Stresstest für Merz‘ Koalitionsplan: SPD startet Mitgliederentscheid – was auf der Kippe steht
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD steht. Eigentlich steht der nächsten Regierung nichts mehr im Weg. Doch die SPD-Basis darf noch über die Koalition abstimmen.
Berlin – Der Weg zur möglichen neuen schwarz-roten Bundesregierung ist klar vorgezeichnet: Vom 16. bis zum 29. April können alle gut 358.000 SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Bereits am 15. April stimmt die SPD-Spitze bei einer Konferenz in Hannover auf das Votum ein. An dieser wichtigen Veranstaltung nehmen neben dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Co-Parteichefin Saskia Esken auch Generalsekretär Matthias Miersch und weitere Politiker teil, die die Koalitionsverhandlungen für die SPD geführt haben.
SPD-Basis muss Koalitionsvertrag zustimmen – SPD-Mitgliedervotum könnte Merz-Regierung gefährden
Die Abstimmung der SPD-Basis ist jedoch nur ein Teil des Gesamtprozesses. Auch die Unionsparteien müssen dem Koalitionsvertrag zustimmen. Der CSU-Vorstand hat den Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ bereits angenommen. Für die CDU steht die Entscheidung noch aus: Sie wird am 28. April auf einem kleinen Parteitag darüber abstimmen.
Sollten alle Hürden überwunden sein, soll CDU-Chef Friedrich Merz am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Dieser Tag würde dann auch die Vereidigung des gesamten Kabinetts markieren. Der Bundestag bestätigte den Termin. Julia Klöckner bereite die Einberufung des Deutschen Bundestages zur Wahl des Bundeskanzlers vor, hieß es in einer Pressemitteilung.
Streitpunkt Finanzen zwischen SPD und Union: Debatte um Mindestlohn könnte SPD-Basis sauer aufstoßen
Doch der Weg bis dahin ist nicht ohne Hindernisse. Vor allem die Finanzen könnten noch Anlass für Streit innerhalb der neuen Merz-Regierung geben. „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken“, heißt es im 144 Seiten langen Dokument. Der wahrscheinlich nächste Kanzler Merz betrachtet Steuersenkungen jedoch mit Vorsicht. In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ bekräftigte er zwar, dass es der gemeinsame Wille von Union und SPD sei, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. „Aber wir machen keine Versprechungen, die wir nicht erfüllen können“, mahnte der CDU-Chef. Er verwies darauf, dass alle im Koalitionsvertrag festgehaltenen Maßnahmen unter einem Finanzierungsvorbehalt stünden.
Dazu zählt auch die von der SPD geforderte Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Der wohl künftige Kanzler Merz erklärte, auch die Mindestlohnerhöhung ab 2026 sei nicht gewiss. Gegenüber der Bild am Sonntag betonte der CDU-Chef, es werde „keinen gesetzlichen Automatismus geben“, den Mindestlohn zu erhöhen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch widersprach dem vehement. „Merz hat gesagt, wir gehen beide von 15 Euro aus. Und dabei bleibt es für uns als SPD.“ Weiter erklärte Miersch der Mediengruppe Bayern am Montag: „Wir haben auch in anderen Konstellationen ja schon gezeigt, dass wir zu unseren Worten und zu unserem Versprechen stehen.“
SPD-Jugend stellt sich gegen Koalitionsvertrag: SPD-Mitgliedervotum in Gefahr?
Während die Parteiführungen den Koalitionsvertrag befürworten, regt sich in Teilen der SPD-Basis Widerstand. In der SPD-Jugend, den Jusos, formiert sich Opposition gegen die Koalition. Die Jusos in Bayern argumentierten am Wochenende, der Koalitionsvertrag sei „nicht geeignet, um die zentralen politischen Fragen und die enorme Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft anzugehen“. Die Jusos aus Schleswig-Holstein sprachen von „unsolidarischen migrations-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorhaben“. Auch SPD-Nachwuchsorganisationen aus anderen Bundesländern äußerten scharfe Kritik an den Plänen der möglichen schwarz-roten Regierung.
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Trotz dieser kritischen Stimmen wirbt SPD-Chef Klingbeil um Zustimmung für eine schwarz-rote Bundesregierung. „Dazu gehört dann auch ein Kanzler Friedrich Merz – und ich traue ihm zu, dass er unser Land in diesen schwierigen Zeiten gut führen wird“, sagte Klingbeil in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.
Koalitionsvertrag: Klingbeil betont „demokratische Entscheidung“ beim SPD-Mitgliedervotum
Zur Kritik aus den eigenen Reihen sagte er in der ARD: „Jeder hat das Recht, jetzt bei dem Mitgliedervotum abzustimmen, wie er oder sie will. Das ist eine demokratische Entscheidung.“ Jedem müsse aber klar sein, was die Alternative zum Scheitern einer Koalition der demokratischen Mitte sei. „Eine Alternative sind Neuwahlen, eine Alternative ist vielleicht eine Minderheitsregierung“, sagte Klingbeil. Bei allem, was weltpolitisch los sei, müsse Deutschland ein Ort der Stabilität sein. Dafür brauche es eine stabile Regierung.
Für den erfolgreichen Abschluss des SPD-Mitgliedervotums gelten klare Regeln: Für die Annahme des Koalitionsvertrags durch die SPD-Basis ist nicht nur die Mehrheit der Stimmen, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der digitalen Abstimmung erforderlich. Diese Hürde ist nicht neu für die Sozialdemokraten. Auch 2013 und 2018 hatte die SPD über die Koalitionsverträge mit der Union abstimmen lassen. Beide Male gab es große Zustimmung. Im Gegensatz dazu wurde die Basis bei der Bildung der Ampel-Koalition 2021 nicht befragt. (sischr/dpa)