„Es ist bitter“: Denkmalgeschützte Linden im Scheinwerferlicht abgesägt - Tatort der Mordnacht

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Der Greifarm hält den Stamm, der von einem Mitarbeiter der beauftragten Firma abgesägt wird – es ist der Ort, an dem 1945 ein Opfer der Penzberger Mordnacht erhängt wurde. © Wolfgang Schörner

Die zwei denkmalgeschützten Linden und eine weitere Linde an der Bahnhofstraße in Penzberg sind am Donnerstagabend kurz vor 20 Uhr gefällt worden. Es dauerte nur wenige Minuten, dann waren die Bäume abgesägt und abtransportiert.

Penzberg - Bei den beiden Linden – nach Schätzung des jüngsten Gutachtens 100 Jahre alt – handelte es sich wohl um jene Bäume, an denen in der Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 ein Opfer von NS-Fanatikern erhängt wurde und ein weiterer Mann, der ebenfalls erhängt werden sollte, wie durch ein Wunder überlebte. Die beide Stämme lagern nun vorerst im hinteren Bereich des Stadtplatzes.

Gespenstische Szene, in Scheinwerferlicht getaucht

Es war eine gespenstische Szene, in Scheinwerferlicht getaucht und verfolgt von mehreren Zuschauern. Ein Greifarm hielt den jeweiligen Stamm, dann sägte ihn ein Mitarbeiter der Landschaftspflegefirma Mayr aus Kochel knapp über dem Boden durch. Die Stadt ließ alles „als zeitgeschichtliches Dokument für die Nachwelt“ filmen. Noch vor Ort wurde angesichts der Stümpfe und deren Ringe über Alter (100 Jahre oder doch nicht so alt?) und Zustand der Bäume diskutiert. Ein Experte der Landschaftspflegefirma sagte auf Nachfrage, bei zwei Linden sei unten am Stamm Kernfäule zu sehen, bei der dritten vermutete er sie im Kronenbereich – was dem Gutachten entsprechen würde. Als „bitter“ bezeichnete CSU-Fraktionschefin Maria Probst die Fällung, die wie viele andere gekommen war. Die Entscheidung habe sich keiner leicht gemacht.

Überlegungen, was mit den Stämmen passiert

Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) sagte auf Nachfrage, der Stadtrat oder ein Ausschuss werde sich Gedanken machen, was mit den zwei Stämmen passiert, zum Beispiel, ob sie künstlerisch verwertet werden. Zum abendlichen Zeitpunkt der Fällung sagte Korpan, er sei gewählt worden, um den Busverkehr nicht zu behindern. Der letzte Stadtbus hielt gegen 19.30 Uhr an der Stadtplatz-Haltestelle neben den Linden.

Die Stadt hatte die Fällung, wie berichtet, veranlasst, da zwei Gutachten bei den Bäumen Bruchgefahr festgestellt hatten. Vor einer Woche stoppte das Landesamt für Denkmalpflege die Fällung zunächst, indem sie zwei Linden die Denkmaleigenschaft attestierte und die Stadt aufforderte, erst eine Sondererlaubnis einzuholen. Die Untere Denkmalbehörde im Landratsamt erteilte am Donnerstag diese Erlaubnis.

Reaktion auf Fällung der Linden: BfP-Vorsitzender tritt zurück

Penzberg – Erich Sczepanski hat seinen Rücktritt vom Vorsitz der „Bürger für Penzberg“ (BfP) erklärt – als Reaktion auf die am Donnerstagabend erfolgte Fällung der denkmalgeschützten Linden an der Bahnhofstraße. Auf Nachfrage der Heimatzeitung begründete er dies zum einen damit, dass sich die zwei BfP-Fraktionsmitglieder, die am Dienstag im Stadtrat anwesend waren, in der Sitzung nicht für den Erhalt der Bäume eingesetzt hätten. Dies habe ihm schwer zu denken gegeben. Zum Entschluss, zurückzutreten, hat ihm zufolge auch das Verhalten mehrerer BfP-Mitglieder in einer internen WhatsApp-Gruppe geführt. Sie hatten es laut Sczepanski mit Beifall quittiert, dass das Landratsamt am Donnerstag die Fällung genehmigt hat. Als weiteren Grund nannte Sczepanski, dass er als BfP-Vorsitzender mit den Verantwortlichen der Stadt vertrauensvoll zusammenarbeiten müsse. Dies sei nun nicht mehr möglich.

Sczepanski, der im Sommer 2021 zum BfP-Vorsitzenden gewählt wurde, hatte sich stark für den Erhalt der Linden an der Bahnhofstraße eingesetzt. Er beantragte vergangenes Jahr beim Landesamt für Denkmalpflege, die Bäume – als Tatorte der Penzberger Mordnacht – unter Denkmalschutz zu stellen. Was am vergangenen Freitag seitens der Behörde auch geschah.

In einer E-Mail an den BfP-Vorstand erklärte er zu seinem persönlichen Hintergrund, dass seine Onkel und Großonkel im KZ Dachau inhaftiert gewesen seien. Weiter schreibt er, dass gerade heute „die Erhaltung von Erinnerungsorten zum Terror der braunen Horden von besonderer Bedeutung“ sei. Hier gelte es, die Stimme zu erheben und nicht stillschweigend eine um sich greifende Verdrängungskultur zu unterstützen. Zu diesen Mahnmalen, so Sczepanski, gehörten auch die zwei Linden an der Bahnhofstraße, die nach den Akten der Staatsanwaltschaft „Tatorte“ beziehungsweise „Tatwerkzeuge“ der Penzberger Mordnacht gewesen seien. Die Bäume hätten laut Sczepanski, der sich auf das Baumgutachten beruft, im einen Fall mit einer Einkürzung der Krone, im anderen Fall mit einem baumsichernden Metallgerüst erhalten werden können. Die Stadt, fügte er in dem Schreiben an, habe jedoch mit „einer theatralischen Absperrung“ Stimmung für eine „Entnahme“ der Bäume gemacht. wos

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