Beziehungen am „Wendepunkt“: Beim Thema Ukraine lässt Chinas Xi Jinping die Europäer abblitzen

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Vor 50 Jahren nahmen China und die EU diplomatische Beziehungen auf. Heute befindet sich das Verhältnis der beiden Wirtschaftsmächte an einem Tiefpunkt.

Wer am Donnerstag die Homepage des chinesischen Außenministeriums besucht, wird von drei zufrieden dreinblickenden Menschen begrüßt: Links auf dem Foto steht EU-Ratspräsident António Costa, rechts Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zwischen ihnen Chinas Staatschef Xi Jinping. Nach ein paar Sekunden aber wechselt das Bild, wieder sieht man Xi Jinping, nun schüttelt er gut gelaunt einem anderen Gast die Hände: Es ist Sergei Lawrow, der russischen Außenminister, der ein paar Tage vor der EU-Spitze in Peking weilte.

Dass die beiden Treffen so kurz hintereinander stattfanden, ist einerseits Zufall. Es zeigt aber auch, wie Xi Jinping auf die Welt blickt: Ein Land wie Russland ist für China ein ebenso selbstverständlicher Partner wie es die Europäer sind. Ukraine-Krieg hin oder her.

Costa und von der Leyen waren zum 25. EU-China-Gipfel nach Peking gekommen, es war das erste derartige Treffen seit mehr als anderthalb Jahren. Viel hat sich seit dem letzten Gipfel verändert, nicht zuletzt hat Donald Trump den Welthandel in ein beispielloses Chaos gestürzt. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hingegen geht mit unverminderter Härte weiter. Und auch an Chinas Unterstützung für Russland – diplomatisch, wirtschaftlich und mit der Lieferung von militärisch nutzbaren Gütern – hat sich nichts geändert.

António Costa, Xi Jinping und Ursula von der Leyen in Peking
António Costa, Xi Jinping und Ursula von der Leyen in Peking: Trotz schöner Fotos sind die Beziehungen zwischen der EU und China frostig. © Xie Huanchi/Xinhua/Imago

EU-China-Gipfel: „Wir rufen China auf, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen“

„Wir rufen China auf, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, damit es die Charta der Vereinten Nationen respektiert und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet“, beschwor Costa deshalb zu Beginn des Treffens mit Xi Jinping. Später sagte Costa dann, er und von der Leyen hätten mit Xi „ausführlich“ über die Lage in der Ukraine geredet, die Kommissionspräsidentin nannte Chinas Unterstützung für Russland einen „unmittelbaren und gefährlichen Einfluss auf die europäische Sicherheit“.

In der Zusammenfassung des Treffens, die Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte, kommen allerdings weder Russland noch die Ukraine vor. Chinas Prioritäten liegen eben woanders – egal, was der Besuch aus Europa sich wünscht. „Es gibt keine grundlegenden Interessenkonflikte oder geopolitischen Widersprüche zwischen China und Europa“, behauptete Xi sogar. Auf die Frage eines Journalisten, welche konkreten Zugeständnisse die Chinesen beim Thema Ukraine gemacht hätten, gingen weder von der Leyen noch Costa ein. Wahrscheinlich, weil China schlichtweg nicht zu Zugeständnissen bereit ist.

EU klagt über massives Ungleichgewicht beim Handel mit China

Auch die Klagen der Europäer über anhaltende Probleme beim Handel mit China wischte Xi einfach beiseite. „Die Herausforderungen, vor denen Europa derzeit steht, gehen nicht von China aus“, teilte Chinas Staatschef seinen Besuchern mit.

China ist der drittgrößte Handelspartner der EU; umgekehrt ist die EU Chinas wichtigster Handelspartner. Allerdings ist das Verhältnis extrem unausgewogen, im vergangenen Jahr lag das Handelsdefizit der EU bei 306 Milliarden Euro – China verkauft also deutlich mehr Güter in die EU als umgekehrt. Betroffen ist auch und vor allem Deutschland: Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sind die deutschen Exporte nach China in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um rund 14 Prozent zurückgegangen, zeitgleich importierte Deutschland zehn Prozent mehr aus der Volksrepublik.

Neben diesem massiven Ungleichgewicht sprach von der Leyen in Peking noch weitere Schmerzpunkte der Europäer an, etwa mangelhaften Zugang zum chinesischen Markt für europäische Unternehmen sowie die massiven Überkapazitäten der chinesischen Industrie, die ihre staatlich subventionierten Waren zu Billigpreisen nach Europa umleitet. Die Probleme seien derart gewaltig, dass die Beziehungen zu China an einem „Wendepunkt“ stünden, sagte von der Leyen, mehrfach forderten sie und Costa von Peking „konkrete“ Taten.

EU droht China: Werden unsere Interessen verteidigen

Sollte sich Peking nicht bewegen, „werden unsere Unternehmen und unsere Bürger verlangen, dass wir unsere Interessen verteidigen“, drohte von der Leyen dem chinesischen Premierminister Li Qiang, der die Europäer in Peking ebenfalls empfing. Bereits 2024 hatte die EU Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China eingeführt, ein Schritt, den Peking nun einmal mehr kritisierte.

Immerhin: Bei den chinesischen Ausfuhrbeschränkungen für Seltene Erden und andere kritische Rohstoffe einigten sich beide Seiten offenbar auf einen Mechanismus, um Engpässe in Zukunft zu vermeiden. Und auch beim Thema Klimawandel meldeten die Europäer Fortschritte, man einigte sich sogar auf eine gemeinsame Erklärung, die eine Zusammenarbeit unter anderem beim Emissionshandel und bei Technologien zu CO2-Abscheidung und -Speicherung (CSS) vorsieht. Dass die zweit- und die drittgrößte Volkswirtschaften der Welt zumindest beim Menschheitsthema Klimawandel zusammenarbeiten: Das war die positive Botschaft, die von diesem Gipfeltreffen ausging.

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