zugewinn für den Parlamentarismus“ - auch aus Opposition heraus. Er könne nicht nur regieren, sondern auch analysieren und kritisieren. Die Grünen bestünden allerdings nicht nur aus Habeck, betonte der Fraktionschef.
Bleibt Habeck im Bundestag?
Habeck hatte nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl angekündigt, keine führende Rolle bei den Grünen mehr anzustreben. Enttäuschung darüber gab es auch in den eigenen Reihen: Fraktionschefin Britta Haßelmann bedauerte etwa den Schritt. Habeck habe einen guten Wahlkampf gemacht und sei mit dafür verantwortlich, dass die Grünen seit dem Bruch der Ampel-Koalition rund 42.000 neue Mitglieder gewonnen hätten.
Bei der Wahl sackten die Grünen auf 11,6 Prozent ab, nach 14,7 Prozent im Jahr 2021. Habeckwurde jedoch erneut in den Bundestag gewählt. Ob er das Mandat als Bundestagsabgeordneter antreten wird, ist noch nicht bekannt.