Der treue Verbündete: Wie China Russlands Krieg gegen die Ukraine am Laufen hält

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Ohne China wäre Russlands „Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht möglich“, sagt der deutsche Außenminister. So unterstützt Peking Putins Krieg.

Bis zu eintausend russische Drohnenangriffe pro Nacht: Das ist die bedrohliche Prognose ukrainischer Militärexperten für die kommenden Monate. Der Ukraine-Krieg hat sich längst zu einem Drohnenkrieg entwickelt, und wer es schafft, die kleinen und günstigen Fluggeräte in höherer Zahl zu produzieren, hat auf dem Schlachtfeld einen entscheidenden Vorteil. Derzeit ist das offenbar Russland. „Die Russen haben die Anzahl ihrer Drohnen erhöht, während wir aufgrund fehlender Finanzmittel noch nicht in der Lage sind, unsere Kapazitäten zu erweitern“, beklagte unlängst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Bereits heute greift Russland die Ukraine teils mit mehreren hundert Drohnen am Tag an, zum Einsatz kommen vor allem Angriffsdrohnen vom Typ „Shahed“, die im Iran entwickelt wurden und mittlerweile in großen Stückzahlen in russischen Fabriken hergestellt werden.

Xi Jinping zu Gast bei Wladimir Putin
Xi Jinping (li.) und Wladimir Putin in Moskau: China ist der wichtigste Unterstützer von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. © Imago

Diese Massenproduktion ist wohl nur deshalb machbar, weil ein Land die dafür nötigen Bauteile liefert: China. Etwa 80 Prozent der elektronischen Komponenten zum Bau einer Drohne sollen aus der Volksrepublik kommen, so Oleg Ivashchenko, Chef des ukrainischen Auslandsgeheimdiensts. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte im Mai: „Es gibt Produktionslinien auf russischem Territorium, an denen chinesische Vertreter beteiligt sind.“ Zugleich habe China den Verkauf von Überwachungsdrohnen vom Typ „Mavic“ an die Ukraine und andere westliche Staaten gestoppt, jedoch nicht den Verkauf an Russland.

China und der Ukraine-Krieg: Drohnen und diplomatische Rückendeckung für Russland

Für chinesische Unternehmen geht es dabei wohl nicht nur darum, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Geld zu verdienen. „China könnte die Ukraine durchaus als Testfeld nutzen“, erklärt der Experte David Kirichenko in einem Beitrag für das Center for European Policy Analysis, eine US-Denkfabrik.

Die Drohnen sind nur ein Beispiel von vielen: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 ist China zum wichtigsten Unterstützer Russlands geworden. Ohne Peking „wäre der Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht möglich“, erklärte der deutsche Außenminister Johann Wadephul in der vergangenen Woche während eines Japan-Besuchs.

Am deutlichsten zeigt sich das in der engen Verbindung zwischen den Staatschefs Chinas und Russlands: Mehr als 40 Mal haben sich Wladimir Putin und Xi Jinping in den vergangenen Jahren getroffen, an diesem Wochenende wird Putin einmal mehr in China erwartet, zum Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in der Ostküstenstadt Tianjin. Von den „stabilsten, ausgereiftesten und strategisch bedeutendsten Beziehungen zwischen Großmächten“ sprach Xi kürzlich bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin.

Auch wirtschaftlich steht China eng an der Seite Russlands, die Lücken, die der Rückzug westlicher Unternehmen aus Russland hinterlassen hat, werden zunehmend von chinesischen Firmen gefüllt. Im vergangenen Jahr stieg der Handel zwischen den beiden Nachbarländern auf ein Rekordhoch von 237 Milliarden US-Dollar. So dominieren beispielsweise chinesische Autobauer den russischen Markt. „China bleibt auch 2025 von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, Russlands Wirtschaft und seine Kriegsanstrengungen zu stützen“, erklärt Maciej Kalwasiński vom Centre for Eastern Studies in einem Bericht für das China-Russia Dashboard, ein Projekt mehrerer europäischer Denkfabriken. China ist zudem der größte Abnehmer russischen Öls.

In den ersten Kriegsjahren waren es vor allem chinesische Dual-Use-Güter, die Russlands Kriegsanstrengungen unterstützt haben. Das sind Güter, die nicht nur zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können, sondern auch zu zivilen. Peking behauptet zwar, den Export dieser Güter streng zu kontrollieren, die in russischen Drohnen entdeckten Bauteile zeigen aber, dass sich chinesische Unternehmen, wohl mit Duldung der Regierung, nicht an diese angeblichen Beschränkungen halten. Wie der ukrainische Geheimdienstchef Ivashchenko sagt, gelangen Werkzeugmaschinen, chemische Produkte, Schießpulver und andere militärisch wichtige Güter ebenfalls ihren Weg nach Russland.

Auch nach einem Ende des Ukraine-Kriegs will China mitmischen

Seit einiger Zeit häufen sich zudem die Hinweise, dass auch Güter, die ausschließlich militärischen Zwecken dienen, von China nach Russland gelangen. Einem Bericht des Economist zufolge, der sich auf westliche Regierungsbeamte stützt, liefert China seit 2023 „geringe Mengen an Artilleriemunition“ sowie Militärdrohnen an Russland. Im vergangenen Jahr berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass China und Russland gemeinsam eine neue Angriffsdrohne entwickeln würden. Bei ihrem Treffen in Kanada warfen im März auch die G7-Außenminister China vor, Russland Waffen zu liefern.

Peking hingegen behauptet stets, es vertrete im Ukraine-Krieg eine neutrale Position. „China hat stets eine objektive und gerechte Position vertreten und sich in der Ukraine-Krise stets fair und aufrichtig verhalten, was für alle offensichtlich ist“, sagte beispielsweise in der vergangenen Woche eine Außenamtssprecherin in Peking. Einen Einblick in die wahren Motive seiner Regierung gab hingegen vor Kurzem Chinas Außenminister Wang Yi. Anfang Juli sagte Wang Berichten zufolge bei einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in Brüssel, sein Land habe kein Interesse an einem schnellen Ende des Krieges. Wangs Argument: Sollte Russland den Krieg verlieren, würde die USA ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Rivalität mit China richten.

Dennoch scheint sich Peking aber auch auf ein mögliches Ende des Kriegs vorzubereiten. In einem Beitrag für das Magazin Foreign Policy brachte vor Kurzem Henry Huiyao Wang, Chef einer staatsnahen chinesischen Denkfabrik, sein Land als möglichen Anbieter von Friedenstruppen in der Ukraine ins Spiel. Beim Wiederaufbau könnte China ebenfalls helfen, das Land verfüge über das dafür nötige „technische Know-how und die Finanzierungskapazitäten“, so Wang. China könnte also nicht nur vom Krieg in der Ukraine profitieren – sondern auch von dessen Ende.

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