Trumps riskantes Haushaltsmanöver vor den Sonderwahlen

Vor den Sonderwahlen am 4. November ist eine Einigung im US-Haushaltsstreit kaum realistisch. Der Druck auf beide Parteien wächst, aber US-Präsident Donald Trump verfolgt offenbar weitergehende Ziele – weniger ein kurzfristiger Kompromiss, sondern eine strategische Umgestaltung des Staatsapparats und die Stärkung seiner Machtposition.

Ist das der längste Shutdown überhaupt?

Der sogenannte „Shutdown“ der US-Regierungsgeschäfte dauert seit 1. Oktober und ist mit über 31 Tagen bereits der zweitlängste in der US-Geschichte. Ein Ende ist nicht in Sicht: Der Senat hat 13 Abstimmungen zur Wiedereröffnung erfolglos durchgeführt, die letzte am 28. Oktober. Die nächste Sitzung ist erst am Montag, 3. November, ohne Garantie für eine Abstimmung. Prognosen (Polymarket) sehen eine 38 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass der Shutdown bis 16. November oder länger anhält – das würde einen neuen Rekord bedeuten.

Wird es vielleicht doch noch früher, vor den Wahlen, eine Einigung geben? Am Dienstag, 4. November 2025, finden in den USA sogenannte „Off-Year Elections“ statt. Das bedeutet: Es gibt keine Präsidentschaftswahl, aber eine Reihe wichtiger bundesstaatlicher, einzelstaatlicher und lokaler Sonderwahlen. Die Wahlen sind ein wichtiger Stimmungstest für die Parteien – besonders die Gouverneursrennen in Virginia (Demokratische Kandidatin Abigail Spanberger vs. Republikanerin Winsome Earle-Sears) und New Jersey (Demokratische Kandidatin Mikie Sherrill vs. Republikaner Jack Ciattarelli), die Bürgermeisterwahl in New York City (Zohran Mamdani vs. Andrew Cuomo vs. Curtis Sliwa) und die Abstimmung in Kalifornien über die Neuziehung der Kongresswahlkreise gelten als nationale Gradmesser.

Politischer Druck

Trotz des politischen Drucks ist eine kurzfristige Einigung vor den Wahlen eher unwahrscheinlich. Beide Seiten sehen keinen Anreiz, nachzugeben. Die Demokraten bestehen auf der Rücknahme von Kürzungen bei Medicaid, ein staatliches Gesundheitsfürsorgeprogramm, das einkommensschwache Bevölkerungsgruppen unterstützt, und der Verlängerung von ACA-Subventionen – staatliche Zuschüsse im Rahmen des Affordable Care Act (ACA), auch bekannt als „Obamacare“. Sie sollen Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen helfen, sich eine Krankenversicherung leisten zu können. Die Republikaner wollen ein „sauberes“ Übergangsgesetz ohne diese Zusätze.

Der Druck steigt aufgrund wachsender Probleme bei Flughäfen und Bundesdiensten und wegen drohender SNAP-Leistungskürzungen. Kürzungen des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP). Die drohenden Kürzungen des früher als „Food Stamps“ bezeichneten Ernährungsunterstützungsprogramms betreffen rund 42 Millionen Amerikaner in einkommensschwachen Haushalten. Ein Gerichtsurteil hat die sofortige Einstellung von SNAP-Zahlungen vorerst gestoppt, was den Druck etwas mindert.

Wirtschaftliche Folgen

Laut den neuesten Schätzungen des überparteilichen Congressional Budget Office (CBO) wird der aktuelle US-Government-Shutdown massive wirtschaftliche Folgen haben. Der Shutdown könnte die US-Wirtschaft zwischen 7 und 14 Milliarden Dollar kosten, abhängig von der Dauer: bei 4 Wochen: ca. 7 Mrd. Dollar, 6 Wochen: ca. 11 Mrd. Dollar, 8 Wochen: ca. 14 Mrd. Dollar. Diese Verluste sind permanent, da die Produktivität der beurlaubten Bundesangestellten nicht nachholbar ist.

Das reale Wirtschaftswachstum im 4. Quartal 2025 wird um 1 bis 2 Prozentpunkte niedriger ausfallen als ohne Shutdown. Nach Wiedereröffnung gibt es einen kurzfristigen Rebound, aber nicht alle Verluste werden aufgeholt.

Rund 750.000 Bundesangestellte sind derzeit beurlaubt, weitere arbeiten ohne Bezahlung. Die Arbeitslosenquote steigt temporär, wird sich aber nach Ende des Shutdowns normalisieren. Wenn jedoch geplante Entlassungen (Reductions in Force) durchgesetzt werden, könnte die Arbeitslosigkeit dauerhaft höher bleiben.

Bereits die verzögerten Staatsausgaben werden den Konsum bremsen. Bundesausgaben für Löhne, Güter und Dienstleistungen sowie Sozialprogramme sind stark reduziert: 33 Mrd. Dollar weniger Ausgaben bei 4 Wochen, 54 Mrd. Dollar bei 6 Wochen, 74 Mrd. Dollar bei 8 Wochen. Diese Ausgaben werden größtenteils nachgeholt, aber die verlorene Wirtschaftsleistung während der Stillstandzeit bleibt. Investoren und Rating-Agenturen bewerten das Versagen der US-Regierung bereits sehr kritisch.

Öffentliche Meinung

Auch die meisten US-Bürger können nicht verstehen, warum die Bundesregierung nicht effektiv genug arbeiten kann, um einen Haushalt zu verabschieden und die Regierung offen zu halten. Laut einer aktuellen Washington Post/ABC News/Ipsos-Umfrage geben 45 Prozent Trump und den Republikanern, 33 Prozent den Demokraten die Hauptschuld, und 22 Prozent sind sich unsicher. Seit Beginn des Shutdowns gab es nur geringe Veränderungen zugunsten von Trump. 

Doch bei Unabhängigen liegt das Verhältnis bei etwa 2:1 gegen die GOP, die Partei der Republikaner. Obwohl die öffentliche Meinung eher gegen Trump und die GOP tendiert, geht der Präsident offenbar das Risiko ein, um seine Ziele durchzusetzen.

Strategische Dimension

Trump will den Shutdown gezielt nutzen, um die Bundesregierung zu verkleinern. Es laufen bereits Entlassungen (Reductions in Force), Programme wie ACA-Subventionen sollen gestrichen und die Bürokratie verschlankt werden. Diese Maßnahmen entsprechen dem von Trump unterstützten Reformplan „Project 2025“, der bereits vor der Wahl in einem konservativen Think Tank, der Heritage Foundation, ausgearbeitet wurde.

Trump könnte dies tun, um noch mehr Macht zu gewinnen. Wegen der Unfähigkeit der beiden Parteien, die Regierungsgeschäfte am Laufen zu halten, könnten die US-Bürger das US-Regierungssystem als Ganzes ablehnen und den Ruf nach einer starken Führungspersönlichkeit wie ihm verstärken.

Dr. Josef Braml ist Politikwissenschaftler und USA-Spezialist mit über 20 Jahren Forschungstätigkeit, der als European Director der Trilateral Commission agiert. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.