Supervulkan: Neue Beben und neue Studie sorgen für Unruhe – nur einen Monat Vorwarnzeit?
Ein Erdbebenschwarm am Supervulkan in Italien sorgt wieder für Unruhe. Und eine neue Studie berichtet, dass sich eine Eruption rasch entwickeln könnte.
Pozzuoli – Seit mehr als zwei Jahren hält der Vulkan der Phlegräischen Felder in Süditalien die rund eine halbe Million Einwohner der dortigen Roten Zone in Atem. Mehrere Phasen starker Erdbeben haben schwere Schäden an der Bausubstanz angerichtet, rund 2000 Menschen wurden obdachlos. Auf die schweren Bebenserien folgten bisher stets neun bis elf Monate relativer Ruhe. Die letzte Serie gipfelte am 13. März in dem bisher stärksten gemessenen Erdstoß in der Caldera mit einer Magnitude von 4,6. Da sich die Beben in relativ geringen Tiefen ereignen, sind die Auswirkungen an der Oberfläche entsprechend stark.
Neue Bebenserie an berüchtigtem Krater treibt die Menschen mitten in der Nacht wieder auf die Straße
In der Nacht zum Sonntag (13. April) kam es aber schon zu einem weiteren relativ starken Schwarmbeben mit über 60 Erdstößen. Der stärkste Erdstoß hatte eine Magnitude von 2,9 und ereignete sich um 23:29 Uhr in unmittelbarer Nähe des Solfatara-Kraters, der für seine Schwefelquellen bekannt ist und als wahrscheinlichste nächste Eruptionsstelle des Supervulkans gilt. Insgesamt gab es bis zum frühen Sonntagmorgen vier weitere Erdstöße mit Magnituden über 1. Viele Bürger verbrachten die Nacht wieder vor Angst stärkerer Beben im Freien. Dabei bereitet sich die idyllische Küstenregion gerade auf die kommende Feriensaison vor, denn sie ist ein beliebtes Ziel für einen Italien-Urlaub. Die traditionelle prächtige Palmsonntagsprozession fand in der Hafenstadt Pozzuoli aber wie gewohnt statt, auch die Tauchersaison begann wie alle Jahre.
Forschende der Universität Göttingen haben jetzt aber eine Studie veröffentlicht, die sich vor allem mit dem Ausbruch vor rund 40.000 Jahren beschäftigt. Sie gingen der Frage nach, wie lange die Aufheizphase des Vulkans damals dauerte und kamen zu einem beunruhigenden Ergebnis. Sie untersuchten Gesteinsproben des kampanischen Ignimbrits, eines vulkanischen Gesteins, das während des Ausbruchs meterhoch abgelagert wurde.
Der schrecklichste Vulkanausbruch Europas zeigt den Forschenden, wie schnell er sich entwickelte
„Die Prozesse, die einen Vulkanausbruch auslösen können, sind in sogenannten Wachstumsringen magmatischer Kristalle aufgezeichnet“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Göttingen. „Diese befinden sich im Magmareservoir, einer unterirdischen Kammer, in der sich flüssiges Magma unter einem Vulkan sammelt.“ Bis kurz vor der Eruption wüchsen die magmatischen Kristalle hier heran, berichten die Forschenden. Beim „Kampanischen Ignimbrit“, dem gewaltigen Vulkanausbruch vor etwa 40.000 Jahren, der im Umkreis von 80 Kilometern alles Leben vernichtete und das Welt-Klima für mehrere Jahre drastisch verschlechterte, wurden rund 300 Kubikkilometer Magma freigesetzt.
Das macht ihn zur größten und explosivste Eruption in Europa der vergangenen 100.000 Jahre. Diese Vulkanasche lagert teils Dutzende Meter dick im gesamten Großraum Neapel unter der Oberfläche. Die Ablagerungen dieser Eruption untersuchten die Forschenden mit einer Elektronen-Mikrosonde. So konnte das Team die letzte Wachstumsphase der Kristalle kurz vor einer Eruption chemisch analysieren.
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„Die Verteilung des Elements Barium entlang von gemessenen Profilen am Kristallrand legt nahe, dass ein frischer Nachschub von Magma aus der Tiefe vor 40.000 Jahren die gewaltige Eruption ausgelöst hat“, erklärt Prof. Dr. Gerhard Wörner von der Abteilung Geochemie und Isotopengeologie der Universität Göttingen. „Dies belegt zum einen, dass dieser finale Magmen-Nachschub direkt vor der Eruption erfolgt ist. Weiterhin zeigen mathematische Modellierungen der gemessenen chemischen Profile, dass dieser Prozess das schon in der Erdkruste vorhandene, viel ältere Magma innerhalb von nur rund 60 Jahren zur Eruption brachte.“
Zum Vergleich mit der Gegenwart: Seit den 50er Jahren steigen die Phlegräischen Felder nach den 400 Jahren seit der letzten Eruption wieder an. Der Boden hat sich zwischenzeitlich um mehr als vier Meter gehoben. In den 70er und 80er Jahren gab es bereits mehrere Bebenphasen, in denen Lava Richtung Oberfläche aufstieg, jeweils gefolgt von einer Entspannungsphase. Seit 2004 hebt sich der Boden wieder und es kommt zu immer stärkeren Beben.
Supervulkan könnte sich innerhalb eines Monats mit neuer Magma aufladen
Allerdings, so die Göttinger Forscher, hänge die „Vorwarnzeit“ einer solchen Eruption stark von der Temperatur des Magmas ab, die nicht sicher zu bestimmen ist. „Sollte die Temperatur des Magmas höher als die angenommenen etwa 900 Grad Celsius gewesen sein, würde sich die Vorwarnzeit sogar noch deutlich reduzieren: Bei etwa 970 Grad Celsius liegen die meisten Schätzungen bei weniger als vier Jahren bis nur einem Monat. War die Temperatur niedriger, etwa bei 850 Grad Celsius, könnte die Vorwarnzeit zwischen acht und 380 Jahren liegen“, so Erstautorin Dr. Raffaella Iovine, die die Forschung im Rahmen ihrer Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Wörner und in Zusammenarbeit mit Forschenden aus Neapel durchgeführt hat.

„Anzeichen, dass eine Eruption in der näheren Zukunft auch tatsächlich stattfinden wird, zeigen die Ergebnisse allerdings nicht“, so Wörner. „Oft werden Vulkane im Untergrund unruhig, ohne dass danach auch eine Eruption an der Erdoberfläche ausgelöst wird. Andererseits sind die Vulkane in der Region der Phlegräischen Felder schon seit über 300.000 Jahren immer wieder aktiv, oft nur mit kurzem Zeitabstand von wenigen hundert Jahren.“
Wissenschaftler begehen darum neue Wege, um Beben und Eruptionen in den Phlegräischen Feldern besser vorhersagen zu können: Kürzlich wurde eine Unterwasserdrohne ins Meer gelassen, um die Vulkanstrukturen am Meeresgrund vor dem Festland besser erforschen zu können. Auch aus dem All wird der Supervulkan mittlerweile beobachtet, die ISS misst die Temperatur, die vor Beben steigt. Kürzlich hatten Forschende in Bebenwellen Muster entdeckt, die einen Ausbruch des Vulkans ankündigen könnten. Außerdem wurde kürzlich neue Messstationen im Westen und Osten der Phlegärischen Felder installiert, um dortige Risse in der Erdkruste besser untersuchen zu können.