Russen ergeben sich angeblich gruppenweise wegen „lügnerischer Kommandeure“

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Über ihre eigenen Verluste machen beide Seiten im Ukraine-Krieg keine Angaben. Umso mehr Interesse gilt dem Videomaterial zur Lage an der Front.

Kiew – Militärblogger finden vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs ein großes Publikum. Selbst das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) referiert regelmäßig ihre Angaben, auch wenn sie sich meist nicht unabhängig prüfen lassen. Nun verschärft sich für die russische Seite offenbar ein Problem: Die Soldaten laufen ihr scharenweise weg. Videomaterial soll das belegen.

„Ganze Gruppen“ russischer Soldaten kapitulieren „massenhaft“ aufgrund der „unmenschlichen Haltung“ ihrer Kommandeure – so zitierte das ukrainische Portal Kyiv Post zitierte am ersten Weihnachtsfeiertag den ukrainischen Oberst Oleksandr Shtupun, auch Sprecher der Truppengruppe Tavria. Laut Shtupuns Aussagen im nationalen Fernsehen lehnen Russlands Truppen zunehmend auch Befehle ab, ukrainische Stellungen anzugreifen.

„Da sie sich weigerten, zu sinnlosen Übergriffen oder anderen Straftaten zum Einsatz zu kommen, zogen einige Beamte sie in der Winterkälte nackt aus, hielten sie in kalten Gruben fest, schlugen sie und drohten ihnen mit der Hinrichtung“, sagte er laut der Kyiv Post.

Putin kalkuliert im Ukraine-Krieg mit hohen menschlichen Verlusten

Laut Berichten erleidet Russland in den Gefechten weiterhin hohe Verluste: Auf der Krim kam es jetzt zu einem schweren Drohnenangriff. Es gebe „zahlreiche Videobeweise“ für die Flucht russischer Soldaten, meinte die Kyiv Post nun. Einen verbreitete der Militärblogger „Necro Mancer“, der über sich selbst auf X schreibt: „Ich sammle Informationen über Bewegungen, Stützpunkte und 200 Mitglieder der ROA.“

Mit ROA dürfte die Russische Orthodoxe Armee gemeint sein, eine pro-russische Miliz, die bereits 2014 im Donbass gekämpft hatte. Inzwischen ist sie in eine Infanteriebrigade aufgegangen – die Schätzungen zur Anzahl ihrer Mitglieder unterscheiden sich übrigens stark, je nachdem, wen man fragt.

Ukraine-Krieg - Mariupol
Wie lange noch? Ein russischer Soldat auf Patrouille in Mariupol (Archivbild) © Uncredited/AP/dpa

Das von der russischen Antikorruptionsgruppe Gulagu.net publizierte Video zeige mehrere Russen, die am Boden kauern und mit Stöcken geschlagen werden, schrieb die Kyiv Post und zeigte auch ein weiteres von Anton Geraschenko am 24. Dezember gepostetes Video. Geraschenko ist Berater des ukrainischen Geheimdienstes.

In dem Clip bringen demnach russische Soldaten in unflätiger Sprache ihre Empörung über „lügnerische Kommandeure“ zum Ausdruck, die sie ohne Ausbildung an die Front geschickt hätten. „F**king Commanders“, ruft einer von ihnen. Kremlchef Wladimir Putin spiele jedoch mit der Ahnungslosigkeit seiner Truppen, schreibt Geraschenko dazu – er sehe sie als „human ressources“ für seine „meat aussaults“, was sich in etwa als „Kanonenfutter“ für den „Fleischwolf“ übersetzen lässt. Die Sprache im Krieg ist nicht zimperlich.

Auch Ukraine fliehen vor dem Kriegsdienst gegen Russland

Russlands Soldaten haben viele Probleme an der Front, etwa die ukrainische Luftverteidigung. Nach Abschuss russischer Bomber müssen sie nun zittern. „Während die russische Luftwaffe bisher erstaunlicher – und glücklicherweise – ihr immerhin auf dem Papier existierendes, immenses Potenzial nur teilweise ausschöpfte, verdienen die Aktionen der ukrainischen Luftverteidigungskräfte höchsten Respekt“, schrieb beispielsweise die Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift.

Im Zuge der härteren Kampfbedingungen im Winterwetter gab es bereits Mitte November Berichte, dass Putins Invasionsarmee ausblutet. Russische Deserteure erschlugen demnach sogar ihre Kommandeure und flohen von Krim-Halbinsel. Einem 28-jährigen russischen Helikopterpiloten gelang es im Herbst, in die Ukraine überzulaufen – und er schilderte die Hubschrauber-Flucht in die Ukraine. Ähnliches Elend hört man natürlich auch von der anderen Seite: Ukrainer fliehen unter Lebensgefahr vor dem Kriegsdienst gegen Russland.

Inzwischen ist Putin angeblich an einem Waffenstillstand interessiert. Das will die New York Times aus Diplomatenkreisen erfahren haben. Beobachter haben jedoch Zweifel. Der russische Oppositionelle Garri Kasparow zum Beispiel bewertete die Berichte über ein Verhandlungsangebot über Mittelsmänner frostig als „BS“ – also als „Bullshit“. (frs)

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