Das Projekt „Mobil 365“ will eine Verkehrswende im Oberallgäu einläuten

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Augsburg & Schwaben
  4. Kreisbote Sonthofen

Kommentare

Schnellere Verbindungen, weniger Umstiege: Das neue ÖPNV-Projekt „Mobil 365“ möchte eine echte Alternative zum Auto anbieten. © Archivfoto Tizian Pöhlmann

Das Auto öfter stehen lassen, weil der öffentliche Nahverkehr eine Alternative ist? Dieses Versprechen gibt das Projekt „Mobil 365“. Die Erneuerung des ÖPNV im Oberallgäu soll sieben Millionen Euro jährlich kosten und bis 2027 abgeschlossen sein. Jetzt sind die Bürger gefragt.

Oberallgäu – Mit dem allgemeinen Satz „Wir möchten einen ÖPNV, der einfach funktioniert“, stellte Roman Ohmayer, der Projektverantwortliche, das Vorhaben vor beim Pressegespräch im Landratsamt Oberallgäu vor. Das Konzept kann sich sehen lassen: Der Landkreis plant, mit drei Maßnahmen den ÖPNV im Oberallgäu zu erneuern und verspricht weniger Umstiege, schnellere Fahrzeiten und eine bessere Infrastruktur.

Das Projekt „Mobil 365“ soll den öffentlichen Nahverkehr im Oberallgäu verbessern

Mit der ersten Maßnahme wird ein umfangreiches und verlässliches Fahrangebot von früh bis spät angestrebt. Der Landkreis plant zwischen 5 Uhr morgens bis 22 Uhr abends stündliche, oft halbstündliche Verbindungen auf allen Hauptachsen. Am Wochenende soll das Fahrangebot um 23 Uhr enden. Komplizierte Fahrpläne mit unterschiedlichen Abfahrtszeiten sollen der Vergangenheit angehören. Künftig fährt der Bus jede Stunde zur gleichen Minute ab, was eine einfachere und zuverlässigere Fahrtenplanung ermöglicht. Ausnahmen gibt es lediglich beim Schülerverkehr: Hier sind pro Linie maximal drei kleine Abweichungen pro Tag erlaubt, außerdem sollen Bus und Bahn besser abgestimmt werden. Ohmayer erklärt die aktuelle Lage mit einem Beispiel. Zwischen Sonthofen und Oberstdorf fahren Bus und Bahn beinahe zur gleichen Zeit – ganz ohne Mehrwert für den Gast.

Keine langen Wartezeiten mehr

Durch die verbesserte Abstimmung von Bus und Bahn entstehen in nachfragestarken Bereichen des südlichen Oberallgäus engere Fahrplantakte. Lange Wartezeiten auf Anschlüsse sollen so der Vergangenheit angehören. Dieses Prinzip soll an 21 Bahnhöfen und Busknoten im gesamten Landkreis umgesetzt werden. Für Regionen ohne Siedlungsschwerpunkte und schwache Verkehrsachsen, wie nördlich von Immenstadt und im nördlichen Teil des Landkreises, ist ein On-Demand-Verkehr geplant.

On-Demand-Verkehr über eine App

In einer App gibt man die gewünschte Zieladresse und Abfahrtszeit ein. Ein Algorithmus bündelt die Anfrage mit den Wünschen anderer Fahrgäste und bietet einen Fahrtvorschlag an. Kleinere Umwege sind erlaubt, solange sie den Anschluss an die Bahn nicht gefährden. Alternativ kann man die Fahrt auch telefonisch bestellen. Für eine Fahrt mit dem On-Demand-System fallen keine Zuschläge zum normalen Ticketpreis an. Für Einzelfahrten gilt ein Luftlinientarif, der sich am Linienverkehr orientiert. Auch Abos wie das Deutschlandticket werden ohne Zusatzkosten akzeptiert. Die Kosten für das neue Nahverkehrsangebot würden jedes Jahr anfallen. In den ersten zwei Jahren sollen sie schrittweise steigen, da das Angebot nach und nach ausgeweitet wird. Der On-Demand-Verkehr soll Ende 2025/ Anfang 2026 starten, der erweiterte Linienverkehr Ende 2026. Bis 2027 wäre das komplette System in Betrieb. Dann würde der jährliche Finanzbedarf voraussichtlich bei etwa sieben Millionen Euro liegen.

Die Kosten tragen Landkreis und Gemeinden zusammen

Diese Kosten müssen durch den Haushalt des Landkreises und Beiträge der Gemeinden gedeckt werden. Um die zusätzlichen Ausgaben zu stemmen, will der Landkreis zum einen einige Projekte zurückstellen oder nicht in vollem Umfang durchführen, um Mittel freizumachen. Und zum anderen die Kreisumlage erhöhen. Fischens Bürgermeister Bruno Sauter meint dazu: „Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, dass wir sieben Millionen Euro mehr brauchen.“ Statt von Einsparen zu reden, möchte Sauter lieber den Begriff Priorisierung verwenden. Das Vorhaben müsse man jetzt angehen. „Jetzt oder nie“, heißt es auch für Christina Mader, Fraktionschefin der Grünen im Kreistag. Sie spricht von der „Stunde der Wahrheit“. Es gehe um Glaubwürdigkeit, Klimaschutz und gesellschaftliche Teilhabe. Mader verweist sowohl auf die Überalterung der Gesellschaft als auch auf die Jugend hin, die besonders profitieren würde. Optimistisch zeigt sich Wildpoldsrieder Bürgermeisterin Renate Schön. Bei einem guten ÖPNV-Angebot könnten viele Familien auf ihr Zweitauto verzichten. Schön hofft auch, dass mit dem besseren Angebot auch die Einnahmen wachsen werden. Wichtig sei allen Begleitern des Projekts die „Bürger mit ins Boot zu bekommen“. Denn die Finanzierung des Projekts wird der Steuerzahler spüren, da die Kreisumlage erhöht werden soll. Wie hoch diese im Einzelnen ausfallen soll, ist noch unklar.

Bürger können bei Umfrage mitmachen

Die Umfrage ist unter www. mobil365.oberallgaeu.org abrufbar. Zusätzlich wird das Projekt dort inklusive Video vorgestellt. Ziel gewesen sei es, das Projekt so einfach wie möglich, aber mit so vielen Informationen wie möglich zu erklären: „Und ich glaube, das ist uns auch gelungen“, zeigt sich die Landrätin Indra-Baier Müller mit der Bekanntgabe des Projekts zufrieden.

Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert

Auch interessant

Kommentare