Zolldeal: Franzose enthüllt, wie von der Leyen Trump austrickste

Philippe Berterottière genügen drei Sätze, um die Debatte um den Zolldeal mit den USA auf den Kopf zu stellen. 

Berterottière ist CEO der französischen Firma Gaztransport & Technigaz (GTT). GTT entwickelt praktisch alle der Speicher, mit denen riesige Flüssiggas-Transportschiffe die immer wichtigere Energiequelle um die Welt verschiffen. Das macht ihn zum Experten für einen wichtigen Teil des Zolldeals zwischen der EU und Donald Trump. 

EU verspricht im Zolldeal, massiv US-Energie zu kaufen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sicherte US-Präsident Donald Trump bei ihrem Treffen Ende Juli in Schottland zu, dass die EU über die kommenden drei Jahre Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar von den USA kaufen werde. Das ist deutlich mehr als in den vergangenen drei Jahren. Im Gegenzug senkte Trump die angedrohten Zölle. 

Der Haken: Für die versprochenen Energiekäufe - der Großteil dürfte auf Flüssiggas (LNG) entfallen – braucht Europa die entsprechende Infrastruktur: Schiffe, Häfen, Pipelines. Das bringt Berterottière ins Spiel, der dafür die wichtige Technik herstellt.

"Ist das überhaupt möglich über die kommenden drei Jahre?", fragte ein Analyst jüngst auf der GTT-Bilanzkonferenz Berterottière. Damit legte er den Finger in die Wunde. 

Wichtiger Gast: Philippe Berterottière, CEO von GTT, hier im Jahr 2018 beim Treffen zur Mobilisierung von Unternehmen im Élysée-Palast in Paris.
Wichtiger Gast: Philippe Berterottière, CEO von GTT, hier im Jahr 2018 beim Treffen zur Mobilisierung von Unternehmen im Élysée-Palast in Paris. Stéphane Lemouton / Bestimage, Imago

Energie "kaufen" bedeutet wenig

Bislang unterscheiden sich die Deutungen des Zolldeals vor allem in der Wertung. Die EU werde ihr unmögliches Versprechen an die USA bereuen, bemängeln die einen. Von der Leyen habe Trump mit leeren Versprechen ausgetrickst, loben die andere. Alle waren sich einig: Die EU werde kaum so viel Gas, Öl und Uran kaufen können wie versprochen. Bislang.

Berterottière sieht das anders. Er sagt: "Es kommt darauf an, wie man 'kaufen' definiert":

Nur weil europäische Firmen die Energie über die kommenden drei Jahre kaufen, müsse diese noch lange nicht über die kommenden drei Jahre geliefert werden. Und nur weil europäische Firmen solche Bestellungen aufgeben, muss diese Energie noch lange nicht in Europa verbrannt werden. 

Option 1: Nach 2030 liefern lassen

Berterottières Antwort gibt einen Einblick, wie von der Leyen mit Trump taktierte - und wie der Trick funktioniert. Der erste Teil betrifft die Laufzeit des Versprechens.

Weil Energieprojekte wie Gasbohrungen riesige Investitionen verlangen, unternehmen Firmen sie meist erst, wenn Käufer langfristige, oft jahrzehntelange, Verträge mit ihnen schließen. Die Firmen wollen sicher gehen, dass sie die Energie auch loswerden. Sonst droht ihnen womöglich die Pleite. Solche Verträge können in den kommenden drei Jahren geschlossen werden, sagt Berterottière. Die Lieferungen erfolgen dann aber wohl erst in den 2030er Jahren.

Die EU kann das nutzen: Normalerweise verteilen Käufer und Verkäufer die Zahlungen in diesen Verträgen über mehrere Etappen. Verlagern Firmen Zahlungen nach vorn, nämlich in die kommenden drei Jahre, wird dadurch von der Leyens Versprechen erfüllt. An den Gesamtkosten ändert das nichts. Die EU muss auch nicht mehr Öl oder Gas kaufen. Sie könnte die Verträge einfach anders gestalten.

Berterottière glaubt zwar, dass der Deal den USA auch mehr Gas-Aufträge bringen wird. Seine Antwort zeigt aber: An der Drei-Jahres-Vorgabe wird das Abkommen kaum scheitern.

Lächeln und den anderen glauben lassen, er sei der Größte: Ursula von der Leyen beim Treffen mit Donald Trump. BRENDAN SMIALOWSKI/AFP via Getty Images

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Option 2: Schnell weiterverkaufen

Von der Leyens zweiter Tricks betrifft einen weiteren Kritikpunkt am Zolldeal: Die EU als Institution kann im Normalfall selbst keine Energie einkaufen. Gas, Öl oder Uran kaufen die Firmen, die es verwenden. Ihnen kann die EU nicht befehlen, in den USA zu ordern. Bleibt der Deal also doch heiße Luft?

Berterottière sagt: Die EU muss die gekaufte Energie gar nicht selbst nutzen. Sie könnte sie ein- und dann weiterverkaufen; nach Asien, nach Afrika, sonstwohin. Dazu braucht sie nicht einmal zwingend die Privatwirtschaft. Das kann sie notfalls über staatsnahe Energiehändler wie Trading Hub Europe erledigen.

Die EU tritt dann lediglich als Zwischenhändler auf. Bestenfalls verdient sie bei günstigem Timing etwas daran. Wahrscheinlich bleibt ein Verlust. Dieser liegt aber recht sicher deutlich niedriger als die katastrophalen Folgen, die Zölle von 30 Prozent auf europäische Waren laut Wirtschaftsexperten ausgelöst hätten.

In diesem Fall hätte von der Leyen Europa günstig von größeren Bedrohungen – hohe Zölle, Nato-Rückzug der USA – freigekauft.

Von der Leyen hat Trump ausgespielt

Die Aussagen Berterottières legen nahe: Von der Leyen hat Trump keineswegs Unmögliches versprochen. Sie muss also auch keine Strafmaßnahmen fürchten. Im Gegenteil. Die EU-Kommissionspräsidentin hat Trump ein sehr einfach einzuhaltendes Versprechen gegeben. Einen Zahlentrick, mit dem sich der US-Präsident inszenieren kann. Seinem Land bringt dieser Populismus wenig. Von der Leyens sachliche Politik der EU schon.