„Wie will man da noch ruhig schlafen?“ Was Trumps Zollpolitik mit Deutschlands Handel macht

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Der deutsche Handel leidet unter Trumps erratischer Zollpolitik. Europa müsse vereint handeln, sagt BGA-Chef Jandura. Auch Deutschland brauche Reformen.

Berlin – Im Juli hatten US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einem Handschlag ein Handelsabkommen besiegelt. Nun wurde es ausformuliert und sich auf eine allumfassende Zollobergrenze von 15 Prozent für EU-Erzeugnisse geeinigt. Doch in der deutschen Wirtschaft sorgt das nur bedingt für Erleichterung. Deutschland und andere Länder hätten im drohenden Handelskrieg ihre Karten besser ausspielen können, sagt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), im Interview mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.

Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands für Groß- und Außenhandel
Dirk Jandura ist Präsident des Bundesverbands für Groß- und Außenhandel. An Trump müsse man sich gewöhnen, sagt er. © Christian Lietzmann

Herr Jandura, vielleicht erstmal ganz grundlegend: Wie steht es aktuell um den Groß- und Außenhandel in Deutschland?

Wir haben im Prinzip seit einiger Zeit eine Berg- und Talfahrt im Großhandel und einen belasteten Außenhandel. Das liegt zu einem großen Teil an innenpolitischen Themen wie enormen Bürokratie-, Energie- und Sozialkosten und zum anderen an der erratischen Zollpolitik von Donald Trump. Die drückt gewaltig auf die Stimmung. Wir hatten im Frühjahr noch Vorzieheffekte, weil in den USA viele Unternehmen im Vorfeld ihre Lagerbestände gut gefüllt hatten. Die spüren wir jetzt nicht mehr. Der EU wäre gut beraten, wenn sie da wieder ein Freihandelsabkommen anstrebt. Das wird aber alles dauern.

BGA Chef: „Trumps Zoll-Politik ist eigentlich das noch größere Problem als die Zölle an sich“

Wurde in den vergangenen Monaten eine Chance verpasst, sich neu zu ordnen?

Der Deal liegt jetzt auf dem Tisch und wir sind alle froh, dass es zu einer Entscheidung gekommen ist. Denn in der Wirtschaft ist Planbarkeit wichtig. Aber 15 Prozent ist eine Menge. Als Händler freuen wir uns, dass es nicht zu Gegenzöllen aus Europa gekommen ist. In einer idealen Welt hätte ich mir gewünscht, dass sich der Rest der Welt – mit dem Trump einen Handelskrieg angefangen hat – berappelt und sich alle Parteien zusammensetzen. Wir hätten Trump vereint die kalte Schulter zeigen können, stattdessen haben wir zugelassen, dass er Keile zwischen die Länder treibt.

Sind die Zölle das größte wirtschaftliche Problem unserer Zeit?

Trumps Zoll-Politik ist eigentlich das noch größere Problem als die Zölle an sich. Wie will man ruhig schlafen, wenn man befürchten muss, dass am nächsten Tag schon wieder alles anders ist und neue Regeln gelten? Von der Dokumentation bis hin dazu, die Schiffe auf den Weg zu bringen. Alles erfordert eine Planung und die ist aktuell nicht durch die Zölle, aber eben die Zoll-Politik gefährdet. Aber eins sei auch gesagt: Trump müssen wir so nehmen, wie er ist. Wir werden immer mehr lernen, mit ihm umzugehen. Hier muss Europa mit einer Stimme sprechen und handeln, um Stärke zu zeigen und ernst genommen zu werden.

Merz‘ Schwerpunkt lag in den ersten Monaten auf der Außenpolitik

Und mit Blick ins eigene Land, was sind hier aus Ihrer Sicht Hürden, die abgebaut werden müssten?

Dass die deutsche Wirtschaft in der Rezession steckt, das kommt auf das Zoll-Problem obendrauf. Nach Jahren auf wirtschaftlichen Irrwegen ist die Regierung jetzt zum Handeln aufgerufen. Da kommen viele Bereiche zusammen: Bürokratie verringern, Arbeitsanreize schaffen, die hohen Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland abbauen, die Sozialsysteme reformieren und, mit Blick auf die Energiekosten, die Energiewende effektiv gestalten.

Neuer Newsletter „Unterm Strich“

Was? Exklusive Einblicke in den Politik-Betrieb, Interviews und Analysen – von unseren Experten der Agenda-Redaktion von IPPEN.MEDIA
Wann? Jeden Freitag
Für wen? Alle, die sich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren
Wo? Direkt in ihrem E-Mail-Postfach
Wie? Nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID hier kostenlos für den Newsletter anmelden

Ist das auch eine Forderung an Kanzler Friedrich Merz, wenn die politische Sommerpause vorbei ist?

Dass Friedrich Merz den Fokus erst einmal auf die Außenpolitik gesetzt hat, war aus meiner Sicht grundsätzlich die richtige Entscheidung. Jetzt nach der Pause muss er sich aber auch einmal innenpolitisch einsetzen. Es entstehen aktuell viele wirtschaftliche Wunden, auf die nur Pflaster geklebt werden. Und ich fürchte, irgendwann geraten wir in Deutschland ins Schwanken, wenn das die Methode bleibt.

Zeitarbeit als Chance sehen: „Da verwehrt sich Deutschland“

Welches Thema würden Sie gerne im Fokus sehen?

Allein im Großhandel haben wir einen Abbau von rund 30.000 Stellen. Trotzdem ist es schwierig, in vielen Bereichen Fachkräfte zu finden. Der bürokratische Aufwand, Menschen aus dem Ausland anzustellen, ist immens. Dass es immer noch Probleme dabei gibt, Ausbildungen und Zeugnisse anerkennen zu lassen, halte ich für ein großes Problem. Eine Lösung wäre, den Weg in die Wirtschaft über Zeitarbeit zu eröffnen. Zum einen bietet das die Chance, mehrere Sachen auszuprobieren, wäre aber auch bei der Integration von ausländischen Facharbeitern ein guter Weg. Da verwehrt sich Deutschland allerdings.

Nicht auch aus Sorge, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgenutzt werden?

Das Lohndumping gibt es nicht mehr. Es wird nach Mindestlohn bezahlt oder der Stundenlohn aus den gültigen Tarifverträgen berechnet. Und es gibt ja viele Menschen, die sagen: Ich will mich nicht festlegen, ob ich die nächsten 30 Jahre an diesem Arbeitsplatz bleibe. Natürlich nicht alle, aber ein Teil.

Auch interessant

Kommentare