Habecks Zins-Schnapsidee: Im Mikado-Wahlkampf hat‘s den ersten erwischt
Für seine Sozialabgaben-Idee lässt Habeck Federn. Merz schleicht sich derweil zum Wahlsieg – ohne Aufbruchstimmung. Kommentar von Georg Anastasiadis.
Deutschlands Winterwahlkampf ist ein Polit-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck hat sich als erster aus der Deckung gewagt und prompt mächtig einen auf den Deckel gekriegt. Sein unausgegorener Abkassier-Vorschlag, auch noch Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben, hat das Zeug, so wie 2013 die Veggie-Day-Idee eine Schneise der Verwüstung durch den grünen Wahlkampf zu ziehen und bürgerliche Wähler in die Flucht zu schlagen.
Habecks Zins-Vorstoß: Grüne Kanzler-Hoffnung gerät im Mikado-Wahlkampf unter Druck
Friedrich Merz und seine Union wird das gewiss in ihrer Überzeugung bestätigen, dass ihr Fehlervermeidungswahlkampf die beste Gewähr für einen Sieg bei der Wahl am 23. Februar bietet. Ein Beispiel aus dieser Woche: Merz geißelt, völlig zu Recht, die Ampelentscheidung, Deutschlands letzte drei Atommeiler im April 2023 mitten in der Energiekrise abzuschalten.
Doch die viel wichtigere Debatte darüber, welchen Beitrag die Nutzung der Kernkraft zur Dekarbonisierung des Industriestandorts Deutschland leisten kann, verweigern CDU und CSU. Diese wird anderswo in Europa geführt, wo man Vorbereitungen für die Entwicklung von Reaktoren der dritten Generation trifft. Doch ist längst nicht gesagt, dass Deutschland seine Wette gewinnt, die Transformation ins nach-fossile Zeitalter allein mit grünem Wasserstoff bewerkstelligen zu können.
Wahlkampf ohne Visionen: CDU setzt auf Status Quo, während die AfD an Boden gewinnt
Auch bei der Rente erweckt die Union den Eindruck, alles könne irgendwie so bleiben, wie es ist. Aber die Beschwörung eines unhaltbar gewordenen Status Quo schafft keine Aufbruchstimmung. Nicht Merz strömen die Wähler zu, sondern ausgerechnet einer Alice Weidel mit ihrem rüden Kasernenhofton und den bellenden Ankündigungen, was in Deutschland alles passieren werde, wenn die AfD erst mal „am Ruder“ sei.
Die Union hat noch nicht mal den Schneid, laut auszusprechen, dass die einzige Chance für einen Politikwechsel in der Bildung einer schwarz-gelben Regierung liegt, und nicht darin, der SPD, die in 23 der vergangenen 27 Jahren regierte, die Laufzeit zu verlängern. Wer gar nicht erst kämpft für schwierig zu erreichende Ziele, weckt auch keine Begeisterung und schafft keine Dynamik für Veränderung. Die Zeche kommt, siehe Österreich, dann bei der nächsten Wahl 2029.