Direkt am Lech in Landsberg: Ein Garten aus der Bibliothek

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Klein grün und voller Saatgut: Bibliotheksleiterin Claudia Buchecker und Bibliothekar Peter Gayer sind gespannt, wie schnell sich die Schubladen füllen werden. © Greiner

Natürlich ist sie grün. Leuchtend grün. Und natürlich hat sie Schubladen: Die neue Saatgutbibliothek wartet in der Stadtbibliothek Landsberg darauf, gefüllt zu werden: mit Tüten voller Blumen-, Gemüse- und Kräutersamen.

Landsberg – Pflanzensamen brauchen nicht viel Platz. Dementsprechend ist auch das Möbelstück im Erdgeschoss, in dem die zukünftige Saatgutbibliothek der Stadtbibliothek Platz finden muss, nicht groß. Das Saatgutbibliothek-Projekt ist ja noch dabei zu keimen. Aber immerhin: In einer der sechs Schubladen des von einem Bauhofmitarbeiter erfolgreich aufgehübschten Stadtbüchereimöbel tummeln sich bereits rund 40 Tütchen mit Blumensamen: Akelei, Stockrosen, Wicken, Wiesenraute. „Die kommen von uns, vom Team der Stadtbibliothek“, sagt Bibliothekar Peter Gayer, der das Projekt mitorganisiert. „Vor Kurzem habe ich noch das Silberblatt geerntet“, erzählt er. Samen rausgepult und in die vom Bibliotheksteam liebevoll gestalteten Papiertütchen abgefüllt. Es ist der Grundstock der Sammlung.

Auf den Tüten, die in der Bibliothek mitgenommen werden können, gibt‘s Infos, die der Sammler oder die Sammlerin ankreuzen oder ausfüllen sollte: Ist es eine Blume, ein Kraut oder ein Gemüse? Wann wurde der Samen gesammelt, welche Gemüsesorte ist es, welche Farbe hat die Blume, wann sollte man den Samen wieder einpflanzen? Und wer noch Tipps geben möchte, findet in der untersten Zeile Platz.

Was nicht in die Tütchen soll: Saatgut von hybriden Pflanzen, die durch Kreuzungen entstanden sind, um spezielle Eigenschaften in Perfektion herauszuzüchten. Denn diese Pflanzen sind ‚Einwegpflanzen‘: Aus ihren Samen wachsen keine neuen Blumen, Kräuter oder Gemüsesorten. Gefragt sind samenfeste Sorten: Pflanzen, aus deren Samen auch in der nächsten Generation wieder etwas sprießt. Deshalb bleibt Obst auch erstmal außen vor, da gekauftes Obst meist aus Hybridzüchtungen kommt. Aus manchem Kern wächst zwar ab und zu mal ein Pflänzchen. Das trägt aber meist keine Früchte, oder wenn, dann sind die nicht wirklich ein Genuss: Obstbäume werden meist durch Aufpropfung veredelt.

Keine Dekowiese

Ebenfalls nicht willkommen in der Saatgutbibliothek: Samen von Kürbisgewächsen, also Gurken, Zucchini, Melonen oder eben Kürbissen. „Das kann gut gehen, die können aber in der nächsten Generation auch bitter werden“, weiß Gayer. Und diese Bitterstoffe können teilweise sogar gesundheitsschädlich sein.

Bei den Blumen wünscht sich Gayer auch Wiesenblumen. „Und wenn möglich nicht die fertig gekauften Blumenmischungen. Die sind meiner Ansicht nach eher die Dekofassung einer Blumenwiese.“ Ein prominentes Beispiel ist die Cosmea, die in den meisten Mischungen enthalten ist. Die ungefüllten Sorten sind zwar insektenfreundlich, aber die Pflanze kommt eigentlich aus Mexiko – und ist damit eindeutig keine Wiesenblume.

„Wichtig ist es, die Samen fachgerecht zu ernten“, betont Bibliotheksleiterin Claudia Buchecker. Der Samen muss komplett ausgereift sein. Und wer Tomatensamen eintütet, sollte die vorher gründlich waschen und trocknen lassen. Schimmel in der Samentüte ist nicht gerade förderlich. Informationen dazu, wie man Samen fachgerecht erntet und welche Pflanzen sich überhaupt eignen, um mit Samen vermehrt zu werden – bei manchen Stauden ist es beispielsweise erfolgversprechender, die Pflanze zu teilen –, gibt es in der Stadtbibliothek natürlich in Büchern. „Wir haben extra für das Projekt auch ein paar neue Sachücher gekauft“, sagt Gayer.

Tauschen ist angesagt

Zur Saatgutbibliothek hat das Team aber auch einen Flyer gestaltet, der die Grundinformationen zusammenfasst. Und auch das Prinzip nochmal deutlich macht. „Denn insgesamt funktioniert die Saatgutbibliothek nur durchs Tauschen“, sagt Buckecker, „du nimmt was und du bringst was“, damit die leeren Schubladen jeden Herbst auch wieder aufgefüllt werden. Weshalb Saatgutmitnehmer auch nicht gleich unzählige Tütchen auf einmal einsacken sollten. Ein Prinzip, das gerade Leserinnen und Leser bereits aus dem Bücherschrank kennen: Bringt niemand ein Buch, sind die Regale bald leer.

Die Idee zur Saatgutbibliothek kam Gayer, Buchecker und Co. durch Anregung von außen. So hat beispielsweise die Starnberger Bibliothek ein Saatgut-Schränkchen. Gayer entdeckte unter anderem den ‚Verein für Nusspflanzenvielfalt‘, der sich seit 35 Jahren für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt einsetzt und als Plattform für Saatgut-Tausch dient, selbst aber auch Samen anbietet. „Dort gab es sogar Zoom-Fortbildungen für die Basics.“ Die Konzentration auf Nutzpflanzen fanden Gayer und Buchecker aber zu eng. „Wir wollen das ja vor allem für Hobbygärtner und deshalb so vielfältig wie möglich“, sagt die Bibliotheksleiterin. „Je mehr Leute mitmachen, umso bunter wird es.“

Der Herbst hat kalendarisch schon am 1. September begonnen. Viele Früchte sind geerntet, viele Blumen liegen in den letzten Zügen. Jetzt sind die Saatgutsammler gefragt: Die Schubladen wollen mit Tütchen gefüllt werden, die Tütchen mit Saatgut. Das kann man übrigens teilweise sogar am Straßenrand finden. „Wir werden aber auch die Vereine in Landsberg und enger Umgebung noch anschreiben und zum Sammeln aufrufen“, sagt Buchecker.

Und im kommenden Jahr ist es dann so weit: Ab Ende Januar, Anfang Februar können Gartenfanatiker aus dem hoffentlich vollen Angebot schöpfen. Und mit der ersten Aussaat der ‚bibliophilen Pflanzen‘ starten.

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