Bisher hat er eisern geschwiegen und seinem Verteidiger das Feld überlassen. Doch die Aussage des mutmaßlichen Entführers David Barkay rückt ihn in den Fokus rund um die Entführung von Christina Blocks Kindern: Andreas C., Vertrauensanwalt der Familie und rechte Hand des Firmenpatriarchen Eugen Block.
Bereits in der Anklage wird C. als zentrale Figur in einem Atemzug mit der Mutter genannt. Zwar enthält Barkays Aussage auch für Christina Blocks Verteidigungsstrategie nur wenig erbauliche Inhalte. Doch die neuen Schilderungen stellen den Vertrauensanwalt als treibende Kraft hinter dem Auftrag an die Israelis dar – und könnten auch noch für andere kritisch werden.
Entführer packt aus
Vorweg sei betont: Für alle Beteiligten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Die Aussagen Barkays sind mit Vorsicht zu genießen.
Der mutmaßliche Kopf der Entführergruppe muss sich in einem eigenen Verfahren für seine mögliche Tatbeteiligung verantworten und könnte mit seiner Aussage ganz eigene Interessen verfolgen. Trotzdem enthalten seine Darstellungen reichlich Sprengstoff für den Prozess, sollten sie sich als wahr herausstellen. Einiges davon deckt sich mit bereits bekannten Indizien und Informationen. FOCUS online kennt Auszüge aus Barkays Vernehmung.
Demnach war es Andreas C., der Anfang 2023 den Kontakt zu Barkay suchte, um nach Hilfe im Sorgerechtsstreit mit Stephan Hensel zu bitten. Zunächst sei es nur darum gegangen, Informationen und Daten zu beschaffen – so sollte Block offenbar einen Vorteil für eine bevorstehende Gerichtsentscheidung im Februar erhalten. Ein Büromitarbeiter Barkays sei in der Folge nach Hamburg gereist und habe von C. eine Anzahlung von 150.000 Euro erhalten. In bar. Von Christina Block ist hier noch keine Rede.
Block erst nach Bezahlung im Boot
Die Mutter kommt erst Ende Januar ins Spiel, bei einem Treffen in einem italienischen Restaurant in Hamburg. "Christina hat die ganze Zeit geweint", sagt Barkay über die Begegnung. Der Vertrauensanwalt der Familie habe dagegen die Geschichte der Kinder geschildert, die im August 2021 nach dem Besuchswochenende beim Vater in Dänemark nicht zurückgekehrt waren.
Weiterhin ging es laut der Barkay-Aussagen nur um Blocks Sorgen wegen des Wohlbefindens der Kinder und nicht um eine Rückholung. Der gescheiterte Versuch wenige Monate zuvor ist bereits Thema.
C. sei es auch gewesen, der Barkay dabei half, sein Unternehmen Cyber Cupula in Hamburg zu registrieren. Da sei dann auf Bestreben des Anwalts in der Etage über dem eigenen Büro angesiedelt worden, so Barkay. Genauso habe C. als Aufsichtsratsvorsitzender des Familienhotels entschieden, dass die Israelis dort übernachten sollten.
Die Spionagearbeit in Dänemark hätten C. und Mittelsmann Alon K., der bisher als Zeuge im Prozess gelistet ist, engmaschig kontrolliert. "C. war im Hauptquartier, Alon war im Hauptquartier. Christina erinnere ich nicht", sagt Barkay. Sie habe nur die bei der Spionage gefertigten Aufnahmen bei Treffen im Hotel zu Gesicht bekommen.
Widerwillige Zusage
Als die Rechtsmittel nicht den erhofften Erfolg brachten, fiel im Laufe des Jahres offenbar der Entschluss, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Barkay spricht gegenüber der Staatsanwaltschaft von großem emotionalem Druck, den Christina Block und Andreas C. auf ihn ausgeübt hätten. Er habe eine Rückholung der Kinder dagegen für "zu kompliziert" gehalten. Noch im November 2023 habe er abgewiegelt: "Wir haben ihr gesagt, wir können das nicht machen, sie sind zu Hause. Wir können sie nicht aus ihrem Zuhause wegnehmen." Schließlich willigte Barkay doch ein.
Zudem habe der Anwalt die Entführergruppe bei Bedenken beschwichtigt. "Er hat mehr als einmal gesagt, die rechtliche Situation ist, dass Stephan Hensel die Kinder entführt hat", so Barkay. Auch der "Patriarch" – Eugen Block – habe gewollt, dass die Kinder bis Weihnachten 2023 wieder in Hamburg sind.
Nach einer tragenden Rolle Blocks klingt seine Aussage in diesem Zusammenhang nicht: "Christina weinte, erzählte uns die ganze Zeit, er wird weglaufen." Gemeint sein dürfte ihr Ex-Mann Stephan Hensel mit den Kindern. Ausschlaggebend für die Einwilligung sei dann gewesen, dass die Entführer die Kinder beim Vater in Gefahr wähnten.
Immer wieder taucht "Dr. C." auf
Im Sommer 2023 erhielt Barkay von C. nach eigenen Angaben noch einmal 50.000 Euro in bar. Erst im September soll auch Christina Block finanziell beteiligt gewesen sein – mit vergleichsweise geringen 20.000 Euro. Hinzu kämen zwei Zahlungen der Block-Gruppe für IT-Penetrationstests im Hotel. "Meine Anweisungen von Christina und Dr. C. lauteten, sie an einen sicheren, neutralen Ort zu bringen. Dr. C. sollte sich um die rechtliche Seite kümmern", so Barkay über den Deal.
Bisher hat Block jede Beteiligung an der Entführung und jedes Wissen darüber bestritten. Mit Barkay tritt nun erstmals ein Zeuge auf, der diese Darstellung konterkariert. Hält er auch im Gericht daran fest, ist klar: Einer von beiden sagt nicht die Wahrheit.
Welche Rolle spielt Eugen Block?
Doch auch für Andreas C. könnten die Folgen angesichts der Aussagen gravierend sein. Und es stellt sich auch die Frage nach der Rolle Eugen Blocks. Denn der Anwalt gilt als die rechte Hand des Patriarchen. Als einer, der alles erledigt, was zu erledigen ist. Nach Informationen von FOCUS online ist er der Testamentsvollstrecker und designierte Nachfolger in der Familienstiftung, die nach Blocks Tod das operative Geschäft der Gruppe führen soll.
C. war anders als Block auch dabei, als die Großeltern am 7. Januar 2023 bei einem unangekündigten Besuch in Dänemark an der Haustür abgewiesen wurden. Erst danach kamen die Israelis ins Spiel.
Außerdem stellt sich – vorausgesetzt Barkays Darstellungen treffen zu - die Frage: Hätte C. 200.000 Euro ohne Wissen oder Billigung des Patriarchen in die Hand genommen und überhaupt ein weiteres Sicherheitsunternehmen gesucht? Eugen Block gilt als Firmenchef, der über alles informiert ist, was in seinem Laden passiert – und überall den Daumen draufhält.
In dieser Konstellation lässt sich Barkays Aussage auch so lesen, dass Christina Block eine verzweifelte Mutter war, der das von deutschen Gerichten gesprochene Recht verwehrt wurde und der am Ende jedes Mittel Recht war, um die Kinder wieder nach Deutschland zu holen. Die treibende Kraft hinter der Entführung wäre dann jedoch nicht Block, sondern der Vertrauensanwalt C. gewesen: Von der Kontaktaufnahme über die Beauftragung bis hin zur Bezahlung.
Barkay soll im Dezember aussagen
Die Staatsanwaltschaft will sich auf Nachfrage von FOCUS online zu Barkays Aussagen nicht äußern. Sie sind noch nicht als Beweismittel ins Verfahren eingebracht, er dürfte als Zeuge im Dezember am Landgericht Hamburg geladen werden.
Auch Anwalt C. lehnt eine Stellungnahme außerhalb des Gerichts ab. Sein Vertreter hatte bereits wiederholt geäußert, dass die Anklage ins Leere laufe. Er argumentiert ähnlich wie C.: Durch die Rückholung sei die eigentliche Entziehung durch den Vater beendet worden. Damit sei die zu dem Zeitpunkt gültige Rechtsprechung in Deutschland erst wiederhergestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft wirft C. gemeinsam mit Block und Tal S. die gewaltsame Entziehung beider Kinder, Freiheitsberaubung und die körperliche Misshandlung des Vaters vor. Gegen Eugen Block laufen aktuell keine Ermittlungen. Die wurden "mangels hinreichenden Tatverdachts" im April 2025 eingestellt.
Dagegen gibt es aktuell noch eine Beschwerde, über die nicht entschieden wurde. "Es wird hier weiterhin auf den Eingang einer Beschwerdebegründung gewartet", sagt die Staatsanwaltschaft über den Stand. Alon K. wird bislang unverändert als Zeuge geführt; Barkays Aussagen widersprechen ebenfalls der Rolle, die sich der Mittelsmann selbst zugeschrieben hat. Auf das Landgericht Hamburg wartet also noch viel Arbeit.