Russlands Energiekrieg: Putin könnte für EU-Kandidaten das Licht ausschalten
Bald fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine. In Europa kommt darum Sorge auf. Länder fürchten um ihre Energiesicherheit.
Chișinău – Ungarn hatte bereits vor einer Energiekrise gewarnt: Ende des Jahres 2024 läuft ein wichtiger Liefervertrag für Erdgas zwischen der Ukraine und Russland aus. Während verschiedene europäische Länder zunehmend verzweifelt nach alternativen Optionen gesucht haben, geht Moldau einen drastischeren Weg: Das Parlament hat den Notstand für den Energiesektor ausgerufen. Was steckt dahinter?
Moldau ohne Putins Gas – Benutzt Russland Energie als Waffe?
Es bestehe die Sorge, dass Russland Moldau absichtlich im Winter von Erdgaslieferungen abschneidet. So hieß es jedenfalls aus Regierungskreisen. Eine speziell eingerichtete Kommission soll „besondere Schritte“ ergreifen, um imminenten Risiken zu begegnen. Diese sollen in Kraft treten, falls Moskau das moldauische Kuciurgan-Kraftwerk (gelegen in Transnistrien) nicht ordnungsgemäß beliefern sollte. In dem Fall ist das Parlament der Ansicht, dass Russland Energie als Waffe einsetzen könnte.

Das Land stehe vor einer „außergewöhnlichen Situation“, zitierte die Nachrichtenagentur AP den moldauischen Premierminister Dorin Recean. Seine Befürchtung: Moskau könnte Energieflüsse absichtlich als Waffe benutzen, um Moldau zu destabilisieren und seine Anwohner potenziell „mitten im Winter ohne Hitze und Elektrizität“ lassen.
Laut der Frankfurter Allgemeine Zeitung ist der zum Jahresende auslaufende Liefervertrag für russisches Gas durch ukrainische Pipelines der Auslöser für den Notstand. Eine kurze Erklärung dazu: Aktuell fließt tonnenweise russisches Gas durch die Ukraine, dafür hatte ein fünfjähriger Liefervertrag gesorgt. Dieser läuft allerdings Ende 2024 aus, eine Verlängerung ist nicht geplant. Der fürs Erste 60 Tage lang andauernde Ausnahmezustand soll es leichter machen, auf diese Notlage zu reagieren. Zum Beispiel kann das mit zusätzlichen Geldern passieren, die die Energieversorgung sichern sollen.
Vollständig unabhängig – Moldau will sich von Russlands Wirtschaft trennen
Für Moldau ist das ein Problem, weil das Land lange Zeit fast völlig von Russland abhängig war. Die FAZ spricht hier von einer Abhängigkeit zu fast 100 Prozent. Dem Europäischen Rat für Auslandsbeziehungen (ECFR) zufolge hielt diese Abhängigkeit tatsächlich bis zur russischen Invasion der Ukraine an. Im Jahr 2023 aber hatte das Land größere Anstrengungen unternommen, um sich vom russischen Gas zu lösen. „Moldau hat eine vollständige Unabhängigkeit vom russischen Gas erreicht“, teilte der ECFR schon im November 2023 mit. Diese Manöver haben jedoch eine wichtige Region größtenteils außen vor gelassen – Transnistrien.
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Dabei handelt es sich um eine Region, die in enormem Maße von Russland beeinflusst ist und in der sich sogar russische Soldaten aufhalten. Obwohl die Region nach internationalem Maßstab zu Moldau gehört, hat Transnistrien eine halbautonome Administration, die Russland auch mit Energieplänen sponsert. Der russische Gasriese Gazprom versorgt das bereits erwähnte Kuciurgan-Kraftwerk mit kostenlosem Gas, von wo aus der Strom wiederum nach Moldau verkauft wird. Dieser Strom mache derzeit rund 70 Prozent der Moldauer Stromversorgung aus.
Darum verfolgt das Land derzeit das Ziel, diese letzte Abhängigkeit auch noch zu kappen. Nur so könne das „Transnistrien-Projekt“ des Kremls unterbunden werden, das darauf abzielt, Moldau aus der Europäischen Union herauszuhalten – und potenziell auch aus der NATO. Der russische Präsident Wladimir Putin erhofft sich eine größere Kontrolle über Moldau, die von der Separatistenregion ausgehen soll. Eine vollständige Energie-Unabhängigkeit würde nicht nur Moldaus Sicherheit stärken, sondern auch die von Europa als Ganzes.
Energiekrise in Europa – Länder warnen vor Russland-Bruch beim Gas
Innerhalb der EU betrifft der Konflikt um den auslaufenden Liefervertrag unter anderem Österreich, die Slowakei und Ungarn. Diese drei Länder hatten von der EU eine verlängerte Frist eingeräumt bekommen, um vom russischen Gas loszukommen, weil sie nicht so leicht auf Alternativen umsteigen konnten wie etwa Deutschland. Österreich war dabei ein Sonderfall. Das Land hatte erst vor wenigen Tagen einen wichtigen Vertrag mit dem russischen Energiekonzern Gazprom terminiert.
In Ungarn dagegen war bereits – genau wie in Moldau jetzt – die Sorge für einer Energiekrise hochgekocht. Beide Länder hatten auf einen alternativen Vertrag mit Aserbaidschan gehofft. Das Land wollte für Russland als Gaslieferant einspringen, sobald kein Gas mehr durch die ukrainischen Pipelines fließen würde, aber bislang sind keine konkreten Details zu einem Deal bekannt.
Moldau jedenfalls müht sich trotz aller Unabhängigkeitsbestrebungen darum, die Energieversorgung zu sichern, bis es so weit ist. Victor Parlicov, Moldaus Energieminister, hat laut der Nachrichtenagentur Reuters dazu erst kürzlich Gazprom angesprochen und sich um Gespräche bemüht. „Wir warten nicht bis zur letzten Minute, um diese Herausforderungen anzugehen, und ergreifen kalkulierte Schritte, um alle Risiken zu managen. Der Dialog mit Gazprom ist ein notwendiger Teil der Beurteilung des aktuellen Stands und der Ermittlung praktikabler Lösungen“, hatte Parlicov erklärt. Russland kann Moldau theoretisch noch über die Südroute beliefern, die nebst anderen Ländern durch die Türkei führt. (Laernie mit Reuters und AP)