Hier finden Obdachlose seit 30 Jahren ein Bett für die Nacht
Ein Bett, ein Platz zum Aufwärmen: Für Obdachlose ist das nicht selbstverständlich. Sie finden Hilfe in der „KAP Beratungsstelle und Unterkunft“.
Fürstenfeldbruck - KAP – der Name stammt von der Kapuzinerstraße, in der die Caritas die Einrichtung 1995 eröffnete. Man habe eine ehemalige städtische Obdachlosenunterkunft übernehmen können, erinnert sich die damalige KAP-Leiterin Marlies Kolbe. Die Ausstattung für die vier Zweibettzimmer, die Teestube und die kleine Wohnung bettelte sie sich zusammen. Die Bundeswehr spendierte ausrangierte Metallbetten und Schränke, die Pfarrei Eichenau eine Küchenzeile, die Kolpingsfamilie Eichenau eine Couch. Von einer regionalen Bank kamen Schreibtische und Schränke fürs Büro.
Nicht begeistert war die Nachbarschaft. Während die Stadt in dem Gebäude ihre eigenen Bürger nach Wohnungsverlust untergebracht hatte, stand die Notschlafstelle „Obdachlosen von der Straße“ offen, erzählt Kolbe. Entsprechend groß waren die Vorbehalte der Anwohner. „Sie befürchteten Kriminalität und nächtliche Ruhestörungen.“
Sorgen der Anwohner unbegründet
Sie lud die Bürgerschaft zu einem Tag der offenen Tür ein und machte klar, dass die Sorgen unbegründet waren. In der Unterkunft herrschte Alkoholverbot, nachts war durchgehend eine Aufsichtsperson anwesend. Vormittags wurde Beratung angeboten, ab 13 Uhr war die Teestube besetzt. „Die Nachbarn haben gesehen, dass das Ganze eine Struktur hatte.“
Die Arbeit der Diplom-Sozialpädagogin ging über Beratung weit hinaus. Sie besuchte Klienten im Krankenhaus, manchmal auch im Gefängnis. Sie vermittelte Betroffene in geeignete Einrichtungen, etwa die Herzogsägmühle. Manchmal gelang es, für jemanden eine Wohnung zu finden und ihm eine Perspektive zu eröffnen, um wieder Fuß zu fassen. „Das waren die Sternstunden“, sagt Kolbe. „Aber es klappt nur, wenn die Betroffenen selber wollen.“
Umzug in die Hasenheide
2019 zog die KAP in die Hasenheide um. Dort stehen in fünf Zimmern acht Schlafplätze und zusätzliche fünf Notbetten zur Verfügung. Jedes Zimmer hat ein Bad, auch Wäsche waschen kann man. Neben Lisa Weiss arbeiten zwei weitere Sozialpädagoginnen dort. Sie beraten, vermitteln weiter, unterstützen im Umgang mit Behörden, kooperieren mit Fachdiensten und anderen sozialen Einrichtungen. Es geht nicht nur darum, den Betroffenen zu einem Dach über dem Kopf zu verhelfen. Ziel ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, um einen Rückfall in die Obdachlosigkeit zu verhindern.
Eine entscheidende Rolle für den reibungslosen Betrieb der KAP spielen Ehrenamtliche. Sie betreuen die Tee- und Wärmestube und kochen zweimal in der Woche Mittagessen für bis zu 30 Besucher. Um das Angebot auszubauen, hätte Lisa Weiss gerne eine festangestellte Hauswirtschafterin – ein Wunsch an den Landkreis, denn der müsste die Kraft bezahlen.
Von der Politik wünscht sie sich die Erkenntnis, „dass sozialer, bezahlbarer Wohnraum ganz dringend gebraucht wird“. Und von der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit und Empathie für die Betroffenen und ihre Schicksale. Denn im Umgang mit KAP-Klienten hat sie eines gelernt: Obdachlosigkeit kann jeden treffen.
1395 Übernachtungen in einem Jahr
2024 verzeichnete die KAP-Notschlafstelle 1395 Übernachtungen von 182 Personen. 40 fanden mithilfe der sozialen Beratung eine neue Bleibe oder konnten in eine Einrichtung vermittelt werden. Von Obdachlosigkeit betroffen seien „alle Generationen querbeet“, berichtet KAP-Leiterin Lisa Weiss. Neben alleinstehenden Erwerbslosen landen immer öfter Senioren in der Notunterkunft. Wer als Rentner seine Wohnung verliert – etwa, weil der Partner verstirbt oder man wegen Sanierungsbedarf gekündigt wird -, stehe schnell vor dem Nichts.
Am anderen Ende der Altersskala sind Menschen wie die schwangere 18-Jährige, die bei ihrer Pflegefamilie ausziehen musste und auf der Straße stand. KAP schaltete das Jugendamt ein. „Mittlerweile merken wir aber auch, dass Wohnraum selbst für Normalverdiener unbezahlbar wird“, so Weiss. Ein immer größerer Teil der Klientel gehe arbeiten und finde trotzdem kein bezahlbares Dach über dem Kopf, heißt es im KAP-Jahresbericht 2024. Angesichts der steigenden Mieten rechne man mit einer weiteren Zunahme der Obdachlosigkeit.