Schlag aus heiterem Himmel: Ukraine sprengt russische Panzer-Kolonne mit Drohnen-Schwarm

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Spektakulärer Schlag gegen Russlands stählerne Aggression: Drohnen der Ukraine sprengen eine russische Panzerkolonne – und zeigen so auch der Bundeswehr Gefahren auf.

Solodke – Andreij Nemtsev macht einen deprimierten Eindruck auf die Journalisten. Der Batallionskommandeur befiehlt über Abteilungen mit deutschen „Wunderwaffen“ und zeigt sich tief betrübt über deren weitgehende Wirkungslosigkeit. Das Hamburger Abendblatt beobachtet Nemtsev dabei, wie die Ukraine gegen die Truppen von Wladimir Putin das Blatt im Ukraine-Krieg wenden wollte – und mit ihrer Gegenoffensive gegen Russlands Aggression steckengeblieben ist.

Allerdings sind vielleicht lediglich die hohen Erwartungen in die westeuropäische High-Tech verpufft; aber mit ihren Do-It-Yourself-Lösungen scheint die Ukraine ihrem Feind mindestens auf Augenhöhe begegnen zu können, wie jetzt ein Video in den sozialen Netzwerken zu belegen scheint. Der Inhalt ist für die Russen derart erschütternd, dass selbst die Blogger auf Seiten von Russlands Feldzug auf den Zinnen sind, wie die Bild schreibt. Die Invasionsarmee soll eine Panzerkolonne verloren haben, weil sie offenbar die ukrainischen Drohnen unterschätzt hat. Der Tod kam aus heiterem Himmel.

Die Aufnahmen von Ende Januar zeigen eine Kolonne von elf gepanzerten Fahrzeugen auf dem Marsch nahe des Dorfs Solodke in der Region Donezk in westlicher Richtung; mit dabei drei Kampfpanzer, ein Schützenpanzer und sieben gepanzerte Fahrzeuge. Sie marschieren in der Mittagszeit ohne jegliche Deckung oder infanteristische Unterstützung beziehungsweise ohne Überwachung des Luftraumes. Ihr Ziel soll laut Angaben von Bild gewesen sein, den umkämpften Ort Nowomichajliwka südlich zu flankieren und zur strategisch wichtigen Straße nach Wuhledar vorzustoßen.

Tatsächlich kamen weder Fahrzeuge noch viele russische Soldaten dort an. Offenbar hatte die Ukraine aufgrund guter Aufklärung von dem Durchbruchsversuch Lunte gerochen und einen Schwarm von ungefähr 20 FPV-Drohnen (First Person View) auf die Angreifer gehetzt – gegen die auf die Fahrzeuge geworfenen Granaten hatten die Russen keine Abwehrmöglichkeit, was für die russlandfreundlichen Militärblogger offenbar Grund genug war, die die selbstmörderische Taktik der russischen Offiziere zu verurteilen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, schreibt Blogger Dem Z-Krieg zugewandt, laut Bild, „wie zum Teufel kann man ignorieren, dass der Feind FPV-Drohnen zur Verfügung hat?“

Blogger kritisiert russische Führung: „Alles, was wir auf die Fahrzeuge packen, ist veraltet.“

Weiterhin soll der mit etwa 720.000 Followern auf Telegram reichweitenstarke Blogger offen die Militärführung kritisiert haben: „Aktuell besitzen wir keinen Schutz gegen diese Drohnen. Alles, was wir auf die Fahrzeuge packen, ist veraltet und hält die Drohnen nicht auf.“ Das Video wird in Berlin ebenfalls für ein Beben gesorgt haben; die Hilflosigkeit der Nato- sowie speziell auch der deutschen Panzer gegenüber die Bedrohung aus dem Baumarkt schleppt sich durch die Jahre und wird mit Fortschreiten des Ukraine-Kriegs um so prekärer für die westlichen Länder. Der Krieg gegen den Westen wird wahrscheinlicher, und Russland hat gerade Generalprobe.

„Die Verteidigungsministerin gesteht beim Schutz gegen Drohnen ,eine akute Fähigkeitslücke‘ der Bundeswehr ein. Denn: Diese hatte ihre Flugabwehr abgeschafft. Jetzt braucht sie wegen der Gefahr von Drohnenangriffen dringend Ersatz“ – das schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits vor fast drei Jahren, also lange bevor der erkaltete Krieg zwischen Ost und West plötzlich wieder Temperatur bekam. Die deutschen Streitkräfte waren damals in einem kläglichen Zustand. „Doch das Eingeständnis, dass die Bundeswehr nahezu wehrlos gegen Drohnenangriffe ist, hat doch überrascht“, schrieb die FAZ. Es bestehe „eine akute Fähigkeitslücke“, gestand die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wörtlich. Die eigene Ohnmacht war durch den kurzen Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan offensichtlich geworden. Während der Kämpfe hatten aserbaidschanische Drohnen aus israelischer und türkischer Produktion mehr als 190 armenische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge vernichtet.

Die Ukraine setzt bei ihrer Gegenoffensive ab sofort auch auf den Einsatz von Drohnen mit künstlicher Intelligenz
Der Tod startet aus der erhobenen Hand: Die Ukraine setzt in ihrer Gegenoffensive inzwischen auch auf den Einsatz von Drohnen mit künstlicher Intelligenz. (Archivfoto) © LIBKOS/dpa

Schock bei der Bundeswehr: wehrlos gegen Angriffe aus der Luft

Berichte darüber hatten in der Bundeswehr für einen Schock gesorgt. Unter Hochdruck hatte die Verteidigungsministerin laut der FAZ deshalb Vorschläge vorbereiten lassen, um die Lücke rasch zu schließen und die Flugabwehr insgesamt neu zu konzipieren. Geschehen ist diesbezüglich bisher wenig bis gar nichts. Die Gefahr zieht künftig tatsächlich in Schwärmen herauf: Drohnen werden kleiner und günstiger, ihre Zahl wird steigen. Effektiv dagegen wirkt bisher vor allem der Killer aus der Mottenkiste: der deutsche Flugabwehrkanonen-Panzer Gepard.

Für die deutschen Veteranen war das Thema ebenfalls bereits lange vor dem Ukraine-Krieg klar, wie Björn Müller in deren Magazin loyal schreibt: „Im Kalten Krieg war die mobile Flugabwehr der Bundeswehr ein Glanzstück innerhalb der Nato. Optimiert für ihren Hauptauftrag – Verzögerung eines Großangriffes der Sowjets – war die Bundeswehr vor allem eine Panzerarmee. Für deren Schutz gegen Luftangriffe wurde eine leistungsstarke Flugabwehr der Bodentruppen aufgebaut. Ausgerüstet waren diese Einheiten mit dem ,Gepard‘-Flugabwehrkanonenpanzer und mit dem Raketensystem ‚Roland‘. Doch das ist lange her.“ Heute ist nichts mehr davon übrig, die Bundeswehr steht gegenüber einer Bedrohung aus dem Osten fast blank dar.

Drohnen-Abwehr: Experte warnt eindringlich vor dem Glauben an einfache Lösungen

Ähnlich argumentiert der deutsche Militärhistoriker Sönke Neitzel in einem Interview mit der taz auf die Frage, ob Deutschland darauf vorbereitet sein muss, dass Russland auch massiv aus der Luft angreift: „Exakt. Das ist die Debatte über die Flugabwehr. Was passiert, wenn Putin Raketenangriffe auf Berlin vornimmt? Sind wir dafür bereit? Ganz blank sind wir da nicht, aber gut vorbereitet auch nicht“, antwortet Neitzel.

Einzelfahrzeuge gegen Drohnen zu schützen, scheint technisch schwer realisierbar, wie gegenüber dem Militärmagazin cpm DefenceNetwork der Geschäftsführer von Krauss Maffei Wegmann kürzlich zugegeben hat – die Rüstungsschmiede von Ralf Ketzel produziert beispielsweise den Leopard in seinen verschiedenen Ausführungen – ihm zufolge ist eine effektive Abwehr von Kleinstflugkörpern lediglich mit verbundenen Waffensystemen zu realisieren: „Wir müssen uns meiner Ansicht nach von der Vorstellung lösen, dass man alle Aufgaben in einem System realisieren könnte. Wir haben bei KMW sehr erfolgreich demonstriert, dass man mit dem Schützenpanzer Puma Drohnen bekämpfen kann. Das heißt also, das Tandem Puma und Leopard besäße an der Front einen sehr guten Schutz gegen Drohnen. Der Leopard bringt die Durchschlagskraft mit, der Puma – oder ein anderes Fahrzeug – den Schutz vor Drohnen.“

Der Experte warnt nachdrücklich davor, nach vermeintlich einfachen Lösungen zu suchen: „Zum einen haben wir für Schweden und Griechenland einen wirklich schweren Schutz gegen Artilleriegeschosse realisiert, die Hohlladungen verschießen. Das ist aber ein wirklich schwerer Schutz. Dann haben wir noch das Trophy-Selbstschutzsystem, das nun auch einige deutsche Leoparden erhalten werden. Auch dieses bietet einen gewissen Schutz gegen Drohnen. Aber wirklich ausreichend sind beide Lösungen nicht.“

Gegenoffensive der Ukraine: Science-Fiction wird von Tag zu Tag realistischer

Allerdings scheint der Countdown unbarmherzig zu laufen, wie der Ukraine-Krieg zeigt: „Die Ukraine ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn des Krieges zu einer Drohnenmacht geworden“, sagte Ulrike Franke, vom European Council on Foreign Relations gegenüber dem ZDF. Und sie ist sich ziemlich sicher: „Es ist wahrscheinlich, dass die Ukraine aus diesem Krieg als wichtiges Drohnenherstellerland hervorgehen wird.“ Bisher hat Russland ein Stück weit Souveränität in der Ukraine zurückgewonnen, indem die elektronische Kriegführung ihre Anstrengungen erfolgreich auf die Entwicklung von Störsendern konzentriert und Macht über den Äther gewinnt. Aber das ist lediglich die eine Seite des Wettlaufs um den militärischen Fortschritt. Die Gegenseite entwickelt mit.

Diese Störsender stellten bisher eine direkte Bedrohung für die FPV-Drohnen dar und unterbrachen die wichtige Kommunikationsverbindung zwischen den Bedienern und ihren mit Sprengstoff beladenen Drohnen, schreibt der Digital-Journalist Aamir Sheikh im Blog Cryptopolitan. Scheikh prognostiziert deshalb einen Konflikt zwischen traditionellen Militärstrategien und modernen Technologien der Künstlichen Intelligenz – und damit einen entscheidenden Moment in der sich modernisierenden Kriegführung: „Um ihren Vorsprung im Drohnenkrieg zu behaupten, prüfen die ukrainischen Streitkräfte die Integration von KI in ihre Operationen. Das favorisierte KI-System würde lernen, Ziele über die Kamera der Drohne zu erkennen, sodass es die Drohne auch dann weiter auf das Ziel steuern kann, wenn keine Funkverbindung besteht.“

Erschwerend kommt hinzu, dass der Kampfpanzer Leopard in der Ukraine anders eingesetzt wird, als sich das die Konstrukteure gedacht hatten – ihm fehlen die von KMW-Geschäftsführer Ketzel herbeigewünschten Tandempartner, und als Solist im Gefecht sind seine konstruktiven Vorteile schnell dahin – neben den Flanken sind auch das Heck und die Oberseite schwächer gepanzert und bieten einer Drohne insofern eine hervorragende Angriffsfläche. Die Achillesferse des Leopard tritt in einer Notlage also schnell zutage, wie der ukrainische Kommandeur Andreij Nemtsev dem Hamburger Abendblatt gegenüber klagt: „Anstatt aus dem Hinterhalt zu attackieren, nutzen wir den Panzer für direkte Angriffsoperationen. Wir können nicht anders, weil wir keine anderen Kampfpanzer in unserem Bataillon haben.“

Insofern mag auch der Marsch der russischen Kolonne ohne jegliche Deckung vielleicht weniger zu tun zu haben mit fehlendem militärischen Sachverstand, sondern könnte lediglich aus der Not heraus geboren gewesen sein.

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