- Trumps Telefonat mit Putin - Wie reagiert die Ukraine?
Das Telefonat zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem russischen Staatschef Wladimir Putin offenbart einen radikalen Wandel in der Haltung Washingtons. Denn seit Beginn der umfassenden Invasion Russlands in der Ukraine gab es keine direkte Kommunikation mit Moskau. Trump sagte, er hoffe, in Saudi-Arabien mit Putin zu "Friedensgesprächen" über die Ukraine zusammenzukommen. Eine Beteiligung Kyjiws an einem solchen Treffen erwähnte er jedoch mit keinem Wort.
Zudem hatte Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärt, die Ukraine müsse sich darauf einstellen, für einen Frieden Gebiete an Russland abzutreten. Eine NATO-Mitgliedschaft des Landes als Teil eines Friedensabkommens komme für die USA nicht infrage.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte in diesem Zusammenhang mit, Kyjiw werde "keine Abkommen ohne die Ukraine" akzeptieren. Man dürfe nicht erlauben, dass alles nach Putins Plan laufe. Putin wolle, dass es allein zu bilateralen Verhandlungen mit den USA komme. Daher fordert Selenskyj Europa auf, sich mit an den Tisch der Verhandlungen zur Beendigung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu setzen.
Dass sein Gespräch mit Trump erst nach dem Telefonat des US-Präsidenten mit Putin stattfand, empfinde er nicht nicht als Bevorzugung Putins, sagte Selenskyj. "Dass Trump zunächst mit Russland gesprochen hat, darin sehe ich keine Prioritätensetzung, auch wenn dies in der Tat nicht ganz erfreulich ist", erklärte er.
Unterdessen rügte die Abgeordnete Iryna Heraschtschenko von der oppositionellen Partei "Europäische Solidarität", deren Chef Ex-Präsident Petro Poroschenko ist, Selenskyj in den sozialen Medien: "Ich würde mir wünschen, dass sich der Präsident in einer so schwierigen Zeit für die Ukraine ein Beispiel an den europäischen Partnern nimmt, die eine gemeinsame Erklärung abgegeben und die Teilnahme Europas an künftigen Verhandlungen gefordert haben." Heraschtschenko befürchtet zudem, dass wir "Zeugen einer Verletzung des Grundprinzips 'Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine' geworden sind".
Gesprächspartner der DW hingegen sehen in Trumps Telefonat mit Putin nicht den "Verrat" an der Ukraine, den einige Politiker und Medien zu erkennen glauben. "Ich teile nicht die Meinung, dass die USA Verhandlungen mit Russland ohne die Ukraine aufnehmen. Wäre das der Fall, hätte Trump nicht unmittelbar nach Putin mit Selenskyj gesprochen. Dass er Selenskyj über weitere Schritte informiert hat, bedeutet, dass die Ukraine im Spiel bleibt", sagt Wolodymyr Fesenko, Direktor des politischen Forschungszentrums "Penta" in Kyjiw.
Gleichzeitig befürchtet der Politologe aber, Trump könnte in erster Linie mit Russland verhandeln. "Putin wird versuchen, Trump bei dem Treffen in Saudi-Arabien in Schlüsselfragen zu bedrängen und die USA zu zwingen, Selenskyj unter Druck zu setzen. Aber noch vertreten die USA die Position, dass die Ukraine an Verhandlungen teilnehmen muss. Deshalb ist es zu früh, apokalyptische Schlüsse zu ziehen", so Fesenko.
Der frühere ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin rechnet damit, dass Putin in den Verhandlungen mit Trump versuchen wird, die Souveränität der Ukraine einzuschränken. Klimkin meint, Trump habe das Telefonat mit Putin gebraucht, um die inoffiziellen Kontakte zwischen seiner Administration und dem Kreml auf eine offizielle Ebene zu heben. "Deswegen wurden auch die Pressemitteilungen abgestimmt", sagt er im DW-Gespräch.
"Es kommt einem vor, als wäre Trump unter Putins Hypnose geraten. Wie konnte er noch vor jeglichen Gesprächen alle Trümpfe verspielen, die unbedingt Teil der Verhandlungspositionen sein müssen? Damit meine ich die Positionen zu einem NATO-Beitritt der Ukraine und zur Rückgabe besetzter Gebiete", sagt der DW Oleksij Melnyk vom Kyjiwer Rasumkow-Forschungszentrum zu Trumps Telefonat mit Putin.
Melnyk findet, Trump hätte an die Grundprinzipien der internationalen Beziehungen und die Charta der Vereinten Nationen erinnern müssen. "Ohne zu verhandeln hat Trump die Karten verspielt, die er nach und nach auf den Tisch hätte legen sollen. Man fragt sich, zu welchen Zugeständnissen Trump noch bereit ist. Wenn er willig ist, die Verteidigung des Rechts der Ukraine auf territoriale Integrität und das Recht der Ukraine auf eine unabhängige Außenpolitik aufzugeben, was kann er Putin dann noch abverlangen?", so der Experte. Er weist darauf hin, dass Putin zumindest öffentlich keine Kompromissbereitschaft zeige.
Pawlo Klimkin hingegen ist überzeugt, dass Trump noch nicht "alle Karten verspielt" hat und nur einen Rahmen zur Aufnahme offizieller Verhandlungen schaffe. "Wer wird an ihnen teilnehmen? Wird Zuckerbrot oder Peitsche zum Einsatz kommen? Das kann heute niemand beantworten, weil das von vielen Faktoren abhängt, die nur diejenigen kennen, die verhandeln. Ich würde nicht darüber spekulieren, ob Trump irgendwelche Positionen aufgegeben hat, bevor die Verhandlungen beginnen", betont er. Wenn Trump einen schnellen Waffenstillstand erreichen und anschließend über eine dauerhafte Lösung verhandeln wolle, sei dies, so der Ex-Außenminister, eine mögliche Taktik.
Die von der DW befragten Experten betonen, dass Europa in dieser Situation geschlossen auftreten müsse. "Einige europäische Länder machen deutlich, dass die Position der Trump-Administration nicht ganz akzeptabel ist. Wenn die meisten unserer Partner zu einer gemeinsamen Position finden, dann können wir versuchen, Trump zu überzeugen, und Putin wird dann wahrscheinlich nicht bekommen, was er sich ausrechnet", glaubt Oleksij Melnyk vom Rasumkow-Forschungszentrum.
Auch Pawlo Klimkin spricht sich für eine geschlossene Haltung Europas aus. "Wir müssen nicht nur mit am Verhandlungstisch sitzen, sondern auch eine proaktive Position einnehmen, vor allem gegenüber der Trump-Administration, und sagen, was möglich und was nicht möglich ist. Eine proaktive Position muss mit konkreten Maßnahmen und Ressourcen untermauert sein", sagt er. Und die Ukraine, so Klimkin, sollte sich auf die Strategie konzentrieren, die darin bestehe, eine Einschränkung der ukrainischen Souveränität und eine Behinderung der westlichen Ausrichtung der Ukraine zu verhindern.
Putin wird, so glaubt Klimkin, die Anerkennung der Annexionen der besetzten ukrainischen Gebiete verlangen, wenn nicht de jure, dann zumindest politisch. "Er wird fordern, das militärische Potenzial der Ukraine zu begrenzen, dass in der Ukraine keine westlichen Waffen- und Truppen stationiert werden, dass der Weg der Ukraine Richtung EU und NATO eingeschränkt und die Verfassung des Landes dahingehend geändert wird, dass Russisch Amtssprache wird und die Ukraine die Form einer Föderation erhält", so Klimkin.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk
Von Oleksandr Kunyzkyj
Das Original zu diesem Beitrag "Trumps Telefonat mit Putin - Wie reagiert die Ukraine?" stammt von Deutsche Welle.