Zukunftsforscher sieht „Omnikrise“ in der Politik – Dauer-Streit in Ampel-Koalition als Symptom
Matthias Horx zufolge befindet sich die Welt politisch gesehen in einer Omnikrise. Diese spiegle sich auch in der Politik der Bundesregierung.
Frankfurt/Mainz - Mit Blick auf anhaltenden Krisen der Gegenwart spricht der Publizist, Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx von einer „Omnikrise“. Denn einzelne Krisen in der Welt seien ineinander verzahnt und erzeugen so den Eindruck eines allumfassenden Ganzen.
Omnikrisen seien ein Merkmal von Epochenübergängen. Begleitet werden sie laut Horx oftmals von einer gesellschaftlichen Verunsicherung. „Alle 50 bis 100 Jahre kommt es zu einem Zerfall des alten Normalzustands und dem Beginn von etwas Neuem, was zunächst noch unsicher erscheint“, sagte Horx der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Solche Perioden der Verunsicherung könnten durchaus 10 bis 20 Jahre anhalten. Je mehr sich die Gesellschaft aber an Lösungen beteilige, desto schneller gehe diese Zeit vorbei.
Omnikrise macht Antworten auf bösartige Formen von Populismus notwendig
Jene Omnikrise bestehe auch aus Krisen von Demokratien weltweit. „Die Autokratien scheinen überall zu übernehmen“, erklärte Horx. Dennoch betonte er, dass jeder Trend immer auch einen Gegentrend erzeuge. Er appelliert an die Zivilgesellschaft, sie müsse notwendigerweise Antworten auf bösartigen Formen von Populismus finden – auch, damit die Demokratie von neuen Parteien und Bewegungen reformiert werden könne.

So habe der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Gesellschaft nach Horx‘ Einschätzung „aus einer jahrzehntelangen Illusion gerissen. Und zwar zu glauben, sie befände sich auf dem Weg, immer friedlicher und integrierter zu werden.
In der Omnikrise tritt Horx zufolge aber auch ein „Schock der Zeitenwende“ zutage. Denn die Globalisierung funktioniere nicht in dem Maße, in dem man es von ihr glaubte. Der Trend- und Zukunftsforscher weist aber auch auf einen positiven Aspekt hin, der in jenen Schocks liegen kann: „Sie machen uns klar, wofür es sich zu kämpfen lohnt, für welche Werte wir eintreten sollten“, betont Horx. Letztlich gehe es um das Entstehen einer neuen Weltordnung.
Auch in der Politik der Ampel-Koalition tritt jene Omnikrise zutage
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Die Omnikrise wird Horx zufolge aber auch in Deutschland sichtbar: So zeige der Streit der Ampel-Koalition, wie schwer es ist, im Zeitalter des medialen Populismus überhaupt noch angemessene Politik zu betreiben. Großen Anteil daran nehme die „mediale Über-Erregungsgesellschaft“ – in ihr wird dem Publizisten zufolge „Krach inszeniert“, statt durch eine konstruktive Streitkultur zu Kompromissen zu gelangen. So etwa nutze die Opposition jede politische Lücke, um Instabilität herzustellen.
„Auf diesem Chaosgefühl wuchert Autoritarismus, der immer einfache Lösungen anbietet, die er aber eben nicht hat“, stellt Horx fest. In dieser Weise werde der Autoritarismus immer wieder an sich selbst scheitern. Nicht weniger wahrscheinlich ist es Horx zufolge, dass auch Donald Trump in der US-Präsidentschaftswahl 2024 nicht bestehen wird.
Europa bewährte sich trotz multipler Krisen
Dagegen zeige das Beispiel Europa, dass aus Krisenzeiten „erstaunliche Einigkeit“ hervorgehen kann. So hat sich Europa nach Einschätzung von Horx in den turbulenten Zeiten des Coronavirus und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durchaus bewährt. Vielen sei dadurch allmählich klar geworden, wie sehr man Europa in Zeiten multipler Krisenherde brauche.
Bezüglich der Klimakrise ist Horx der Ansicht, die Abwendung von Kohle, Öl und Gas kann die Länder der Welt zu einem „gemeinsamen Menschheitsprojekt zusammenbringen“. Global gesehen spiele Solarenergie eine immer größere Rolle, mehr Länder verpflichteten sich ernsthaft auf Klimaziele und stetig neue Techniken der Dekarbonisierung würden entwickelt. Bezüglich des Klimawandels sieht Horx die größte Gefahr darin, „dass die Stimmung ins Apokalyptische kippt“.
Dem Wandel der Arbeitswelt attestiert Horx ein allmähliches Ende des industriellen Modells und seinen vergleichsweise starren Normen. Dieser Wandel aber werde eher von den Jüngeren vorangetrieben. So suchten mehr Menschen nach mehr Flexibilität in ihrer Work-Life-Struktur. „In 20 Jahren sind Norm-Arbeitsverträge wahrscheinlich in der Minderheit“, prognostiziert Horx.