„Es gibt sicher noch weitere Kinder, die Träume haben“: Familienzentrum startet Abc-Projekt

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. Penzberg

Kommentare

Brachten gemeinsam das Schild der Fernsehlotterie-Stiftung an, die das Abc-Projekt des Familienzentrums mit 430.000 Euro über drei Jahre unterstützt: (v.l.): Lia Jalal, Caroline Reudelsdorf, Bürgermeister Stefan Korpan und Anneliese Plep. © Wolfgang Schörner

Das Penzberger Familienzentrum Arche Noah wird in den nächsten drei Jahren Kindern, die als Flüchtlinge oder Migranten nach Penzberg gekommen sind, das Schreiben und Lesen sowie die deutsche Sprache beibringen. Es schließt damit eine Lücke, die das Aus der Brückenklassen hinterlassen hat. Möglich macht das Abc-Projekt die Fernsehlotterie-Stiftung.

Es war wie eine kleine Lehrstunde: Zur Präsentation des neuen ABC-Projekts im Familienzentrum Arche Noah hielt Lia Jalal eine Rede in der afghanischen Sprache Dari. Die Gäste hörten zu, verstanden aber kein Wort. Dann wechselte die 15-Jährige von ihrer Muttersprache ins Deutsche und hielt ihre Rede noch einmal. Jetzt könne man sich ein klein wenig vorstellen, sagte Projektleiterin Caroline Reudelsdorf, wie sich Kinder fühlen, die nach Deutschland geflüchtet sind, die sechs Stunden in einer Schulklasse sitzen und kein Wort verstehen. Dies sei herausfordernd für sie, aber auch für die anderen Kinder in der Klasse und für die Lehrer.

Aus für Brückenklasse hinterließ Lücke

Bis Sommer 2024 hatte es in Bayern für diese Kinder sogenannte Brückenklassen gegeben, die sie auf das normale Schulsystem vorbereiteten. Seit dem Aus dieser Brückenklassen befänden sie sich im luftleeren Raum, so Reudelsdorf. Sie sitzen im Unterricht und verstehen die Sprache nicht. „Schulen und Lehrer werden alleingelassen“, sagte Familienzentrum-Leiterin Annelies Plep.

Das Abc-Projekt des Familienzentrum Arche Noah will diese Lücke schließen. Dessen Ziel ist, dass die Kinder aktiv am Unterricht teilnehmen können. Zum Schuljahresbeginn im September soll es losgehen und über drei Jahre laufen. Die Projektleiterin rechnet pro Jahr mit 45 Kindern im Grundschulalter. Dass Bedarf da ist, weiß das Familienzentrum von den zwei Penzberger Grundschulen, der Asylsozialarbeit und aus Erfahrungen mit dem eigenen Lernprojekt „Pack‘s an“. „Wir haben gemerkt, dass die Kinder intensive Unterstützung brauchen“, so Reudelsdorf. Aus diesem Wissen heraus entstand die Idee für das ABC-Projekt.

Alphabetisierung und Deutsch lernen

In einer Gruppe wird es um Alphabetisierung gehen, um Lesen und Schreiben. In einer zweiten Gruppe lernen die Buben und Mädchen die deutsche Sprache. Eine dritte Gruppe ist für Kinder, die schon etwas fitter sind, aber noch nicht aktiv am Unterricht teilnehmen können. Wert legt das ABC-Projekt auch auf die Integration in den Alltag: Die Kinder machen Ausflüge in Penzberg, besuchen die Bücherei oder lernen, wie man mit dem Bus fährt. „Alles, was für uns selbstverständlich ist“, sagte Projektleiterin Reudelsdorf.

„Uns geholfen, dass Träume wahr werden“

Wie wichtig die deutsche Sprache ist, erzählte die 15-jährige Lia Jalal in ihrer Rede. Vor fünf Jahren sei sie mit ihren Eltern und ihren fünf Geschwistern aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Sie selbst habe vom Familienzentrum Arche Noah Nachhilfe erhalten, besuche jetzt die Mittelschule und lerne Geige in der Musikschule. „Am Anfang habe ich die deutsche Sprache nicht gesprochen, aber heute stehe ich hier.“ Sie sei stolz auf sich und ihre Familie. Ihr Vater arbeite und verdiene Geld, ihre Mutter lerne Deutsch. Ihre Schwester mache eine Ausbildung in Penzberg. Ihr 19-jähriger Bruder habe die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bestanden. Ein anderer Bruder sei Filialleiter eines Einkaufsmarktes. Und ein weiterer Bruder gehe in die siebte Klasse und bekomme ebenfalls Nachhilfe beim Familienzentrum. Die Heimatzeitung hatte vor vier Jahren über die Familie berichtet. Sie war damals von der Abschiebung bedroht.

„Es war nicht einfach in einem Land, in dem man sich mit Kultur und Sprache nicht auskannte“, so Lia Jalal. Ihr erster Betreuer in Penzberg sei Ralf Gerard gewesen. „Er hat uns geholfen, dass Träume wahr werden.“ Sie sei sich sicher, fügte die 15-Jährige an, „dass es in Penzberg noch weitere Kinder gibt, die Träume haben und Unterstützung brauchen“.

Großes Team für Abc-Projekt

Für das Abc-Projekt hat sich ein Team gebildet, das zum einen aus sechs hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiterinnen in Teilzeit besteht, von denen zwei nur im August bei der Arbeit am Konzept dabei sind. Eine davon ist Anja Fischer, die eine Brückenklasse an der Bürgermeister-Prandl-Grundschule unterrichtet hat und den Treff Casa leitet. Zum anderen helfen circa 20 Ehrenamtliche mit. Betreut werden die Kinder an drei bis fünf Nachmittagen in der Woche.

Fernsehlotterie fördert Projekt über drei Jahre

Möglich ist das Abc-Projekt nur durch eine hohe Förderung. Die Stiftung Deutsches Hilfswerk, die hinter der Fernsehlotterie steht, unterstützt es zweckgebunden mit 430.000 Euro über drei Jahre. Den 20-prozentigen Eigenanteil steuert zum Großteil die Elisabeth & Uli Holdenried Stiftung bei, die seit Jahren mit dem Familienzentrum verbunden ist. Aus dem EU-Leader-Programm floss zudem Geld für die Schulung der Ehrenamtlichen.

Bürgermeister Stefan Korpan (CSU), der zur Präsentation des Projekts als Gast geladen war, sagte, es profitierten nicht nur die Kinder, sondern die gesamte Gesellschaft. Sprache, sagte er, sei der Schlüssel zum Erfolg zur Integration.

Auch interessant

Kommentare