Zwei Mitarbeiter nur für Verwaltung: Zimmerer berichtet von Bürokratie-Irrsinn – „Betriebe werden überwacht“
Das Handwerk leidet unter der überbordenden Bürokratie. Zimmerer Bernhard Simon aus Lenggries berichtet, wie das seinen Betrieb im Alltag betrifft.
Lenggries – Der Staat will Bürokratie abbauen. Im Oktober hat die damalige Ampel-Regierung das vierte Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Ziel ist es, Abläufe und Regeln zu vereinfachen und den Unternehmen mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben zu schaffen. Bernhard Simon hat davon noch nicht viel mitbekommen. „Spürbar ist das kaum“, sagt der Geschäftsführer von Simon Holzbau aus Lenggries. „Wir können Bauanträge digital einreichen. Aber recht viel schneller geht das nicht.“
Handwerker ächzt unter Bürokratie: Zwei von 43 Mitarbeitern kümmern sich nur um Verwaltung
Simon selbst arbeitet fast immer mehr als elf Stunden am Tag. Zwei seiner 43 Mitarbeiter kümmern sich allein um die Verwaltung. Behörden kontrollieren Krankenversicherung, Lohnabrechnung, Steuerzahlungen, Sozialkassenbeiträge, Nachhaltigkeitszertifikate und Arbeitssicherheit. Überall muss die Firma Nachweise einreichen. „Die Betriebe werden ganz schön überwacht“, sagt Simon, der auch gleich den Grund dafür nennt: „Die deutsche Mentalität. Wir wollen uns doppelt absichern.“
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Deutschland habe ein Bürokratiesystem entwickelt, aus dem keiner herauskommt, so Simon. Seine Firma baut jährlich etwa 25 Einfamilienhäuser und drei Großprojekte wie Kindergarten oder Büros. Zehn Prozent billiger schätzt er den Hausbau ohne die vielen Vorgaben. Ein Viertel der Zeit weniger würde der Bau dauern. „Jede Behörde will sich unangreifbar machen. Statt weniger, machen wir mehr Vorschriften, dass ja nichts passiert“, sagt Simon. „Wir haben die Normen und Regeln selbst aufgebaut. Jede Kleinigkeit ist über ein Gesetz abgesichert. Und jetzt haben wir den Schlamassel. Das Regelsystem ist fest verankert.“ Der Weg zurück, mit weniger Kontrolle und mehr Vertrauen, werde schwierig. Irgendein Interessenverband werde sich immer dagegenstellen.
„Kontrolle muss im Verhältnis stehen“: Zimmerer aus Lenggries kritisiert Bundespolitik
Viel Zeit frisst die Dokumentation. Vom Lehrling über den Zimmerergesellen bis zum Bauleiter – alle müssen dokumentieren. Nach getaner Arbeit schreiben sie eine halbe Stunde auf, wie lange, woran und bei wem sie heute gearbeitet haben. Jedes Projekt ist auf einem Programm digital hinterlegt. In der Datei können die Mitarbeiter auf Pläne, Rechnungen und Mails zugreifen. „Qualität braucht Kontrolle“, sagt Simon. „Aber die Kontrolle muss im Verhältnis stehen.“
Was Simon nicht verstehen kann: Wenn Politiker von Bürokratieabbau sprechen und im selben Moment neue Vorschriften schaffen. Bevor sie ein neues Gesetz beschließen, sollten sich Politiker ansehen, wie viel Arbeit das den Handwerksbetrieben macht. „Das Heizungsgesetz ist katastrophal und das Energieeinspargesetz der Wahnsinn“, sagt Simon. „Die Leute, inklusive Wirtschaftsminister, haben keine Ahnung.“ Die Ampelregierung wollte nachhaltigen Hausbau fördern. Gelungen sei ihr das nicht, so Simon. Vorher hat der Kunde ein Effizienzhaus bei der KfW-Bank beantragt und der Staat hat das bezuschusst. Jetzt braucht jeder Neubau ein Nachhaltigkeitszertifikat. Kostenpunkt: bis zu 15 000 Euro. „Die Kunden haben keinen Vorteil davon“, sagt er. „Das ist reine Bürokratie.“
Handwerker schlägt steuerfreie Überstunden vor
Wie der Staat laut Simon Bürokratie sparen und Firmen helfen könnte: Überstunden steuerfrei machen. Viele Eltern würden gerne samstags im Betrieb arbeiten, um sich ein paar Euro für die Familie dazuzuverdienen. Bei anderen Betrieben kann der Mitarbeiter auf 450 Euro steuerfrei arbeiten. Im eigenen Betrieb geht das nicht. „Das ist unlogisch. Wir haben Fachkräftemangel“, sagt Simon.
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Wenn ein neues Gesetz kommt, bricht meistens Panik aus. Vor drei Jahren hat der Freistaat ein neues Abstandsflächengesetz beschlossen. In Simons Region bekamen die Kommunen Angst vor zu dichter Bebauung und jeder stellte eine neue Satzung auf. Jetzt haben die umliegenden Gemeinden unterschiedliche Abstandswerte. „Das macht die Planung für uns schwieriger“, sagt Simon. Der Staat habe versucht, die Nachverdichtung zu vereinfachen – und die Kommunen hätten das Gesetz ausgehebelt. Wohl auch, weil viele das neue Gesetz nicht verstanden hätten. Deswegen wünscht sich Simon neue Vorschriften in einfachen Worten und kein „riesiges Gesetzesblatt“.
„Es braucht ein bisschen Optimismus, damit sich etwas ändern kann“
Bernhard Simon leitet aber nicht nur eine Zimmerei. Er sitzt im Kreistag, ist Ortsvorsitzender von der CSU und Kreisvorsitzender der Mittelstandsunion. Wo möglich, spricht er die Probleme aus seinem Handwerksbetrieb an. „Jeder Handwerker muss sich an der eigenen Nase nehmen und aktiv in die Politik gehen.“ Die Unternehmer müssten Verantwortung übernehmen, nicht immer nur granteln. „Es braucht ein bisschen Optimismus, damit sich etwas ändern kann.“