Kurswechsel in Automobilindustrie nötig - Warum Wasserstoff der Schlüssel zur Rettung des Industriestandorts ist
Deutschland stand einst an der Spitze der Wasserstoff-Technologie. Doch verpasste Chancen und falsche Prioritäten der Politik gefährden diesen Vorsprung. Warum Wasserstoff der Schlüssel zur Rettung des Industriestandorts ist, erklärt Wasserstoff-Spezialist Jorgo Chatzimarkakis.
Die Weichen waren gestellt: Mit bahnbrechenden Wasserstoff-Technologien hatte die deutsche Automobilindustrie ein Ass im Ärmel, das die Konkurrenz weltweit in den Schatten stellen konnte. Doch statt diese Chance zu nutzen, hat die Regierung die Verkehrspolitik in eine Sackgasse manövriert.
Verpasste Chancen bei der Wasserstoff-Evolution
Ein Blick zurück: Deutschland stand vor einer Vorreiterrolle. Das weltweit dichteste Netz an Wasserstoff-Tankstellen, technologische Spitzenleistungen wie der 1.000-Kilometer-Weltrekord eines Wasserstoff-Lkw von Daimler Trucks und bahnbrechende Entwicklungen bei Wasserstoff-Verbrennungsmotoren.
Auch die Bundesregierung schien das Momentum nutzen zu wollen: Programme wie H2Global und das geplante Wasserstoff-Kernnetz sollten die Infrastruktur für eine nachhaltige Verkehrswende schaffen. Doch statt die vorhandenen Vorteile auszubauen, verfing sich das Verkehrsministerium in Halbherzigkeit und strukturellen Versäumnissen.
Über Jorgo Chatzimarkakis

Der Deutsch-Grieche Jorgo Chatzimarkakis ist CEO des europäischen Wasserstoffverbands Hydrogen Europe. Dieser vertritt die Interessen der Wasserstoffindustrie und fördert Wasserstoff als Wegbereiter für eine emissionsfreie Gesellschaft. Mit nahezu 500 Mitgliedern und mehr als 30 nationale Verbände, deckt Hydrogen Europe die gesamte Wertschöpfungskette des europäischen Ökosystems für Wasserstoff ab.
Das Märchen von der Batterie-Mobilität
Gleichzeitig schien sich die Regierung mit aller Macht auf die Elektromobilität zu stürzen – anstatt das Beste aus beiden technologischen Welten für die bestmögliche Anwendung politisch voranzubringen.
Batteriebasierte Antriebe sind für den Schwerlastverkehr beispielsweise kaum praktikabel, auch die massive Elektrifizierung für den Individualverkehr stößt auf massive Rohstoffversorgungsprobleme.
Die Entscheidung, Wasserstoff als Schlüsseltechnologie stiefmütterlich zu behandeln, grenzt an politisches Versagen und mangelnde Weitsicht. Schlimmer noch: Die von der EU im Rahmen der AFIR-Richtlinie (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) geforderten Tankstellen werden nur schleppend umgesetzt.
Der Standort Deutschland gerät ins Schleudern – ein Armutszeugnis für eine Branche, die einst weltweit Maßstäbe setzte und das Aushängeschild Deutschlands war.
Und während die Automobilindustrie Arbeitsplätze abbaut und Investitionen stoppt, droht Deutschland in eine technologische Sackgasse zu geraten, die insbesondere die Zulieferindustrie massiv unter Druck setzt und ganze mittelständische Strukturen destabilisiert, die bislang das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden.
Was jetzt getan werden muss
Die künftige Bundesregierung nach der Ampel hat einen klaren Auftrag: Für den deutschen Industrie- und Technologiestandort, insbesondere im Verkehrssektor, ist es längst fünf nach zwölf. Die Lösung liegt auf der Hand – und ist kurzfristig umsetzbar:
- Wasserstofftankstellen und Schwerlastverkehrsnetze müssen prioritär und mit klarem Fokus ausgebaut werden.
- Wasserstoffverbrennung als Brücke: Diese Technologie bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern könnte durch ihre Kompatibilität mit bestehenden Dieselantrieben, die durch H2-Verbrenner ersetzt werden, auch zehntausende Arbeitsplätze sichern.
- Klare politische Bekenntnisse: Statt auf diffuse Strategien und einseitige Technologien zu setzen, braucht es ein klares Signal: Wasserstoff ist der Weg in die Zukunft, insbesondere im Schwerlastverkehr, weil er „Made in Germany“ ist.
Fazit: Kurswechsel oder Abwärtsspirale
Die Ampel-Regierung hat den Standort Deutschland in drei Jahren Verkehrspolitik auf eine gefährliche Rutschbahn gebracht. Noch ist es nicht zu spät. Aber das Zeitfenster schließt sich schnell.
Ein mutiger und entschlossener Kurswechsel könnte nicht nur die deutsche Automobilindustrie retten, sondern das Land auch wieder an die Spitze der globalen Technologiebewegung führen. Alles andere wäre der endgültige Beweis für das politische Versagen einer ganzen Ära.
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