Börsen-Chaos nach Zoll-Entscheidung – „Trump spielt mit dem Feuer“

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Der Dax erlebte am Montag einen der turbulentesten Handelstage aller Zeiten. Die Unsicherheit an den Börsen hält an. Fondsmanager Jens Ehrhardt gibt einen Ausblick.

Der Dax hatte am Montag einen der turbulentesten Handelstage aller Zeiten, die Achterbahnfahrt an den Börsen geht auch in der neuen Woche voll weiter. Muss man wegen Trump künftig einen Bogen um US-Aktien machen? Oder ist das Schlimmste überstanden? Das haben wir den Münchner Fondsmanager Jens Ehrhardt gefragt, dessen Fondsgesellschaft DJE Kapital 16 Milliarden Euro verwaltet.

Herr Ehrhardt, der Dax legt gerade eine richtige Achterbahnfahrt hin, in wenigen Tagen hat er zweistellige Verluste aufgetürmt. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?

Mich erinnert das Ganze am ehesten an den Blitzcrash im Jahr 1987. Da folgte auf einen schlechten Freitag ebenfalls ein schwarzer Montag, an dem es an den Börsen richtig krachte. Wirklich vergleichbar ist die Situation heute aber mit keinem anderen Crash.

Weshalb?

Meist werden Börsenkrisen davon ausgelöst, dass die Notenbanken die Zinsen anheben und so den Märkten Kapital entziehen. Das war 1929 in der Großen Depression so, das war beim Platzen der Internetblase so und auch in der Finanzkrise. Heute ist der Auslöser ein anderer: Donald Trump schockt die Anleger. Sie haben Angst davor, dass der US-Präsident mit seinem Zollkrieg die Welt in eine Wirtschaftskrise stürzt.

New York Stock Exchange Opens After Trump's Tariffs Sank Markets on Thursday
Verzweiflung auch an der New Yorker Börse: Die Händler sehen sich abstürzenden Kursen gegenüber. © SPENCER PLATT/AFP

Wie groß ist die Gefahr?

Zieht Trump das durch, schlägt er die Weltwirtschaft wirklich kurz und klein. Allerdings ist die Lage schwer zu durchschauen: Trump sagt, dass ihn schon 50 Länder anbetteln, die Zölle zurückzunehmen. Gleichzeitig wächst mit den Kursverlusten an der Wall Street der Unmut der Amerikaner gegen ihn, immerhin hängt die Altersvorsorge in den USA viel stärker vom Aktienmarkt ab als in Europa. Die Frage wird deshalb sein: Reagieren die Europäer ähnlich wie China mit harten Gegenzöllen? Und rudert Trump etwas zurück? Ich bin mir da nicht so sicher, denn er wird sein Gesicht nicht verlieren wollen.

Was bedeutet das alles für die Börsen?

Obwohl die Kurse in den USA schon um etwa 25 Prozent und in Deutschland um mehr als 15 Prozent gefallen sind, ist der Boden wohl noch nicht erreicht. Einerseits sind vor allem die Aktien der Tech-Riesen aus den USA immer noch sehr hoch bewertet, also teuer. Andererseits sind die meisten Anleger voll in den Crash hineingelaufen. In den USA haben Anleger bis Donnerstag noch Aktien gekauft wie verrückt, insgesamt ist dort von Privatpersonen der Rekordwert von 45 Billionen Dollar im Markt. In Deutschland ist es ähnlich. Dass hierzulande auf Pump in Infrastruktur und Verteidigung investiert werden soll, hat nach vielen Jahren erstmals wieder internationale Investoren nach Frankfurt gelockt. Die Leute stecken bis unter die Halskrause in Aktien. Damit fehlen die starken Hände, die mit viel Geld an der Seite stehen und die Kurse zurück nach oben treiben, wenn sie wieder an der Börse einsteigen.

Hinzu kommt noch der Unsicherheitsfaktor Trump, oder?

Genau, und das gilt nicht nur für die Frage, wer künftig welche Zölle zahlen muss. Es gibt zum Beispiel Gerüchte, dass Trump US-Schulden, die in den kommenden Monaten refinanziert werden müssen, gar nicht zurückzahlen, sondern in 100-jährige Anleihen ohne Zins tauschen will. Das wäre ein absoluter Tabubruch – gerade für ein Land wie Amerika, das als Leitbörse und Fixstern an den Finanzmärkten gilt. Trump spielt buchstäblich mit dem Feuer. Wir müssen uns also an den Börsen weiter auf einen wilden Ritt einstellen. Schlussendlich zieht es gerade in den USA auch den Konsum und die Realwirtschaft immer stark mit nach unten, wenn die Börsenkurse fallen.

03.04.2025, USA, New York: Mike Pistillo Jr. (M) arbeitet mit anderen Händlern auf dem Parkett der New Yorker Börse. Mit Aktienverkäufen in großem Stil haben Investoren auf ebenso umfangreiche wie hohe Importzölle der Regierung Trump reagiert. Foto: Seth Wenig/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Mike Pistillo Jr. (M) arbeitet mit anderen Händlern auf dem Parkett der New Yorker Börse. Mit Aktienverkäufen in großem Stil haben Investoren auf ebenso umfangreiche wie hohe Importzölle der Regierung Trump reagiert. © Seth Wenig/dpa

Bisher sind in Crashs und Krisen oft die Notenbanken mit Zinssenkungen als Retter aufgetreten. Darf man darauf hoffen?

Trump hätte das gern, er will die US-Notenbank Fed zu Zinssenkungen drängen. Doch die Fed muss nicht nur die Wirtschaft am Laufen halten, sondern auch die Inflation unter Kontrolle behalten. Und die Trump-Zölle könnten die Teuerung in den USA durch die Decke treiben. Das würde eher für Zinserhöhungen als für Zinssenkungen der Fed sprechen, was für die Börsen ein weiterer Nackenschlag wäre. In Europa kann ich mir hingegen gut vorstellen, dass die Zinsen im April erneut gesenkt werden.

Trump bedroht Rechtsstaat und Demokratie. Deshalb fragen sich manche Anleger, ob sie weiter bedenkenlos in US-Aktien investieren können. Zu Recht?

Diese Zweifel sind leider nicht völlig abwegig. Und man muss sich auch eine andere Sache vor Augen führen: Die US-Wirtschaft macht nur 14 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus, in globalen Aktienindizes haben US-Titel aber rund 70 Prozent an Gewicht. Das ist absurd hoch. Wie gefährlich so eine Konzentration ist, kann man am Beispiel Japans sehen.

Weshalb?

In den 1990ern machten japanische Aktien über 50 Prozent in globalen Indizes aus. Seit die Japan-Blase geplatzt ist, ging es mit den Titeln fast nur noch abwärts. Es hat dann bis 2024 gedauert, bis der japanische Nikkei seinen Uralt-Rekord aus dem Jahr 1989 überboten hat.

Wird es auch 35 Jahre dauern, bis sich US-Aktien wieder vom Trump-Crash erholt haben?

Ich hoffe nicht. Ich gehe aber auch nicht davon aus, dass die Verluste schon morgen wieder aufgeholt sind. Der Boom der US-Börsen liegt ja auch darin begründet, dass die US-Regierung seit Obama immer gigantische Schulden gemacht hat, um die Wirtschaft anzukurbeln. Trump will das ändern. Und das dürfte am Ende auch zulasten der US-Konzerne gehen. Viele von ihnen kassieren bereits ihre Gewinnprognosen.

07.04.2025, Pakistan, Karachi: Ein Anleger betrachtet die Indizes und den Leitindex 100 an der pakistanischen Börse (PSE). Foto: Fareed Khan/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Anleger betrachtet die Indizes und den Leitindex 100 an der pakistanischen Börse (PSE). © Fareed Khan/dpa

Welche Alternativen gibt es denn überhaupt?

Das ist die große Frage. Europäische Aktien sind jedenfalls viel günstiger als US-Papiere. Und China wird mit riesigen Konjunkturprogrammen auf die US-Zölle antworten. Die Chinesen könnten deshalb stärker aus dem Zollstreit hervorgehen als die Amerikaner.

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