CDU-Politikerin zu Koalitionsverhandlungen: Bürger müssen „Mitte-Rechts-Politik bekommen“
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig über die Zukunft Ostdeutschlands, den Erfolg der AfD und Ost-Politiker im ersten Kabinett Merz.
Die Sondierungsgespräche zwischen SPD und Union laufen an. Die ersten Details werden bekannt und das nächste Treffen steht schon fest. Saskia Ludwig, langjährige Brandenburger Landtagsabgeordnete und frisch gewählte Bundestagsabgeordnete der CDU, hat eine klare Mission für eine neue Regierung: den Osten Deutschlands wieder ins Zentrum der politischen Debatte zu rücken. Ludwig für Diskussionen gesorgt, weil sie sich gegen die Brandmauer zur AfD ausgesprochen hatte. Im Gespräch mit dem Münchner Merkur erklärt die gebürtige Potsdamerin, wie sie heute zu einer möglichen Koalition mit der AfD steht, warum der Osten so tickt, wie er tickt und ihre CDU jetzt machen muss.
Sie betonen immer wieder, dass sich der Osten unverstanden fühlt. Die AfD hat in Brandenburg und anderen ostdeutschen Regionen die meisten Stimmen erhalten. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Die letzten Wahlergebnisse auf Bundes- und Landesebene sind ein deutlicher Weckruf. Angedeutet hat sich dies schon lange. Corona war eine Art Brandbeschleuniger. Der Ostdeutsche hat eine Diktaturerfahrung, die ihn sensibel gegen totalitäre Tendenzen macht. Und wenn Bürger, die ihren Unmut über die amtierende Regierung äußern eher diffamiert als respektiert werden, dann werden alte Erinnerungen wach. Die Spaltung der Gesellschaft wird der AfD unterstellt. Sie nutzen aber das „wir gegen die“ aus, was wir zum Beispiel jetzt auch wieder bei der Unions-Anfrage zu den NGOs wieder hören. Entweder Links oder Nazi ist die Botschaft, die den Ostdeutschen auf die Barrikade bringt. Und die AfD bietet aktuell diese Barrikade.
Was muss getan werden, um diese Spaltung zu überwinden?
Das kann nur die CDU. Als Partei der Mitte, in der Tradition von Helmut Kohl, aber auch Jörg Schönböhm, Alfred Dregger und Roland Koch, ist es unsere Aufgabe, bestimmte Strömungen demokratisch zu binden. Eine inhaltliche, statt moralische Auseinandersetzung ist die Grundlage dafür. Natürlich müssen Taten folgen. Ob im wirtschaftlichen Bereich oder in der Migration. Das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft liegt auch am ökonomischen Zustand unseres Landes. Dies führt zu weiteren Ängsten, die von der AfD im Osten genutzt werden.
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Was heißt das genau?
Wir brauchen gezielte Investitionen, die den Osten wirtschaftlich stärken. Ein neues Ansiedlungsprogramm für Unternehmen, mehr attraktive Arbeitsplätze und eine bessere Infrastruktur sind für mich als Ökonomin und Familienunternehmerin essenziell. Vor allem aber müssen wir den Menschen wieder das Gefühl geben, dass ihre Anliegen gehört werden – und zwar nicht nur in Wahlkampfzeiten.
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Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung für Ostdeutschland. Wie wollen Sie den Abwärtstrend aufhalten?
Junge Menschen wandern ab, weil sie im Westen bessere Chancen sehen. Das müssen wir ändern. Wir brauchen moderne Schulen, attraktive Ausbildungsplätze, eine starke Wirtschaft und eine gute Gesundheitsversorgung. Der Osten darf nicht länger als strukturschwache Region behandelt, sondern muss als Zukunftsstandort begriffen werden.
Die AfD profitiert von der aktuellen Situation. Wie wollen Sie verhindern, dass sie weiter an Zuspruch gewinnt?
Indem wir die Probleme lösen, die die Menschen bewegen. Die AfD lebt von der Frustration und dem Gefühl der Vernachlässigung. Und sie können immer mit dem Finger auf die anderen Parteien als Verursacher dieser Probleme zeigen. Wir müssen zeigen, dass wir als CDU die besseren Antworten haben – und dass Politik tatsächlich etwas verändern kann. Verbotsverfahren, Ausgrenzung oder Diffamierung wird die AfD weiterwachsen lassen.
Sie haben vor der Wahl für Aufsehen gesorgt, als Sie eine „Mitte-Rechts-Regierung“ nach der Bundestagswahl 2025 nicht ausgeschlossen haben. Was meinen Sie damit?
Wenn die Bürger mehrheitlich „Mitte-Rechts“ wählen, müssen sie auch eine inhaltliche Mitte-Rechts-Politik bekommen. Ich bin überzeugt, dass Deutschland eine Regierung braucht, die wirtschaftliche Vernunft, soziale Verantwortung und eine klare Haltung in gesellschaftlichen Fragen vereint. Und vor allem müssen wir uns von einer Gesellschaftspolitik verabschieden, die selbst der Wirtschaft vorschreibt, wie sie zu wirtschaften hat. Der Ostdeutsche ist es leid, dass bis in seinen privaten Bereich alles geregelt wird. Das misslungene Heizungsgesetz und die Folgen daraus müssen uns eine Lehre sein, wie man Politik nicht macht.
Sie haben sich aber gegen eine „Brandmauer“ gegenüber der AfD-Wählerschaft ausgesprochen. Wie erklären Sie Ihre Position?
Ich habe mich ganz klar dafür ausgesprochen, dass die CDU sich auf ihre Kernthemen fokussieren und diese auch nach der Wahl entsprechend umsetzen muss. Die CDU hat eine klare Beschlusslage: Es wird keine Koalition mit der AfD und den Linken geben. Was ich jedoch kritisiert habe, ist die pauschale Ablehnung des Dialogs mit Menschen, die die AfD unterstützen. Wir müssen mit unserer Demokratie und den unterschiedlichen Meinungen wieder deutlich entspannter umgehen und natürlich den Wählerwillen akzeptieren. Eine „Brandmauer“ schafft keine Lösungen, sondern verstärkt die Frustration, die Wahrnehmung von Ausgrenzung vieler Menschen und damit die Spaltung unserer Gesellschaft. Tatsächlich nutzt die Brandmauer der AfD und den linken Parteien.
Warum schließen Sie trotzdem eine Koalition mit der AfD aus?
Die Sondierungsgespräche von CDU und SPD haben am Freitag begonnen und Friedrich Merz hat sich klar zum Umgang mit der AfD positioniert, so dass sich die Frage nicht stellt. Ich habe immer gesagt, dass die CDU ihr Wahlprogramm durchsetzen muss und das mit dem Partner mit den meisten inhaltlichen Schnittmengen. Befremdlich für mich sind aber auch die Äußerungen der AfD, die CDU zerstören zu wollen. Wer so etwas vorhat, dem werde ich mich immer in den Weg stellen.
Was ist Ihr Ziel im Bundestag?
Es ist Zeit für einen realistischen und pragmatischen Neuanfang. Der Osten hat enormes Potenzial – aber wir müssen es auch nutzen. Politik darf nicht länger an den Menschen vorbeigehen, sondern muss ihre Lebensrealität in den Mittelpunkt stellen. Im Bundestag werde ich mich mit aller Kraft für die Zukunft unserer Heimat einsetzen. Meine Union muss den Osten berücksichtigen und ernst nehmen, auch bei der Besetzung von Posten im neuen Kabinett. Eine besondere Schlüsselrolle wird der neue Ostbeauftragte einnehmen, hier brauchen wir einen gebürtigen Ostdeutschen mit einer Ostbiografie.