Hindenburgstraße: Name bleibt, bekommt aber einen erklärenden Zusatz

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Die Hindenburgstraße in Schongau-West soll bleiben, bekommt aber ein Zusatzschild als Erklärung. © Hans-Helmut Herold

Die Hindenburgstraße in Schongau-West wird nicht unbenannt, bekommt aber ein Zusatzschild. So einigte sich der Stadtrat in dieser Woche, wenn auch nicht einstimmig. Ein Antrag eines Bürgers aus Hannoversch Münden in Niedersachsen lag dem Gremium vor, aber keiner aus Schongau.

Schongau – Die Diskussion dreht sich um Paul von Hindenburg, Reichspräsident von 1925 bis 1934, dem, wie auch seinem Vorgänger Friedrich Ebert (1919 bis 1925) in Schongau-West eine Straße gewidmet ist. Diesen Mann dürfe man aber nicht weiter ehren und solle die Straße umbenennen, so der Antrag eines Bürgers. Es handele sich bei Hindenburg um eine sehr umstrittene Person der Zeitgeschichte mit zynischer und menschenverachtender Haltung während des Ersten Weltkriegs und verantwortlich für Kriegsverbrechen, so der Antragsteller.

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Hindenburg habe sicherlich den Ersten Weltkrieg verherrlicht, so Bürgermeister Falk Sluyterman einleitend. Es sei auch noch ein weiterer Antrag eingegangen, diesmal aus Kaufbeuren. Auch wenn nicht Schongauer Bürger diesen Wunsch geäußert hätten, sei man jedoch aus formalen Gründen gehalten, im Stadtrat darüber zu beraten.

Schongauer Nachrichten berichteten vor zehn Jahren

Geschäftsleiterin Bettina Schade erinnerte daran, dass sich die Schongauer Nachrichten vor gut zehn Jahren bereits einmal ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt hatten und sich die damals befragten Stadträte gegen eine Umbenennung ausgesprochen hätten, obwohl in anderen Städten und Gemeinden durchaus anders entschieden wurde. Diskussionen um die Person Hindenburgs kommen immer wieder. Es gab auch in den letzten Jahren diverse Aberkennungen der Ehrenbürgerschaften für Hindenburg (Berlin, Kiel, Koblenz). Der ehemalige Kreisheimatpfleger Helmut Schmidbauer argumentierte 2013 ähnlich wie Klaus Gast heute (siehe Infobox).

Folgende Varianten seien denkbar, so Schade: Den Namen belassen, ihn zu ändern oder dem Straßennamen eine Erläuterung hinzuzufügen. Man könne sich auch auf den Mathematiker Carl Friedrich Hindenburg beziehen, da hätten sich andere Gemeinden schon einiges einfallen lassen. „Wir haben momentan aber andere Probleme zu lösen in Schongau“, so Sluyterman, der nicht zuletzt darauf verwies, dass eine Umbenennung viel Ärger für Anwohner bedeute. Die müssten alles ändern lassen: Ausweis, Dokumente, Führerschein.

„Geschichte ist immer doppeldeutig“

„Bei dieser Argumentation bin ich dabei, haben wir keine anderen Probleme?“, so Florian Jocher (CSU). Er bat darum, mit dem Thema keine Zeit zu vergeuden. Gregor Schuppe (ALS) sah das anders. „Mich nervt das total, dass der Antrag von außen kommt. Inhaltlich gebe ich dem Antragsteller aber recht.“ Er sei für eine Umbenennung, mindestens aber für einen erklärenden Zusatz.

„Geschichte ist immer doppeldeutig, wir sollten uns beschäftigen“, so Stefan Konrad. Vielleicht sei ein Mahnmal ein einfacher Weg, die Verwaltung habe sicherlich anderes zu tun. „Moralisch ist die Forderung vertretbar“, befand Bettina Buresch (Grüne), die die damalige Aussage Helmut Schmidbauers im SN-Artikel, er brauche „keinen Preußen in Schongau“, als lächerlich bezeichnete. Faktisch sei es ein Zeitdokument, so Buresch, die Straßenbenennung stamme aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (1950er Jahre).

Alle News und Geschichten sind auch auf der Facebook-Seite der Schongauer Nachrichten zu finden.

„Wenn wir anfangen, unsere ganze Geschichte unter den Teppich zu kehren, bleibt für die nachfolgenden Generationen auch nichts mehr“, so Buresch. „Wir leugnen es nicht, Hindenburg war ein fragwürdiger Politiker, aber es ist ein Zeitdokument.“

Gegen zwei Stimmen

Stephan Hild plädierte dafür, sich mit diesem Thema erst dann auseinanderzusetzen, wenn der Wunsch intern, also aus Schongau, an die Stadträte herangetragen werde. „Wir sollten uns da nicht von extern treiben lassen“, so der UWV-Stadtrat. Markus Keller (Grüne) sah das ähnlich: „Wenn der Wunsch aus dem betroffenen Viertel käme, könnten wir entscheiden, aber ohne diesen Wunsch wäre die Entscheidung völlig falsch.“

Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.

Sluyterman schlug vor, die Umbenennung abzulehnen, aber in Absprache mit dem Kreisheimatpfleger ein Schild über die Person Hindenburgs anzubringen. Dem folgte der Stadtrat mehrheitlich (gegen zwei Stimmen aus der CSU).

Das sagt Kreisheimatpfleger Klaus Gast

„Ich halte es für falsch und nicht durchführbar, alle alten Straßennamen nach dem jeweils aktuellen Empfinden für „gute“ und „ schlechte“ Namensgeber zu ordnen.“ Dieser Meinung ist Klaus Gast, Kreisheimatpfleger im Landkreis. „Abgesehen natürlich von wirklichen Verbrechern wie Hitler oder Stalin, sind die Namen früherer Funktionsträger im Zusammenhang ihrer Zeit zu betrachten und einzuordnen.“ Es dürfe sonst keine einzige Straße nach Kaisern, Königen, Fürsten oder Feldherren benannt sein.

Hindenburg sei nach derzeitigen Kenntnissen kein Kriegsverbrecher gewesen, aber natürlich Militarist und Monarchist. „Er war auch nicht der Steigbügelhalter Hitlers“, meint Gast. Hindenburg habe Hitler nie ernennen wollen, habe eher lange versucht, es zu vermeiden. „Er hielt sich an die damals gültige Weimarer Verfassung und war zweimal demokratisch gewählt.“ Dass Hindenburg kein Demokrat in heutigem Sinne gewesen sei und sich auch politisch ungeschickt verhalten habe, sei unbestritten. Hindenburg sei 1933 bereits 83 Jahre alt und der „Infamheit Hitlers“ nicht gewachsen gewesen. „Die Wahlen in den damals völlig zerrütteten Zeiten brachten Hitler an die Macht, nicht Hindenburg.“
Gast sieht deshalb keinen Grund, die Straße umzubenennen, könne bestenfalls Erläuterungen dazufügen. „Man kann die Geschichte nicht ungeschehen machen. Schauen wir lieber, dass wir die Gegenwart richtig bewältigen und hier richtig entscheiden und handeln. Das ist eine Aufgabe, die groß genug ist.“

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