Emmanuel Macron auf Wahlplakaten unerwünscht – „Sie werden sein Gesicht nicht sehen“

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Europäer nehmen ihn als souverän wahr. In Frankreich selbst gilt Präsident Emmanuel Macron als realitätsfern. Die Neuwahl könnte zum Fiasko werden.

Paris – In Europa gilt Emmanuel Macron als selbstbewusster, kultivierter und souveräner Staatsmann. Im eigenen Land ist davon nicht viel zu sehen. Im Gegenteil: Für viele Franzosen gilt er nur noch als Belastung.

„Sie werden Macrons Gesicht nicht auf meinen Wahlkampfplakaten sehen, das kann ich Ihnen sagen“, sagte ein Abgeordneter der Koalition des französischen Präsidenten. „Der Élysée-Palast hat die ‚präsidentenfeindliche‘ Stimmung in Frankreich nicht wirklich verstanden“, sagte ein Beamter der parlamentarischen Fraktion Renaissance gegenüber dem Nachrichtenportal Politico.

Umfragen des französischen Beratungsunternehmens Elabo zeigen, dass sieben von zehn Franzosen ihren Präsidenten nur noch als Belastung wahrnehmen. Mit Macron verbinden die Befragten vor allem negative Begriffe wie Uneinigkeit (44 Prozent), Enttäuschung (42 Prozent) und Feindseligkeit (26 Prozent). Positiv bewertete Begriffe wie Respekt (13 Prozent) oder Zufriedenheit (7 Prozent) kommen den Franzosen kaum in den Sinn, wenn sie an ihren Präsidenten denken.

Blanke Verachtung für Emmanuel Macron: Franzosen haben genug von seiner offenbar arroganten Art

Grund für die Unzufriedenheit mit ihrem Präsidenten könnte für viele Franzosen der Umgang Macrons mit Krisen sein. Besonders während der Gelbwesten-Revolte und im Zusammenhang mit Protesten während der Corona-Pandemie nahmen die Landsmänner und -frauen ihren französischen Präsidenten als autoritär und verächtlich wahr. Zunehmend nahm der Präsident die Rolle als Blitzableiter anti-elitärer Gefühle ein.

Der letzte Nagel im Sarg von Macron dürfte dann seine Zurückhaltung angesichts der im Land weitverbreiteten Proteste gegen die Rentenreform im letzten Jahr sein. Seitdem gilt er im Land als distanziert und realitätsfremd, wie France24 berichtet.

Am Sonntag der Europawahl dann die Quittung: 31,4 Prozent wählten Marine Le Pens rechtsextreme Rassemblement National. Mehr als doppelt so viel wie die 14,6 Prozent, die Macrons Bündnis noch aufbringen konnte. Bei einer Umfrage zur Wahl mehrerer französischer Medien und Institutionen gaben fast die Hälfte der Befragten an, sie wollen „ihre Unzufriedenheit mit Emmanuel Macron und der Regierung zum Ausdruck zu bringen.“

Europawahl - Frankreich
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, während seiner Ansprache im Fernsehen zur Auflösung der Nationalversammlung. Die Meldung schlug ein wie eine Bombe – vor allem in den eigenen Reihen. © Ludovic Marin/dpa

Und als Reaktion darauf sah sich Macron dazu berufen, Neuwahlen der Nationalversammlung auszurufen. Damit schockierte der französische Präsident nicht nur Europa, sondern auch das gesamte politische Spektrum seines Landes. Doch diejenige, die es eigentlich treffen sollte, Marine Le Pen, könnte von dem radikalen Vorgehen profitieren. Denn anders als die Linke Frankreichs bringen es die Konservativen und Rechten des Landes wohl schneller fertig, sich auf einen Kurs zu einigen, um so im Wahlkampf zu punkten.

Präsident Macron wird im französischen Wahlkampf zur unerwünschten Person

Im Wahlkampf seiner eigenen Partei will niemand den Präsidenten sehen. Denn er ist nicht nur zu einer unerwünschten Person für viele geworden, sondern gilt in politischen Kreisen immer mehr als willkürlich. Wieder und wieder wird ihm vorgeworfen, den Bezug zur Realität verloren zu haben und seiner Partei mehr zu schaden als zu helfen. „Wenn der Präsident sich selbst zur Wahl äußert, ist das ein großes Risiko“, sagt Mathieu Gallard, Research-Analyst bei Ipsos gegenüber Politico. „Sicher ist, dass er, wenn er sich einmischt, die Leute gegen sich aufhetzen wird.“ Die Regierungspartei Macrons droht bei der Wahl auf den dritten Platz zu fallen. Hinter den Rechten und möglicherweise auch hinter ein linkes Bündnis.

Die Entscheidung, erneut Wahlen abzuhalten, sei „der Akt des Wahns eines Mannes, der durch die Niederlage außer Gefecht gesetzt ist“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter des Élysée-Palastes. „Je mehr er redet, desto mehr Punkte verlieren wir“, sagte zudem ein Berater eines Abgeordneten von Macrons Renaissance-Partei. Für die Partei Macrons ist dieses offensive Vorgehen gegen ihren Anführer ein Novum. Eigentlich galt sie nur als Echokammer dessen, was Macron sagt. Ohne ihn würde sie nicht existieren – vielleicht stammt auch daher Macrons attestierter Realitätsverlust.

Verbündete erheben gegenüber Macron schwere Anschuldigungen

Für viele seiner Partei könnte es sich auch anfühlen, als würde ihre Führung sie den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Denn neu gewählt wird nur die Nationalversammlung – nicht der Präsident. „Wir werden für einen Fehler, der auf seine Kappe geht, unter die Räder geworfen“, sagte ein Parteiberater. Und Macron kündigte bereits an, nicht mit dem Partei-Schiff untergehen zu wollen. Denn im Falle einer demütigenden Niederlage für sein Bündnis wolle er weiterhin Präsident bleiben und nicht zurücktreten. „Ich gehe trete an, um zu gewinnen“, sagte Macron am Montag dem Figaro Magazine.

Der französische Präsident ging in die Europawahl, nachdem er gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem US-Präsidenten Joe Biden an den D-Day-Gedenkfeiern teilgenommen hatte. „Berauscht von seiner eigenen Präsenz“ auf der internationalen Bühne, „hat ihn die Enttäuschung hart getroffen“, die die schlechten Wahlergebnisse ausgelösten haben, sagt ein Elysée-Mitarbeiter über Macron. 

Der Präsident reagierte dann bockig und vielleicht auch unüberlegt auf die Niederlage: „Frankreich braucht eine klare Mehrheit in Gelassenheit und Harmonie. Franzose zu sein bedeutet im Grunde, sich dafür zu entscheiden, Geschichte zu schreiben, und sich nicht von ihr treiben zu lassen“, sagte Macron im Fernsehen, als er die Auflösung der Nationalversammlung ankündigte.

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