Jobcenter entdecken perfide Betrugsmasche bei Bürgergeld – „Gesetzesänderungen nötig“
Professionelle Betrugsnetzwerke machen das Bürgergeld zum Geschäftsmodell. Behörden sind oft machtlos und fordern nun schärfere Gesetze.
München – Laut dem Statistischen Bundesamt beziehen aktuell etwa 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld. Die staatliche Leistung hilft bedürftigen Menschen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern und zugleich Arbeit zu fördern. Doch das System wird zunehmend Ziel organisierter Missbrauchsmodelle, wie Jobcenter berichten.

Bürgergeld-Betrug: Mafia-ähnliche Strukturen und Scheinjobs
In vielen Kommunen, besonders in sozial belasteten Großstädten, verzeichnen Jobcenter einen deutlichen Anstieg von Betrugsfällen im Zusammenhang mit dem Bürgergeld. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Einzelfälle. Immer häufiger berichten die Behörden von professionellen Betrugsnetzwerken, die systematisch Sozialleistungen abgreifen – insbesondere durch Scheinbeschäftigungen von Menschen aus Süd- und Osteuropa, wie die Welt berichtet.
Gegenüber dem Stern warnte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) vor genau diesen Methoden: „Es gibt ausbeuterische Strukturen, die Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken und ihnen Mini-Arbeitsverträge anbieten. Gleichzeitig lassen sie diese Menschen Bürgergeld beantragen und schöpfen die staatlichen Mittel dann selbst.“ Sie spricht von „mafiösen Strukturen“, die gezielt zerschlagen werden müssten.
Betrugsmaschen beim Bürgergeld: Fingierte Vaterschaften als Betrugsmodell
Erste Hinweise auf solche Missbrauchsfälle gab es der Welt zufolge bereits 2014 beim Jobcenter Wuppertal. Damals habe man dem jedoch wenig Beachtung geschenkt. Heute handle es sich um ein Muster, das in abgewandelter Form weiterhin vorkomme.
Als besonders perfides Vorgehen zeige sich nach Angabe der Behörde in Fällen fingierter Vaterschaften. In Wuppertal wurden bislang rund 180 solcher Fälle dokumentiert, bei denen Männer gegen Bezahlung die Vaterschaften für Kinder anerkannten, zu denen sie keinerlei Verbindung hatten. Auf diese Weise erhielten ganze Familien ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland sowie Zugang zu Bürgergeld und weiteren staatlichen Leistungen. Nach Angaben des örtlichen Jobcenters entstehe allein durch diese Praxis ein jährlicher Schaden von über acht Millionen Euro.
Herausforderungen bei der Aufklärung von Sozialleistungsbetrug
Viele Jobcenter stoßen bei der Aufklärung von Sozialleistungsbetrug an ihre Grenzen. Ein Grund seien Personalmangel und die hohe Komplexität der Fälle. Besonders Themen wie fingierte Vaterschaften oder Scheinselbstständigkeiten seien schwer zu durchschauen, da sie gleich mehrere Rechtsbereiche betreffen – vom Sozial- über das Ausländer- bis hin zum Familienrecht.
„Um hiergegen wirksam tätig zu werden, sind Gesetzesänderungen nötig“, heißt es aus Wuppertal. Ohne eine engere Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Familienkassen sowie klare gesetzliche Grundlagen sei eine effektive Strafverfolgung kaum möglich. Die Behörden fühlen sich vielfach überlastet und alleingelassen.
Jobcenter ergreifen Maßnahmen gegen Bürgergeld-Betrug – mit begrenztem Erfolg
Mit internen Befragungsroutinen, dem Modellprojekt „Missimo“ und der Gemeinsamen Koordinierungsstelle Rhein-Wupper (kurz: GeKo) versuchen Jobcenter, Betrugsversuche besser aufzudecken – doch der Effekt bleibe nach eigenen Angaben begrenzt, solange rechtliche Grundlagen und personelle Ressourcen fehlen. Lutz Mania, Chef des Jobcenters Berlin-Mitte bemängelte zudem, dass es seit der Bürgergeld-Reform seltener zu Leistungskürzungen komme, selbst bei klaren Pflichtverletzungen. Dennoch sprechen sich Experten klar dagegen aus, alle Bürgergeldbeziehenden pauschal zu verdächtigen. Die große Mehrheit habe Anspruch auf die Leistungen, betont ein Ermittler gegenüber der Welt.
Das Bürgergeld ist seit der Einführung 2023 regelmäßig Gegenstand von Diskussionen. Dabei rückt immer wieder der Ausländeranteil unter den Bürgergeld-Empfängern in den Fokus – eine Stiftung klärt über den Ausländer-Mythos auf. (vw)