Rheinmetall-Chef exklusiv über neues Werk an NATO-Ostflanke: „Dann produzieren wir eben mehr“

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Rüstungskonzern Rheinmetall ist seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Aufwind. Konzernchef Armin Papperger erklärt im Interview, warum das für ihn kein Dilemma ist.

Berlin – Der Kontrast ist groß. Auf der einen Straßenseite: beigefarbene, schmucklose Arbeiterhäuser aus den 1920er Jahren. Gegenüber: Viel Glas, Stahloptik, moderne Architektur. Hier im Düsseldorfer Stadtteil Derendorf hat Rheinmetall seinen Hauptsitz, direkt an der B1. Gleich um die Ecke ist die Ulmenstraße, wo der Rüstungskonzern schon vor über 130 Jahren Geschütze fertigte.

Seit dem Ukraine-Krieg: Rüstungskonzern Rheinmetall im Aufwind

Die Geschichte des Traditionsunternehmens ist lang und wechselvoll. Nach dem Zweiten Weltkrieg gabs ein Produktionsverbot für Waffen, ein paar Jahre lang produzierte man in Düsseldorf Schreibmaschinen und Aufzüge. Seit Jahrzehnten liegt der Fokus wieder sehr klar auf Wehrtechnik, Rheinmetall baut Panzer mit Namen wie Marder oder Puma und produziert Munition, aber auch mobile Feldhospitäler.

Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG.
Armin Papperger ist seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG. © Rheinmetall

Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist Rheinmetall im Aufwind. Man sieht sich als wichtigsten rüstungsindustriellen Partner der Ukraine. Das mäßig gute Image der Branche, die nicht zuletzt wegen Waffenlieferungen in Krisengebiete immer wieder in der Kritik stand, wandelt sich allmählich. Doch nicht nur das, auch an der Börse hat Rheinmetall seinen Wert vervielfacht. Seit 2013 ist Armin Papperger Vorstandsvorsitzender des DAX-Konzerns und hat die Internationalisierung des Unternehmens vorangetrieben. Im Interview erklärt er, welche Pläne der Konzern in der Ukraine und an der NATO-Ostflanke künftig hat.

Ist es ein Dilemma, wenn Krieg der Grund dafür ist, dass das Geschäft mit potenziell tödlichen Waffen gut läuft?

Seit dem russischen Überfall war ich mehrfach in der Ukraine und treffe auch hier bei uns häufig auf politische Vertreter des Landes. Hier wie dort spürt man, wie wertvoll unsere Hilfe für den ukrainischen Abwehrkampf ist. Und wir sind dankbar dafür, dass wir diese Leistungen erbringen dürfen. Wir produzieren, was gebraucht wird, und wenn mehr gebraucht wird, produzieren wir eben mehr und machen natürlich einen höheren Umsatz. Aber auch wenn endlich wieder Frieden in der Ukraine einkehrt – der Nachholbedarf bei der Ausrüstung der Streitkräfte in vielen Ländern ist sehr groß. Es hat eine sicherheitspolitische Dekade begonnen, in der wir bei Rheinmetall mit unseren Leistungen auf lange Sicht gebraucht werden.

Können Sie die Zeitenwende auch wirtschaftlich spüren? Investieren Anleger mehr in Rüstungskonzerne?

Wir sehen, dass das Thema Sicherheit und Verteidigung auch im Kapitalmarkt angekommen ist. Die Zeitenwende und unser Aufstieg in den Dax im März 2023 haben dazu beigetragen, dass sich mehr Journalisten, mehr Analysten und mehr Anleger für unser Unternehmen interessieren. Investoren haben vor dem Hintergrund des Krieges ihre Investitionspolitik angepasst. Banken, die über Jahre nichts mit Rüstung zu tun haben wollten, bieten uns nun Finanzierungen an. Als ich Anfang 2013 Vorstandsvorsitzender wurde, lag der Börsenwert von Rheinmetall bei rund einer Milliarde Euro. Heute liegt er bei 20 Milliarden und ich glaube, dass 50 Milliarden Euro in den kommenden Jahren realistisch sind.

Bundeswehrplaner: NATO-Bedarf an Munition kann kaum gedeckt werden

Bundeswehrplaner Gert Nultsch sagt, es stünden kaum noch Produktionskapazitäten zur Verfügung, die kurzfristig hochgefahren werden können. In Deutschland habe man die Rüstungsindustrie von einer „Volumenindustrie in einen Manufakturbereich“ umgewandelt. In absehbarer Zeit könnten die Bedarfe der NATO kaum gedeckt werden. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?  

Damit Unternehmen in große Fertigungsstätten investieren, benötigen sie Planungssicherheit und möglichst langfristige Verträge. Die haben wir heute. Aber auch davor sind wir bereits ins Risiko gegangen. Unsere Produktionskapazitäten haben wir in vielen Bereichen massiv gesteigert und wir erhöhen sie weiter, bei der Artillerie zum Beispiel von 70.000 Schuss vor dem Ukrainekrieg auf 700.000 Schuss bis Ende des Jahres. Auch bei militärischen Lkw haben wir unsere Kapazitäten um ein Vielfaches gesteigert und werden noch in diesem Jahr mehr als 1.500 Fahrzeuge an die Bundeswehr übergeben.

Rheinmetall verstärkt seine Zusammenarbeit mit der Ukraine und produziert vor Ort. Warum ist das aus Ihrer Sicht wichtig?  

Mit der strategischen Kooperation zwischen der Ukraine und Rheinmetall und mit unseren Joint Ventures im Land wollen wir dabei helfen, die einst große und leistungsfähige Verteidigungsindustrie vor Ort wieder aufzubauen. Nur mit einer starken Industrie und nationalem Fertigungs-Know-how wird die Ukraine nachhaltig verteidigungsfähig und kann sich auf Dauer schützen.

Flugabwehr kommt im Ukraine-Krieg zum Einsatz

Wie hilft denn Rheinmetall beim Schutz?

Rheinmetall zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Flugabwehrsystemen, einige davon sind in der Ukraine im Einsatz. Wir sind auch der einzige Lieferant für die 35mm-Mittelkalibermunition, die der reaktivierte Flugabwehrkanonenpanzer Gepard benötigt. Als wir die Fertigungslinie für diese Munition neu aufgesetzt haben, war die Herausforderung eher eine andere: Das Know-how war nicht mehr in der Breite vorhanden und ebenfalls musste reaktiviert werden.

Beim Thema Drohnenabwehr-Technologie werden unter anderem Rohstoffe wie Seltene Erden verwendet, die zum großen Teil aus China kommen. Wie kann sich die europäische Produktion unabhängig machen?  

Wir bei Rheinmetall haben sichere Lieferketten und haben viel Geld aufgewendet, um die benötigten Materialien in ausreichender Menge zu haben. Die Frage, wie die Europäische Union ihre Abhängigkeit von China bei Seltenen Erden reduzieren kann, muss die Politik beantworten. Vor allem mit Blick auf Großkalibermunition sehe ich im globalen Markt einen Engpass beim Thema Linters. Auch hier ist Europa abhängig von China. Deshalb haben wir in den vergangenen Monaten einen großen Vorrat dieser sogenannten Schießbaumwolle angelegt.

Ukraines Industrieminister Oleksandr Kamyschin, Rheinmetall-Chef Armin Papperger und der stellvertretende ukrainische Verteidigungsminister Dmytro Klimenkov bei der Eröffnung einer Panzerwerkstatt (v.l.)
Ukraines Industrieminister Oleksandr Kamyschin, Rheinmetall-Chef Armin Papperger und der stellvertretende ukrainische Verteidigungsminister Dmytro Klimenkov bei der Eröffnung einer Panzerwerkstatt (v.l.). Künftig sollen hier auch Fahrzeuge montiert werden. © Rheinmetall

Rheinmetall-Chef: „Unser Footprint an der NATO-Ostflanke ist heute schon groß“

Sind Produktionsstandorte von Rheinmetall auch an anderen Standorten denkbar, zum Beispiel in Richtung NATO-Ostflanke?

Unser Footprint an der NATO-Ostflanke ist heute schon groß. Im Februar zum Beispiel haben wir als strategischen Zukauf die Mehrheitsanteile an einem rumänischen Fahrzeughersteller erworben. Seit Mai ist das Unternehmen offiziell Teil unseres Produktionsnetzwerks. Zudem steigern wir unsere Kapazitäten zur Pulverherstellung in Rumänien. Und mit der Wirtschaftsministerin Litauens haben wir erst kürzlich eine Vereinbarung zum Bau eines Munitionswerks im Land unterzeichnet.

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