Wie bei Jules Verne – Ukraine bringt autonome U-Boote gegen Putin in Stellung

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Russisches Kriegsschiff auf der Halbinsel Krim. © IMAGO/Konstantin Mihalchevskiy

Ohne Marine mischt die Ukraine mit im Seekrieg um die Krim – Drohnen schleichen sich an die Schwarzmeer-Flotte; und bald wohl auch bemannte U-Boote.

Sewastopol – Sie heißen „Fury“, „Orca“ oder „Kronos“ und sollen den Unterwasser-Krieg revolutionieren. Die Ukraine plant einen Feldzug autonomer Unterseeboote gegen die Schwarzmeer-Flotte von Wladimir Putin und will Russland damit von der Krim vertreiben. Inzwischen existiert auch ein Tarnkappen-U-Boot ukrainischer Ingenieure. Und auch der Flugzeugbauer Boing hat mittlerweile fünf unbemannte U-Boote an die US-Marine ausgeliefert; die könnten ebenfalls für die Ukraine interessant werden; allerdings setzen die verstärkt auf Eigenbau, um sich auch gegenüber ihren bisherigen Unterstützern zu emanzipieren.

Die Drohne „Seababy“ hat beispielsweise bereits im vergangenen August Schaden an der russischen Schwarzmeer-Flotte und der Krim-Brücke verursacht. „Drohnen dieser Art, die an der Meeresoberfläche operieren, sind eine einheimische Innovation“, sagte Vasyl Maliuk, der Leiter des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), gegenüber dem Sender CNN.

Ukraine setzt im Krieg gegen Russland auf Unterwasserwaffen der Marke Eigenbau

Science-Fiction scheint also von Tag zu Tag realistischer zu werden im Ukraine-Krieg: Die Verteidiger basteln neben einer Armee von Drohnen inzwischen wohl auch an unbemannten U-Booten, um die Schwarzmeer-Flotte Russlands das Fürchten zu lehren. Konventionelle Kriegführung ist auf Dauer schlichtweg unbezahlbar. Jetzt startet die Ukraine Ende Januar sogar eine neue Offensive im eigenen Land: einen Hackathon unter der Überschrift „Offensive der Maschinen“ – das Verteidigungsministerium will damit kreative Köpfe versammeln, um die besten technologischen Lösungen zur Verbesserung unbemannter Systeme an der Front zu finden. Der Hackathon „Offensive der Maschinen“ ist eine gemeinsame Veranstaltung des Verteidigungsministeriums der Ukraine, des Generalstabs der Streitkräfte der Ukraine, des Ministeriums für strategische Industrien und des Verteidigungstechnologie-Clusters Brave1.

Mit dabei das Projekt „Fury“ – die Kurzform für „First Ukrainian Robotic Navy“, wie das Magazin NavalNews berichtet. Der Seekrieg im Schwarzen Meer ist der erste in der Geschichte, der von unbemannten Plattformen geprägt wird. Die Ukraine war mit unbemannten Booten (USV) schnell innovativ und schien der russischen Marine bisher einen Schritt voraus zu sein. Das vermutlich erste Opfer der ukrainischen Kreativität war die „Admiral Makarov“, das Flagschiff der russischen Schwarzmeer-Flotte – sie war beschädigt worden von einer unbemannten Überwasserdrohne, der „Magura 5“.

Expertin: Ukraine wird nach dem Krieg wichtigstes Drohnenherstellerland in Europa sein

Von „Hunderten von Drohnen“, über die die Ukraine jetzt verfügen soll, spricht das Online-Miltär-Magazin Defense Express und beruft sich auf Aussagen des HerstellersJede einzelne allerdings würde der Ukraine schon Hoffnung geben. Die Magura 5 ist 5,5 Meter lang, 1,5 Meter breit. Sie ist ein ukrainischer Eigenbau, vorgestellt auf der Internationalen Messe der Rüstungsindustrie in der Türkei im Juli 2023. Eigentlich heißt sie „Maritime Autonomous Guard Unmanned Robotic Apparatus“ und ist in ihrer jetzigen Ausführung die fünfte Generation. „Die Ukraine ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn des Krieges zu einer Drohnenmacht geworden“, lobte Ulrike Franke, vom European Council on Foreign Relations gegenüber dem ZDF. Und sie ist sich ziemlich sicher: „Es ist wahrscheinlich, dass die Ukraine aus diesem Krieg als wichtiges Drohnenherstellerland hervorgehen wird.“

Die „Magura 5“ als Do-It-Yourself-Lösung für die eigene Marine ist scheinbar ein wahrer Tausendsassa – und ihre Möglichkeit, Sprengstoff über das Schwarze Meer zu tragen offenbar nur ein Nebenaspekt ihrer eigentlichen BestimmungNach Angaben des ukrainischen Herstellers „SpetsTekhnoEksport“ soll sie vor allem aufklären und überwachen können. Ihre Nutzlast wird mit 320 Kilogramm angegeben; die soll sie dann mit einem Tempo von 40 bis maximal 75 Kilometern pro Stunde über eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern katapultieren können. Die Bedienung gehe laut Herstellerangaben so leicht von der Hand wie bei einem ferngesteuerten Spielzeugboot. In sicherer Entfernung. Von Land aus. Sie ist der Prototyp der ukrainischen Drohnen-Entwicklung für den Einsatz auf dem Wasser. Alle weiteren Modelle sind ihr in den Spezifikationen überlegen.

Nach diesem erfolgreichen Probelauf geht die Ukraine jetzt nämlich einen Schritt weiter. Laut Defense Express wäre die ukrainische „Fury“ kein völlig neues Schiff, sondern als Innovation eine bestehende Plattform, die mit Minen, Torpedos oder sogar von U-Booten abgefeuerten Raketen bewaffnet wäre. Obwohl die Herstellung einer solchen Waffe nicht billig sein wäre, machte sie die Wiederverwendbarkeit lohnenswert. „Fury“ soll während des Hackatons Ende Februar erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Krim: Die „Raserei“ sät Hoffnung auf den Abzug der Schwarzmeer-Flotte

„Fury“ – zu Deutsch „Raserei“ hat auch eine große Aufgabe zur erfüllen: Die ukrainischen Verteidiger wollen mit ihren Attacken gegen die russische Marine nicht nur Material zerstören und die Operationsfähigkeit der Schwarzmeer-Flotte schwächen, sondern Russlands Präsident Wladimir Putin stürzen: Die Krim wurde bereits 2014 von Russland besetzt und bildet den Brückenkopf von Putins Fantasien, die Ukraine in die Russische Föderation einzugliedern – und genauso von seinem Vorhaben, international wieder als Seemacht aufzutrumpfen. Viele Experten sehen in der Krim den Schlüssel zum Erfolg im gesamten Ukraine-Krieg. Sollte Russlands Diktator die Krim verlieren, wäre der gesamte Krieg wahrscheinlich schnell vorbei.

Der Militär-Journalist Hi Sutton vermutet aber, dass die Ukraine ihren technologischen Vorsprung einzubüßen droht: „Der Erfolg der USV war zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass Russland ihnen nur langsam entgegentrat. Aber das ändert sich, Russland setzt mehr Verteidigungsmaßnahmen ein und wird immer besser darin, ihnen entgegenzuwirken. Verteidigungsmaßnahmen gegen kleine Schnellboote gibt es seit dem 20. Jahrhundert und waren aufgrund der Bedrohungen aus dem Nahen Osten seit einigen Jahren ein Schwerpunkt der Marine westlicher Staaten. Ohne weitere Innovationen auf ukrainischer Seite könnte Russland seine Überlegenheit im Schwarzen Meer wiedererlangen. Zumal der Krieg voraussichtlich noch Jahre andauern wird.

„Orca“: US-Vorbild für eine autonome ukrainische Rüstungsindustrie

„SeaBaby“ könnte der Ukraine weitere Hoffnung geben: Neben „Magura 5“ ist „SeaBaby“ einer der beiden Arten von Seedrohnen, die vom ukrainischen Geheimdienst SSU betrieben werden. Wie Defense Express berichtete, handelt es sich bei „SeaBaby“ im Gegensatz zu den anderen beiden nicht nur um eine Kamikaze-Drohne, sondern bereits ebenfalls um eine Mehrzweckplattform, wie sie auch „Fury“ darstellen soll – die Aufgaben werden einfach komplexer. Das Boot „Orca“ beispielsweise, vom US-Flugzeugbauer Boing, ist jetzt mit fünf Exemplaren an die US-Marine ausgeliefert worden mit dem Auftrag unterschiedlichen Missionsanforderungen gerecht zu werden. Sein Kernfahrzeug bietet „Führung und Kontrolle, Navigation, Autonomie, Situationsbewusstsein, Kernkommunikation, Energieverteilung, Antrieb und Manövrieren sowie Missionssensoren“ – das Boot ist sozusagen mit allen Wassern gewaschen.

Von den einfacheren schwimmfähigen Drohen unterscheiden sich die „AUV“ (Autonomous Underwater Vehicle), dass sie autonomer als ihre Vorgänger handeln können, besser zu navigieren sind – beispielsweise durch ihre Fähigkeit mit Satelliten zu kommunizieren, und dass sie eine größere Nutzlast transportieren. Die aktuell ausgelieferten „Orca“ sind so groß wie ein Pottwal und wiegen rund 80 Tonnen.

Das Boot „Kronos“ ähnelt dagegen einem Manta-Rochen und entspringt wiederum ukrainischem Erfindergeist 2023 ist das Boot erstmals vorgestellt worden und erinnert stark an die „Nautilus“ aus Jule Vernes Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“. Der Hersteller bietet ein futuristisches Konzept eines U-Bootes, das für eine Vielzahl von Aufgaben konzipiert ist – laut DefenceExpress „das neue Konzept eines U-Bootes, das eine vollwertige Kampfeinheit sein kann“. Unter Wasser kann ein solches Boot bis zu 3,5 Tonnen Nutzlast oder bis zu zehn Menschen transportieren – und das bis zu einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde getaucht oder 80 über Wasser; beides wahlweise gesteuert oder ferngelenkt – und das immerhin bis zu 250 Kilometern Entfernung.

Die Entwicklung einer eigenen Rüstungsindustrie gehört derzeit zu den Prioritäten der ukrainischen Regierung – gerade mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA: Ein Sieg von Donald Trump muss die Ukraine befürchten lassen, dass die Lieferkette aus den USA abreißt. Außerdem entwickelt sich der Krieg am Boden zu einem zähen Ringen – die Unterwasser-Welt bietet der Ukraine noch Raum für Dynamik und Erfolge einer Gegenoffensive; das sieht auch Technik-Journalist Hi Sutton so: „Die Unterwasserlösungen könnten der Schlüssel dazu sein, den Russen wieder zwei Schritte voraus zu sein. Autonome Unterwasserfahrzeuge können Überraschung, Tarnung und Überlebensfähigkeit bieten.“

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