Tesla in Grünheide: Lohnfortzahlung verweigert – plötzlich steht der Betriebsrat im Feuer

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Die Tesla-Fabrik in Grünheide kommt nicht zur Ruhe. Arbeitnehmerrechte und Lohnfortzahlungen sorgen weiter für hitzige Debatten. Die IG Metall attackiert den Betriebsrat.

Grünheide – Die Gigafactory Berlin-Brandenburg, ein europäisches Vorzeigeprojekt von Elon Musk, bleibt Mittelpunkt einer intensiven Diskussion über eingeschränkte Arbeitnehmerrechte.

Ausgelöst wird der Wirbel in der Tesla-Fabrik Grünheide durch abermalige Vorwürfe der Gewerkschaft IG Metall: Im Zentrum der Debatte steht die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – oder vielmehr deren Ausbleiben. Die Frage, ob der Betriebsrat seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden gerecht wird, bleibt offen.

Tesla in Grünheide: Betriebsrat lehnt Antrag ab – Kritik ist die Folge

Ein Teil des Betriebsrats, organisiert in der IG Metall, wollte laut Handelsblatt wissen, wie viele krankgeschriebene Mitarbeitende von Tesla kein Gehalt mehr erhalten haben. Der Antrag, diese Zahlen von der Werksleitung zu fordern, wurde jedoch abgelehnt, da 14 Enthaltungen formal als Ablehnung gewertet wurden, obwohl die Mehrheit der Anwesenden dafür stimmte.

Die IG Metall zeigt sich empört: Sie wollte klären, wie oft Atteste angezweifelt werden, wie häufig Lohn einbehalten wird und ob betroffenen Mitarbeitenden Aufhebungsverträge angeboten werden. Eine Antwort bleibt jedoch aus.

Tesla und Arbeitnehmerrechte: Zweifel bei 0,1 Prozent der Belegschaft?

Jedoch äußerte sich Werksleiter André Thierig kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zu diesen Themen: Seinen Angaben zufolge betreffen die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Krankmeldungen etwa ein Dutzend Fälle pro Monat, was gerade mal 0,1 Prozent der Belegschaft entspricht.

Gigafactory von Tesla in Grünheide: Die IG Metall macht der Werksleitung erneut schwere Vorwürfe
Gigafactory von Tesla in Grünheide: Die IG Metall macht der Werksleitung erneut schwere Vorwürfe. © IMAGO/Michael Bihlmayer

In solchen Fällen müsse der Mitarbeitende nachweisen, dass die Lohnfortzahlung gerechtfertigt sei. Gelinge dies nicht, werde die Zahlung eingestellt. Thierig verteidigte dieses Vorgehen als „völlig legitim“ und durch eine „höchstrichterliche Rechtssprechung“ bestätigt.

Betriebsrat bei Tesla zu nah an der Geschäftsleitung? IG Metall äußert Kritik

Betriebsratschefin Nadine Schmitz steht dem Bericht zufolge im Zentrum der Kritik. Die IG Metall wirft ihr und anderen nicht-gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten eine zu große Nähe zur Werksleitung vor. In einem Newsletter heißt es: „Die Betriebsräte des Managements blockieren.“

Schmitz hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert, zum Thema Einstellung der Lohnfortzahlung bei Krankheitsfällen lägen ihr jedoch keine Informationen vor. Aus Sicht der Gewerkschaft agiert der Betriebsrat bei Tesla in Grünheide nicht im Interesse der Belegschaft, sondern im Sinne des Arbeitgebers.

Hausbesuche: Hoher Krankenstand bei Tesla mittlerweile gesunken

Der Konflikt um Zahlen und Transparenz ist Teil eines größeren Streits: Tesla hatte 2024 mit einem ungewöhnlich hohen Krankenstand zu kämpfen – im August lag dieser bei bis zu 17 Prozent. Das Management reagierte mit unangekündigten Hausbesuchen bei kranken Mitarbeitenden.

Obwohl Kritik laut wurde, verteidigt Tesla das Vorgehen als erfolgreich. Personalchef Erik Demmler erklärte, der Krankenstand sei dank intensiver Gespräche mit den Beschäftigten auf rund neun Prozent gesunken.

Lohnstopp als Druckmittel? Tesla-Werksleiter nimmt Stellung

Recherchen deuten darauf hin, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen. In Einzelfällen wurden krankgeschriebene Mitarbeitende bei Tesla nicht mehr bezahlt und teilweise aufgefordert, bereits erhaltenes Gehalt zurückzuzahlen.

Werksleiter André Thierig rechtfertigte das Vorgehen gegenüber der FAZ: „Als wir im September die Hausbesuche gemacht haben, wurden wir übrigens dafür kritisiert, dass wir dieses Vorgehen wählen, statt die Lohnfortzahlung nach sechs Wochen Krankheit einzustellen. Das machen wir jetzt und werden wieder kritisiert.“

Krankheitsfall: Was dürfen Arbeitgeber verlangen und was nicht?

Die Diskussion um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat über Grünheide hinaus an Bedeutung gewonnen: Selbst der deutsche Arbeitgeber-Verband hinterfragt die aktuell bestehende Regelung – ein bisher unantastbares Arbeitnehmerrecht. Wie weit dürfen Beschäftigte ihre Rechte ausreizen? Und wie viel Kontrolle steht dem Arbeitgeber zu?

Laut Handelsblatt verlangt Tesla in einigen Fällen die Offenlegung der Diagnose und eine Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht. Die IG Metall spricht von einer „unzulässigen Einschüchterung“.

Tesla in Grünheide: IG Metall fordert bezahlte Pausen – für Chef eine „rote Linie“

Trotz der Spannungen konnte die IG Metall in einem anderen Punkt dem Vernehmen nach Fortschritte erzielen: Nach Tumulten bei einer Tesla-Betriebsversammlung Ende März stimmte der Betriebsrat einem Antrag zu, das Management zu Verhandlungen über zusätzliche, bezahlte Pausen aufzufordern.

Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg
Werksleiter André Thierig in der Gigafactory Grünheide: Mit der IG Metall ist das Konfliktpotenzial groß. (Archivbild) © Patrick Pleul/dpa

Über 3000 Unterschriften wurden für dieses Anliegen bereits gesammelt, allerdings zeigt sich Werksleiter Thierig unbeeindruckt: Bezahlte Pausen seien nichts anderes als eine „Arbeitszeitkürzung“ – und diese lehnt er ab, da sie für ihn eine „rote Linie“ darstellt.

Tesla hat in Grünheide über 11.000 Beschäftigte und beliefert 37 Märkte

Trotz aller Kritik äußerte sich Thierig zuletzt optimistisch: Grünheide habe sich als Produktionsstandort bewährt, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) den Manager. Man beliefert von diesem Standort aus inzwischen 37 Märkte.

Seit der Inbetriebnahme wurden über 11.000 Arbeitsplätze geschaffen, und die Fabrik gilt als die modernste ihrer Art in Europa. Seit der offiziellen Eröffnung im März 2022 habe Tesla die Produktion kontinuierlich gesteigert.

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