Von der Blutbirne bis zum Paradiesapfel: In Wessobrunn bekommen vergessene Obstsorten eine zweite Chance

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Zahlreiche Interessierte ließen sich von Johann-Christian Hannemann über die Streuobstwiesen führen. © Zerhoch

Bei einem Rundgang über die Streuobstwiesen in Wessobrunn erhielten die Besucher nicht nur Einblicke in das Projekt „Apfel-Birne-Berge“, sondern auch wertvolle Tipps für den heimischen Garten – und ein paar Rezeptideen.

Es war eine beachtliche Schar Interessierter, die vor dem Kloster in Wessobrunn zusammengekommen war, um sich von Johann-Christian Hannemann durch die „europäische Savanne“ führen zu lassen. Löwen und Giraffen gab es zwar keine zu sehen, zur Verzückung der Anwesenden dafür umso mehr einzigartige, fast vergessene Obstsorten. „Oft gibt es nur noch Beschreibungen von jungen Leuten – wenn die Oma immer geschwärmt hat“, erzählt der Experte von der Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege.

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Arten, die man in der Obstabteilung im Supermarkt findet, sucht man in der Wessobrunner „Obstsortenarche“ vergeblich. 40 verschiedene Apfelsorten säumen den mit gelbem Löwenzahn gesprenkelten Südhang gegenüber der Klostermauer. Rund ein Dutzend davon stammt von Höfen zwischen Hohenpeißenberg und Wessobrunn. Doch die alten Sorten, von denen die Großmütter offenbar so gerne schwärmen, drohen zu verschwinden. In den Siedlungsgebieten „wird viel nachverdichtet“, weiß Hannemann. Ein Problem, wie er sagt: Denn die charakteristischen, einst mit knorrigen Obstbäumen bestückten Ortsränder gingen so nach und nach verloren. Das Projekt „Apfel-Birne-Berge“ will dem gegensteuern und in ihren „Sortenerhaltungsgärten“ eben diesen Arten einen zweiten Frühling bescheren.

40 Apfelsorten gedeihen in der Streuobstwiese nördlich des Tassilowegs.
40 Apfelsorten gedeihen in der Streuobstwiese nördlich der Klostermauer. © Zerhoch

Auf der Streuobstwiese in Wessobrunn wachsen derweil nicht nur junge Ableger alter Sorten, hier und da trifft man auch noch auf urige Vertreter der historischen Gattungen, die von den Klosterschwestern gepflanzt, schon 60 bis 80 Jahre auf dem Buckel haben, so Hannemann, der zudem erklärt, dass Birnbäume in der Regel deutlich älter werden als ihre Äpfel tragenden Verwandten. 120 Jahre seien keine Seltenheit, so der Experte. Die Äpfel hingegen „geben nach etwa 80 Jahren auf“.

Birnbäume werden älter als Apfelbäume

Wer sich in einer Baumschule mit bestimmten Sorten eindecken möchte, dem rät Hannemann: „Fahrt da hin und schaut euch die Bäume an. Lasst sie euch nicht schicken.“ Denn der Experte weiß: Die Setzlinge brauchen viele Feinwurzeln, damit sie am Anfang auch „gut Fuß fassen“ können.

Anschließend legt Hannemann so richtig los, zählt einige der fast vergessenen Arten auf und hebt deren Besonderheiten hervor: Vom „robusten“ Paradiesapfel über den Magdalena-Apfel bis hin zum Russen- und Franzosen-Apfel gibt es auf der Streuobstwiese in Wessobrunn viel zu entdecken. Eine Sorte hat zum Beispiel von Pischlach nach Wessobrunn gefunden. Der Überlieferung nach hatte den Baum einst ein Pfarrer einem Pischlacher Brautpaar geschenkt, reißt Hannemann eine der zahllosen Geschichten und Legenden an, die sich um die alten Arten ranken: „Wir müssen die guten Sorten in die Gärten bringen“, meint der Fachmann und führt seine Gefolgschaft auf die zweite Streuobstwiese, die sich südlich der Klostermauer befindet und 60 Birnensorten beherbergt.

Wühlmäuse bereiten Probleme

Zwischen zwölf und 14 Meter trennen die jungen Bäume, die feinsäuberlich gestaffelt auf der Wiese eingepflanzt wurden. Das Besondere an der Birnen-Weide: Anders als oben bei den Apfelbäumen, die auf einem Lehmboden gedeihen, zeichnet sich der Untergrund bei den Birnen durch „mehr Humus“ aus. Hannemann zufolge haben allerdings auch Wühlmäuse die Grünfläche für sich entdeckt, was den jungen Bäumen freilich nur wenig gefällt. Man komme „um das Bejagen nicht herum“, erläutert Hannemann. Dazu gehöre beispielsweise die Errichtung von Ansitzstangen für Greifvögel. Ein gern gesehener Gast auf der Weide ist auch das Mauswiesel. „Irgendwas muss man tun“, sagt der Experte achselzuckend.

Kurz bevor es zu regnen beginnt, reicht die Zeit dann gerade noch für die Vorstellung einiger spannender Birnensorten: Eine Art, die Hannemann zufolge „besser aussieht als sie schmeckt“, ist die Blutbirne. Bis zu 1,5 Kilogramm wiegen derweil die Früchte der Kaiserbirne. „Da willst du deinen Liegestuhl im Sommer lieber nicht darunter stellen“, sagt eine Frau kichernd.

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