Bürgergeld-Empfänger müssen schneller wieder arbeiten – Jobcenter-Chefin hat dabei einen Wunsch

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Bürgergeld-Empfänger sollen in der neuen Grundsicherung schneller in Arbeit kommen. Das regelt der Vermittlungsvorrang. Eine Jobcenter-Chefin hat dabei einen Wunsch.

Berlin – „Fördern und Fordern“ ist das zentrale Prinzip des deutschen Sozialstaats. Wer Bürgergeld erhält, muss auch etwas dafür machen. Doch die Reform der früheren Ampel-Koalition stand genau deshalb politisch unter Beschuss, weil diese Verbindlichkeit gefehlt hat: Der Anreiz zu arbeiten, sei im Bürgergeld nicht gegeben. Die Union hatte deshalb die Abschaffung gefordert, gemeinsam mit der SPD soll nun die neue Grundsicherung kommen.

Kern der Bürgergeld-Reform: Vermittlungsvorrang bringt höhere Priorität der Arbeitsaufnahme zurück

Die Mitwirkung der Bürgergeld-Empfänger soll in der neuen Grundsicherung durch härtere Sanktionen erreicht werden. Wer mehrfach Stellenangebote ablehnt, soll kein Geld mehr bekommen. Gleichzeitig kehrt der Vermittlungsvorrang zurück, den es noch unter Hartz IV gab, der mit dem Bürgergeld jedoch abgeschafft wurde. Arbeitsfähige Menschen „müssen schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Eine Jobcenter-Mitarbeiterin sitzt an einem Computer. Dahinter, nicht richtig zu sehen, sitzt ein mutmaßlicher Bürgergeld-Empfänger zu einem Gespräch.
Jobcenter-Mitarbeiter haben durch das Bürgergeld die Möglichkeit bekommen, stärker individuell auf die Empfänger einzugehen und sie zu fördern. Nun hat durch den Vermittlungsvorrang die schnelle Arbeitsaufnahme Priorität. (Symbolfoto) © Jens Kalaene/dpa

Durch die Rückkehr der Regel in der Grundsicherung soll die schnelle Aufnahme von Arbeit wieder Priorität haben. Im Bürgergeld war dagegen das Ziel, die Erwerbslosen über Qualifizierung, Weiterbildung und weitere Maßnahmen der Jobcenter zu stärken, damit sie Chancen auf eine stabilere Beschäftigung haben.

Jobcenter-Chef hat Wunsch an neue Grundsicherung: Individuelle Orientierung soll weiter möglich sein

Der stärkere individuelle Fokus auf die Qualifizierung der Empfänger war für sie ein Gewinn der Bürgergeld-Reform, sagte Jobcenter-Chefin Dagmar Brendel IPPEN.MEDIA. Zwar habe „Qualifizierung immer eine große Rolle gespielt“. Bereits vor der Bürgergeld-Einführung sei das praktiziert worden – und damit auch unter den Regeln des Vermittlungsvorrangs.

Vor der Bürgergeld-Reform hat sie die Hoffnung, dass es auch bei der Rückkehr des Vermittlungsvorrangs in der Grundsicherung möglich bleibt. „Das verbinde ich mit dem Wunsch, dass diese individuelle Ausrichtung und individuelle Orientierung weiter möglich ist“, erklärte Brendel. „Also zu schauen, wo Investitionen in Qualifizierung möglich sind.“

Qualifizierung für Bürgergeld-Empfänger „wichtiger Meilenstein“, aber Arbeit hat wichtige Rolle

Die Jobcenter-Chefin hob die Rolle der Qualifizierung bei der Rückkehr in Arbeit hervor. Das sei ein „wichtiger Meilenstein, eine Beschäftigung zu erreichen, die auf einem höheren Niveau angesiedelt ist, dass die Integration möglichst lange anhält“. Auch Sozialträger hatten in der Debatte um eine Bürgergeld-Reform die Förderung der Arbeitslosen hervorgehoben.

Brendel betonte jedoch gleichzeitig die Bedeutung von Arbeit für die Menschen. Dabei schließt sie auch zunächst nicht ganz so gut bezahlte Jobs mit ein. „Jede Beschäftigung ist erst einmal besser als gar keine Beschäftigung.“ Dort hätten die Menschen Kollegen, eine Aufgabe. „Ich erfahre eine Integration, ich erfahre Wertschätzung“, sagte die Chefin des Jobcenters in Berlin-Neukölln, das viele Langzeitarbeitslose betreut. „Wenn es gut läuft, sind das die positiven Merkmale, die auch gestärkt werden müssen.“

Vermittlungsvorrang-Kritik: Bürgergeld-Empfänger rutschen in schlecht bezahlte Jobs und bleiben nur kurz

Kritiker sehen jedoch einen „Drehtür-Effekt“, wenn Empfänger gezwungen sind, irgendeinen Job anzunehmen, der nicht passt oder schlecht bezahlt ist und sie deshalb schnell wieder ins Bürgergeld rutschen. „Die Menschen werden trotz Arbeit arm bleiben“, warnte Sanktionsfrei-Geschäftsführerin Helena Steinhaus. Sie seien trotzdem von ergänzenden Sozialleistungen abhängig. „Schnelle Vermittlung in irgendeine Arbeit und mehr Druck durch verschärfte Sanktionen helfen nicht, um Arbeitslose nachhaltig in gute Arbeit zu vermitteln“, erklärte auch DGB-Vorständin Anja Piel.

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