Massive Erhöhung der Krankenkassen-Beiträge: „Staat auf Raubzug gegen die Versicherten“

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Der Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt. Ein Kassen-Chef warnt. Er plädiert für die Zusammenlegung zweier Systeme.

Berlin – 2025 wird für deutsche Arbeitnehmer teurer. Erst vor einigen Tagen hatte der Rentenversicherungsbericht gezeigt, dass der Beitragssatz für die Rente 2027 auf 18,9 Prozent steigen soll. Auch in der Pflege ist Alarmstimmung – der Beitragssatz muss auch hier steigen, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Wie sieht es in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus?

Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung 20 Prozent teurer – Kassen-Chef warnt

Der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse TK, Jens Baas, warnt vor weiteren Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenkasse. Innerhalb der nächsten fünf Jahre rechnet er mit „Krankenkassenbeiträgen von 20 Prozent“, sollte die Politik keine Gegenmaßnahmen ergreifen.

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) forderte er, dass Bund und Länder „endlich ihren gesetzlichen Finanzverpflichtungen“ nachkommen sollten, es müsse die Digitalisierung vorangetrieben und „notwendige Strukturreformen im Krankenhaus und im Notfall- und Rettungswesen“ umgesetzt werden.

Karl Lauterbach im Bundestag.
Karl Lauterbach im Bundestag (Symbolfoto). Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung werden teurer. Ein Kassen-Chef warnt. Er plädiert für die Zusammenlegung der Systeme. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Massive Erhöhung der Krankenkassen-Beiträge: „Es ist eine Schande“

Mit den Finanzverpflichtungen meinte Baas beispielsweise, dass die Länder die Investitionen bezahlen müssten und der Bund sowohl die Pflegeausbildung als auch die Rentenbeiträge der pflegenden Angehörigen. „Es ist eine Schande, was da passiert: Der Staat ist auf einem Raubzug gegen die Versicherten. Er knöpft ihnen Geld ab, das er selbst bereitstellen müsste.“

Zuletzt will Baas eine Vereinheitlichung der Versicherung in Deutschland, aber keine Bürgerversicherung, denn diese würde die „schlechten Seiten der GKV auf die PKV übertragen“. Stattdessen müsse die Regierung das Beste aus beiden Systemen kombinieren. Aus der GKV wären das die fehlende Gewinnorientierung und das Verbot von Risikoselektion und aus der PKV die Bildung geschützter Kapitalrücklagen sowie mehr Freiheit in der vertraglichen Ausgestaltung. „In einem vereinten System ergäben sich ganz neue Möglichkeiten“.

Massiver Kostenanstieg der Krankenkassen-Beiträge: Gesetzliche Krankenversicherung und private vereint

Die Debatte über eine einheitliche Versicherung in Deutschland ist keineswegs neu. Schon 2020 hatte die Bertelsmann Stiftung eine Studie veröffentlicht, die besagte, dass eine solche Vereinigung grundlegende Probleme des deutschen Gesundheitssystems lösen könnte. „Wenn alle Bundesbürger gesetzlich versichert wären, würde die Gesetzliche Krankenversicherung jährlich ein finanzielles Plus in Höhe von rund neun Milliarden Euro erzielen“, hieß es dazu in einer Pressemitteilung. Der Beitragssatz könnte zwischen 0,2 und 0,6 Prozentpunkte absinken.

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft widersprach dieser Darstellung. „Die von der Bertelsmann Stiftung errechnete finanzielle Ersparnis führt zu Mindereinnahmen im Gesundheitssystem und verschlechtert damit die Versorgungsqualität insgesamt. Das kann nicht gewollt sein“, hatte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw, bemängelt.

Weniger Krankenkassen-Beiträge für alle? Lohnzusatzkosten in Höhe von 1,33 Milliarden Euro vermeiden

Die Wettbewerbssituation zwischen GKV und PKV würde auf Arbeitgeberseite Lohnzusatzkosten in Höhe von 1,33 Milliarden Euro vermeiden – pro Jahr. Das duale System biete „sehr kurze Wartezeiten“, eine bessere Versorgung und den „zeitnahen Zugang zum medizinischen Fortschritt“.

Und auch der PKV-Verband sprach sich gegen eine solche Kombination der Systeme aus. Falls tatsächlich alle heute Privatversicherten in die GKV wechseln würden, solle das für „jede Arztpraxis“ einen Verlust von rund 63.000 Euro im Jahr bedeuten. Das „medizinische Versorgungsniveau würde massiv leiden“, teilte der Verband in einer entsprechenden Meldung mit. Unter Berufung auf Gesundheitsökonomen führte der PKV-Verband aus, dass der Beitragssatz in der GKV um etwa 0,5 Prozentpunkte steigen würde.

Krankenkassen-Beiträge vor Explosion: Gesetzliche Krankenversicherung in der Krise – „Finanzielle Belastungsgrenze“

So oder so steht fest, dass sich die gesetzlichen Krankenversicherungen in einer Krise befinden. Die Beitragszahler seien „an ihrer finanziellen Belastungsgrenze angelangt“, erklärte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), Maik Wagner, in Reaktion an neue Zahlen des sogenannten Schätzerkreises. Dabei handelt es sich um ein Gremium, das sich aus Experten des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes zusammensetzt. Dieses veröffentlicht jedes Jahr eine Finanzprognose für die gesetzliche Krankenversicherung.

Wegen eines zu erwartenden Milliardendefizits in der GKV hatte der Schätzerkreis einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent vorhergesagt. Vor einigen Tagen dann kam die Bestätigung dieser Zahlen. Die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung setzen sich aus dem allgemeinen Beitragssatz (gesetzlich auf 14,6 Prozent fixiert) und einem individuellen Zusatzbeitrag zusammen. Zweiteren legen die Kassen individuell fest. Die Bundesregierung gibt dabei eine Empfehlung (den durchschnittlichen Zusatzbeitrag), der jedoch keine verbindliche Verpflichtung für die Kassen bedeutet.

„Ein Anstieg um 0,8 Prozentpunkte ist mehr als nur ein Warnsignal. Eine solche Steigerung der Krankenkassenbeiträge hat historische Dimensionen“, befand Wagner. 

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