„Wir betreten gerade politisches Neuland“ – Das bedeutet der Rückzug von US-Präsident Biden

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US-Präsident Joe Biden verkündet seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf. Damit betreten die USA politisches Neuland, sagt ein Experte.

Der Paukenschlag zur US-Wahl 2024 kommt zu einem unerwarteten Zeitpunkt: US-Präsident Joe Biden hat über die Plattform X (früher Twitter) seinen Rückzug vom Kampf um eine erneute Präsidentschaft verkündet. Zwar spekulierten Politik und Medien in den USA darüber seit Tagen, der Zeitpunkt kommt nun aber überraschend, sagt US-Experte Julian Müller-Kaler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gegenüber IPPEN.MEDIA. Er gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

„Druck auf Biden wurde zu groß“ – wer wird nun Präsidentschaftskandidat?

„Der Druck auf Joe Biden wurde nun wohl zu groß“, sagt Müller-Kaler zur Entscheidung Bidens. Besonders nachdem sich die in der demokratischen Partei einflussreichen Figuren Barack Obama und Nancy Pelosi vom amtierenden Präsidenten Biden distanzierten, konnte dieser seine Kandidatur nicht mehr aufrechterhalten, so Müller-Kaler. „Dass Biden aber gerade heute zurücktritt, kommt unerwartet.“ Denn: Israels Präsident Benjamin Netanjahu besucht ab Montag (22. Juli) die USA, spricht am Mittwoch vor dem Kongress und soll auch das Weiße Haus besuchen. Dass Biden sich noch vor dem prestigeträchtigen Besuch von seiner Kandidatur zurückzieht, hielten viele US-Experten für unwahrscheinlich. Es kam anders.

In seiner Mitteilung auf der Plattform gibt Biden zwar keinen Grund für seinen Rückzug an, will US-Experten Müller-Kaler zufolge aber das Narrativ setzen, die Partei und das Land vor seine Person zu stellen. Außerdem wirbt Biden nun um Unterstützung der Demokraten für eine Kandidatur seiner Vizepräsidentin Kamala Harris. Das ist jedoch nicht Bidens Entscheidung.

US-Wahlkampf: Kamala Harris ist die erste Wahl - zumindest für einen

Auf dem Parteitag der Demokraten Mitte August können die Delegierten frei wählen, eine Nominierung von Harris als endgültige Präsidentschaftskandidatin ist keineswegs beschlossene Sache, wie auch Müller-Kaler weiß. „Wir betreten gerade politisches Neuland. Die Delegierten sind nicht gezwungen, für jemanden bestimmtes zu stimmen. Was nun kommt, ist schwer einzuschätzen“, so der Associate Fellow der DGAP. „Die Demokraten wollen einen offenen Wahlkampf auf dem Parteitag aber vermutlich verhindern, das könnte für Chaos sorgen.“

Zwar werden Harris die besten Chancen für die Kandidatur eingeräumt – unter anderem, weil sie wohl auf Bidens prall gefüllte Wahlkampfkasse zugreifen könnte – jedoch könnten nun auch andere Demokraten ihren Hut in den Ring werfen. Der Partei muss laut Müller-Kaler daran gelegen sein, die Frage der Kandidatin oder des Kandidaten vor dem Parteitag zu lösen, und zwar möglichst ruhig.

Trump gegen wen? „Karten werden neu gemischt?

Doch was bedeutet Bidens Rückzug nun für den Wahlkampf? Schließlich sind die eigentlichen politischen Gegner Donald Trump und seine ihm treu ergebenen Republikaner. „Die Unterstützung der Amerikaner hängt massiv davon ab, wer nun Bidens Nachfolge antritt“, sagt der DGAP-Experte Müller-Kaler. Ein unfitter Joe Biden wäre für Trump ein dankbarer Kandidat gewesen. „Wie es mit Harris oder einer anderen Person aussieht, weiß niemand. Die Karten werden neu gemischt.“

Der Präsidentschaftswahlkampf wird sich in den sogenannten Swing-States entscheiden. Stimmen die Wählerinnen und Wähler dort mehrheitlich für Trump, wird dieser wohl Präsident. Deshalb sind für die Demokraten besonders Pennsylvania, Michigan und Wisconsin von enormer Bedeutung, weiß Müller-Kaler. Gerade in diesen drei Staaten ist Kamala Harris aber nicht wirklich beliebter als Biden, eher sogar das Gegenteil, sagt der US-Kenner.

Mit der Ankündigung Bidens scheint zumindest eine andere Spekulation der letzten Tage vom Tisch. Manche US-Medien mutmaßten, Biden könne direkt gänzlich von seiner Präsidentschaft zurücktreten, um Harris als Nachfolgerin mit einem Amtsbonus in den Wahlkampf zu schicken. Davon war in Bidens Ankündigung jedoch keine Rede.

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