Zurück nach Syrien? Rückkehr-Plan der Regierung birgt ein großes Risiko

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 sind – Stand 2024 – rund 1,2 Millionen Syrer nach Deutschland geflohen. Damit belegt diese Bevölkerungsgruppe nach Türken und Ukrainern Platz drei im Migrations-Ranking. 

Sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind 41,7 Prozent der syrischen Geflüchteten, und das mehrheitlich nicht im Niedriglohnsektor, sondern im Fachkräfte-Bereich. Syrer bilden laut Bundesärztekammer die größte Gruppe unter den in Deutschland tätigen ausländischen Ärzten.

Seit Dezember 2024 gilt der Krieg in Syrien offiziell als beendet. Bereits wenige Tage nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad sprach CDU-Politiker Friedrich Merz – damals noch nicht Bundeskanzler – davon, dass die Syrer nun endlich Deutschland verlassen könnten. 

Obwohl das Auswärtige Amt die Lage in Syrien als "äußerst volatil" bezeichnet, übernimmt der deutsche Staat im Rahmen des Rückführungsprogramms REAG/GARP 2.0 die Reisekosten für den Rückflug. Und bezuschusst den Neustart in der alten Heimat mit 1000 Euro pro Person. Nur wenige haben das bislang genutzt.

Komplizierter Beziehungsstatus der deutschen Syrer zu ihrer Heimat

Wollen die Menschen aus Syrien überhaupt zurück? Es ist kompliziert, weshalb der Titel der "Panorama"-Reportage auch nach schwieriger Dreierbeziehung klingt: "Deutschland, Syrien und ich" bricht die großen Migrationsstatistiken runter auf Einzelschicksale wie das des NDR-Journalisten Sulaiman Tadmory. Stellvertretend für die gut eine Million Syrer hierzulande stellt er sich und uns die Gretchenfrage: "Sind wir in Deutschland noch gewollt – oder ist es Zeit zu gehen?"

Tatsächlich möchten 66 Prozent der eingewanderten Syrer am liebsten in Deutschland bleiben; knapp eine Viertelmillion der Geflüchteten hat auch bereits einen deutschen Pass. Sulaiman Tadmory zählt dazu, er spricht die Sprache, hat einen Job: "Deutschland ist auch meine Heimat."

Der syrisch-deutsche Journalist Sulaiman Tadmory fragt sich: Will Deutschland mich noch?
Der syrisch-deutsche Journalist Sulaiman Tadmory fragt sich: Will Deutschland mich noch? NDR

Für den NDR besucht er kurz nach Ende des Bürgerkriegs seine erste Heimat. "Jetzt bin ich zu Hause", sagt er in die Kamera und zeigt glücklich auf ein noch relativ unversehrtes Haus in Homs: "Hier wohne ich."

Angst in Deutschland? Antwort eines Politikers macht "kurz sprachlos"

In Tadmorys Reportage kommt auch Zahnarzt Maher Heno zu Wort, den die Zustimmungswerte für die AfD an Deutschland zweifeln lassen: "Wenn die mich nicht haben wollen, dann gehe ich." Syrien als Plan B, sozusagen. Dann allerdings reist er nach Damaskus just in den Juli-Tagen, in denen Israel das syrische Verteidigungsministerium bombardiert. Glassplitter verletzen den jungen Mann. Und plötzlich fühlt es sich an, als wäre der Krieg noch immer nicht vorbei.

Die zunehmend ungute Stimmung gegen Geflüchtete macht Tadmory zu schaffen. Er fragt nach bei Politikern: Wollt ihr uns noch? Kanzleramtschef Thorsten Frei verweist darauf, dass es für gut integrierten Ausländern bei Wegfall des Fluchtgrunds das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gebe. 

Dem CDU-Politiker Joe Chialo gesteht der Reporter, dass die politische Entwicklung in Deutschland ihm Angst mache. Der Politiker mit tansanischen Wurzeln stellt erst klar: "Ich habe keine Angst" – und umarmt Tadmory gleich darauf leicht übergriffig. Da ist der Journalist dann doch "kurz sprachlos".

Goodbye Deutschland: "War eine geile Zeit"

Gehen oder bleiben? Die "Panorama"-Story zeigt auf, dass die abweisende Haltung in Politik und Gesellschaft gerade jene Syrer aus dem Land vertreiben wird, die sich bestmöglich angepasst haben. In die das deutsche Bildungssystem investiert hat und die der Arbeitsmarkt dringend benötigt. 

Menschen wie Mohammed al-Mohammed, der in Dortmund Metallbauer gelernt und dort auch seinen Meister gemacht hat. "War eine geile Zeit", sagt er – und verlässt Deutschland trotzdem. Denn wenn niemand zurückkehre, würde Syrien ja ein Trümmerhaufen bleiben.

All das aufzugeben, was er sich in Deutschland aufgebaut hat, nur um mitzuhelfen, ein ihm fremd gewordenes Land aufzubauen: Für Sulaiman Tadmory ist das schwer vorstellbar. "Ich habe hier Wurzeln geschlagen", sagt er. "Und bin nicht bereit, ein zweites Mal alles hinter mir zu lassen." 

Seine Mutter Samira hat allerdings nie Deutsch gelernt, sie lebt in Hamburg vom Bürgergeld. Gut möglich, dass sie nun bald die Rückreise gen Homs antreten muss. Für Sulaiman ist klar: Wenn seine Mama Deutschland verlassen muss, wird er sie begleiten. Und seine Wurzeln ein zweites Mal kappen.