Verbandschef: Kein Zurück beim Heizungsgesetz – denn Millionen Heizungen sind heute schon zu alt
Für die Heizungsbranche ist es ein bewegtes Jahr gewesen. Seit Jahresbeginn stellt sich aber eine langsame Erholung ein. Das ist auch gut so: Millionen Heizungen müssten nämlich ausgetauscht werden.
München – So langsam kommen die guten Nachrichten zur Heizungsbranche zurück. Die Zahl der Förderanträge für den Heizungstausch steigt wieder, das Interesse kommt zurück. Trotzdem bleibt die Lage ernst, wie auch der Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Gebäude und Energie e.V., Jens Wischmann, zu berichten weiß.
Im Interview mit IPPEN.MEDIA erklärt Jens Wischmann, warum er trotz der Meldungen über Kurzarbeit und Stellenabbau in der Heizungsbranche vorsichtig optimistisch ist – und warum das Heizungsgesetz auch bei einem Regierungswechsel bleiben wird.
Heizungsbranche stabilisiert sich nach den Einbrüchen bei der Nachfrage wieder
Herr Wischmann, Anfang August wurde bekannt, dass der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron mit einem Stellenabbau rechnen muss, der Absatz ist zu stark eingebrochen. Rechnen Sie damit, dass es anderen in Ihrer Branche auch anderen so gehen wird?
Die aktuelle Situation ist schwierig, keine Frage. Aber als Verbandschef steht es mir nicht zu, mich zur Unternehmenspolitik einzelner Firmen zu äußern. Im Zuge der Wärmewende haben die Unternehmen ihre Produktion stark ausgebaut. In diesem Jahr ist die Nachfrage jedoch nicht so nachgezogen, wie erwartet und wie den Unternehmen von der Politik suggeriert wurde. Gleichzeitig hat die lange Diskussion um das Heizungsgesetz und die wiederholten Änderungen bei der Förderung für Verunsicherung bei den Verbrauchern geführt. Aktuelle Förderantragszahlen lassen einen leicht positiven Trend bei den Förderungen zur Wärmepumpe erkennen. Die Zahlen gehen hoch, wenn auch verhalten.
Sie erwarten also eine Erholung?
Die Nachfrage ist generell da, der Einbau wird sich allerdings über einen längeren Zeitraum als gedacht strecken. Optimismus ist ein großes Wort, aber ich bin zuversichtlich. Von den über 21 Millionen Heizungen in Deutschland gilt etwa die Hälfte als technisch veraltet. Wenn wir die Klimaziele im Gebäudesektor erreichen wollen, müssen wir da ran.
Das Problem ist nur, dass viele Unternehmen nicht warten können. Stellenabbau oder sogar die eine oder andere Insolvenz sind in dieser Marktlage wohl unausweichlich.
Ja, natürlich, die Unternehmen müssen aktuell Kosten sparen. Sie müssen jetzt reagieren, damit sie nicht untergehen und später, wenn sich der Markt wieder erholt, wieder liefern können. Stellen abzubauen ist dabei immer der letzte Schritt. Stattdessen versucht man erstmal Stellen nicht neu zu besetzen oder schickt die Menschen in den vorzeitigen Ruhestand. Aber das Problem ist ja, dass wir die Leute später wieder brauchen werden. Die Fachkräfte, die hier arbeiten, das weiß ich von den Werken und Unternehmen in unserem Verband, das sind hoch ausgebildete Spezialisten, die man auch braucht. Sie zu verlieren, kann sich ein Unternehmen eigentlich nicht leisten. Gleichzeitig brauchen wir im SHK-Fachhandwerk [Anm. d. Red. SHK steht für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik] engagierte Nachwuchskräfte. Ein krisen- und zukunftssicherer Beruf mit vielfältigen Aufgaben und guten Aufstiegschancen – ich kann dafür nur werben.
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Jetzt sieht es so aus, als ob sich zumindest bei Privatkunden die Lage wieder stabilisiert. Merken Sie davon was?
Ja, das stimmt. Wir veröffentlichen regelmäßig unser SHK-Konjunkturbarometer zur aktuellen Lage und zur Einschätzung der nächsten Monate. Dazu fragen wir bei Unternehmen aus der Industrie, dem Großhandel und dem Handwerk die Situation im Bereich Heizung und Sanitär ab. Aktuell werden wieder mehr Bäder erneuert, als das in den letzten Jahren der Fall war. Der Sanitärbereich erholt sich. In die Ausstellungen kommen wieder mehr Besucher, um sich über die neue Technik zu informieren. Und das Interessante ist: Viele Verbraucher sind heutzutage technisch sehr versiert. Sie sind zum Teil fast besser oder eben genauso gut informiert, wie wir Fachleute! (lacht)
Ist das vielleicht ein positiver Effekt dieser Debatten um die Wärmewende letztes Jahr?
Ja, bestimmt – aber es liegt auch daran, dass sich viel verändert hat in kurzer Zeit. Die geschichtliche Entwicklung ist sehr spannend. Eigentlich ist es vergleichbar mit den Elektroautos. Die hat es früher auch schon gegeben, aber wenn das Benzin so billig ist oder eben beim Heizen das Gas, warum sollte ich da wechseln? Die Hersteller hatten bei den klassischen Öl- und Gasheizungen einen sehr hohen Stand, so wie die Verbrennermotoren. Perfekt ausgereift, weltweit führend. Nur haben sich jetzt die Rahmenbedingungen geändert. Verbrennung wollen wir nicht mehr und fossile Energie ist teuer geworden und wird noch teurer werden.
Warum wird fossile Energie bald viel teurer werden?
Um den Umstieg auf erneuerbare Energie zu fördern, wurde der CO₂-Preis eingeführt, der schrittweise in den nächsten Jahren steigt. Damit will die Politik Verbraucher und Verbraucherinnen, aber auch Unternehmen mehr in Richtung Klimaneutralität bewegen. Der CO₂-Preis liegt in Deutschland 2024 bei 40 Euro pro Tonne CO₂ und steigt ab 1. Januar 2025 auf 50 Euro, ab 2026 wird dann ein Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro pro Tonne gelten. Ab 1. Januar 2027 wechselt Deutschland von einem rein deutschen Modell auf das EU-Modell. Dann wird der CO₂-Preis nicht mehr von der Regierung festgelegt, sondern bildet sich auf dem Markt aufgrund von Angebot und Nachfrage. Das bedeutet: Wenn viele Menschen und Unternehmen CO₂-Zertifikate benötigen (weil sie ihr Verhalten noch nicht geändert haben), steigt der Preis. Die EU verringert das Angebot an Zertifikaten im Laufe der Zeit künstlich. Es lässt sich schwer voraussagen, wie hoch der CO₂-Preis ab 2027 ausfallen wird – das hängt schließlich stark davon ab, wie gut wir bis dahin in der EU mit dem Klimaschutz vorankommen. Studien haben jedoch ergeben, dass ein Preis von 100 bis sogar 300 Euro pro Tonne CO₂ nicht unrealistisch ist.
Durch den CO₂-Preis werden Öl und Gas ab 2027 besonders ansteigen, da steigt Deutschland in den europäischen Emissionshandel ein (siehe Infokasten). Haben Sie da nicht die Befürchtung, dass dann wieder ein plötzlicher Run auf die Wärmepumpe kommen wird?
Wir wünschen uns natürlich, dass die Absatzzahlen weiter steigen. Besser als ein kurzfristiger Boom wäre ein stetiges Wachstum auf hohem Niveau, damit man nicht in Engpässe kommt. Und genau das ist der Grund, warum wir eigentlich alle sagen: Die Produkte stehen bereit, das Handwerk hat Kapazitäten und durch eine staatliche Förderung von bis zu 70 Prozent werden Hausbesitzer finanziell bei der Modernisierung unterstützt! Menschen, die eine Sanierung angehen möchten oder aufgrund des Alters der Heizung angehen müssen, sind gut beraten, das jetzt zu tun und die Förderung zu erhalten, statt zu warten. Seit Ende August können endlich auch Eigentümer vermieteter Einfamilienhäuser und von vermieteten und selbstgenutzten Eigentumswohnungen von der Förderung profitieren.
Natürlich kann man informieren und hoffen, dass es genug Kunden gibt, die jetzt reagieren. Aber es bleiben ja immer die Zweifler, die vielleicht auch denken, dass eine neue Regierung diese Regeln kippen wird. Was sagen Sie denen?
Auch eine neue Regierung wird das Rad nicht komplett zurückdrehen können. Der CO₂-Preis wird kommen und das Heizungsgesetz wird sicher nicht zurückgenommen werden. Weder auf EU- noch auf Bundesebene. Für Kunden, die (noch) nicht auf eine Wärmepumpe umsteigen möchten, wäre z.B. über eine Hybridheizung eine spannende Alternative. Die Hybridheizung vereint die Vorteile verschiedener Energieträger und lässt sich schrittweise erweitern.
Dennoch müssen Sie sich auf den wahrscheinlich kommenden Boom wohl einstellen?
Ja, natürlich, das ist unsere Verantwortung. Das Einzige, was mir noch Sorgen bereitet ist, dass wir in Deutschland noch sehr vom Ausland abhängig sind, was Strom angeht und dass wir unseren regenerativen Strom noch nicht effektiv speichern können. Das ist der gerade wichtigste Hebel: Der Strommarkt muss ausgebessert werden. Aber die Menschheit hat bisher immer noch Lösungen gefunden. Es bleibt nichts anderes übrig, als weiterzuforschen, weiterzuentwickeln. Und die Politik wäre gut beraten, jetzt schon die Weichen zu stellen, damit wir diesen Strom dann auch, wo immer er entsteht, liefern können, absetzen können.
Da scheint die Bundesregierung zumindest gerade dran zu sein – zumindest hört man gerade viel zum Thema Strommarktdesign.
Ja, das ist gut, und wahrscheinlich wird man auch nicht um neue Subventionen herumkommen, denke ich. Aber wer weiß, der Haushalt ist ja gerade so ein Thema…
Herr Wischmann, wagen Sie zum Schluss noch eine Prognose für Ihre Branche. Wie geht es in den nächsten ein, zwei Jahren weiter?
Für 2025 sehen wir das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Wir haben eine attraktive Förderung, das Handwerk hat Kapazitäten, die technischen Lösungen sind überzeugend. Die Rahmenbedingungen für den Heizungstausch stimmen. Jetzt sind die Kunden gefragt.