Wirte nehmen an Bauernprotest teil: „Familiengeführte Betriebe werden systematisch kaputt gemacht“
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VonAmy Walkerschließen
In Deutschland gehen die Landwirte überall auf die Straßen, um gegen Subventionskürzungen zu demonstrieren. Doch nicht nur die Bauern sind dabei – auch Restaurantbetreiber demonstrieren.
München – Es beginnt in dieser Woche eine Woche des Streiks. Die Bauern gehen zusammen mit LKW-Fahrern auf die Straßen, um gegen die Streichung der Agrardiesel-Subventionen zu protestieren. Ab Dienstagabend legen dann auch die Lokführer bundesweit ihre Arbeit nieder, im Rahmen der Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn. Bisher wenig Beachtung bekommen hat eine weitere Gruppe, die ebenfalls demonstrieren will: Die Betreiber von Gastronomiebetrieben, die gegen die Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen und Getränke demonstrieren wollen.
Dehoga Bayern ruft zum Schulterschluss mit den Bauern auf
So hat auch der Interessenverband Dehoga Bayern ihre Mitglieder dazu aufgerufen, bei der Aktionswoche der Bauern mitzumachen. Die Aktionswoche „Ohne uns kein Essen“ wird gemeinsam vom Bauernverband und dem Verband des Transportwesens BGL organisiert. Sie beginnt am 8. Januar und endet am 15. Januar mit einer Großdemo in der Hauptstadt.
Dem Bündnis hat sich einer Pressemitteilung zufolge auch die Dehoga Bayern angeschlossen. Die Präsidentin des Regionalverbands, Angela Inselkammer, sagt demzufolge: „Wer Steuern auf Essen in Restaurants von 7 auf 19 Prozent erhöht, der führt Betriebe in den Ruin, zerstört regionale Wertschöpfungsketten, vernichtet Arbeitsplätze und nimmt insbesondere denjenigen, die keine Besserverdienenden sind, Lebensqualität.“ Ohne die Bauern gebe es kein Essen – aber auch ohne Wirte kämen Nahrungsmittel nicht auf den Tisch.
Auch Landesgeschäftsführer Thomas Geppert betont: „Unser Aktionsbündnis eint, dass unsere familiengeführten Betriebe systematisch kaputt gemacht werden. Dabei waren es die klein- und mittelständischen Betriebe, die Deutschland erst groß gemacht und durch alle Krisen geführt haben.“ Man fordere die Bundesregierung auf, die Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent zurückzunehmen und den Abbau der Bürokratie endlich ernst zu nehmen.
Bauernprotest in Deutschland: 5000 Traktoren in München
Neben Autobahnen und anderen Verkehrsadern haben Landwirte am Montag (8. Januar) bundesweit auch zahlreiche Städte blockiert und für erhebliche Verkehrsbehinderungen gesorgt. Allein in München begleitete die Polizei nach eigenen Angaben rund 5500 Traktoren aus der umliegenden Region in Richtung Innenstadt, wo später eine Kundgebung geplant war. Durch Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern bewegte sich laut Polizei am Montag „ein etwa 20 Kilometer Konvoi mit rund 1000 Fahrzeugen“.
Aus Brandenburg meldeten die Beamten die Abriegelung kompletter Städte durch protestierende Landwirte. Es bestehe „aktuell keine Möglichkeit“, in das Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel einzufahren, teilte die Polizei am Vormittag im Kurzbotschaftendienst X, ehemals Twitter, mit. Auch die Zufahrt nach Cottbus werde voraussichtlich in kürzester Zeit nicht mehr möglich sein.
In Rheinland-Pfalz bewegte sich laut Polizei ein 18 bis 20 Kilometer langer Konvoi mit mehr als 1000 Traktoren und Lastwagen über die Autobahn 63 in Richtung der Landeshauptstadt Mainz. Die Autobahn war demnach voll gesperrt. Auch in den Stadtgebieten von Hamburg und Bremen sowie Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen waren nach Angaben der Polizei am Montag bereits zahlreiche demonstrierende Bauern mit schweren Maschinen unterwegs.
Bauernproteste von Extremisten gekapert? Verbände rufen zu demokratischem Protest auf
Aufgrund der wachsenden Sorge, dass die Bauernproteste von extremen Kräften ausgenutzt werden, haben die Organisatoren aber auch zu „friedlichen und demokratischen Protest“ aufgerufen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einer Kaperung der Bauernproteste durch extreme Kräfte gewarnt und zum Schutz der Demokratie aufgerufen. Der Grünen-Politiker sagte in einem am Montag auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums: „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt.“
Dem Aufruf zu friedlichem Protest schließen sich die beiden Vorsitzenden der Dehoga-Bayern ebenfalls an: „So überlebenswichtig es für viele Betriebe ist, dass die Bundesregierung eine Kehrtwende macht, werden wir unsere Forderungen zwar deutlich und konsequent vortragen, aber immer sympathisch und friedvoll bleiben, ganz im demokratischen und gastgeberischen Werteverständnis.“
Der Verband betont, dass sie die Betriebe nicht dazu aufgerufen hätten, zu schließen. „Wir haben explizit nicht zu Streiks oder Schließungen von Betrieben aufgerufen. Es geht vielmehr um sympathische Maßnahmen, die die Mehrheit der Bevölkerung mitträgt.“ Es gibt aber bereits Meldungen von einzelnen Betrieben in Deutschland, die sich solidarisieren und ihre Türen geschlossen haben.
Mit Material von AFP und dpa
Rubriklistenbild: © Andy Pieronczyk