Debatte um Stilllegung der Gasnetze: Was Stadtwerke jetzt wirklich planen

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Mit ihrem Green Paper hat das BMWK die Diskussion um den Ausbau der Versorgungsnetze angefacht. Die Stadtwerke sind angehalten, Stellung zu beziehen.

Berlin – Bis zum Jahr 2045 soll Deutschlands Energieversorgung klimaneutral werden und vollständig auf fossile Stoffe als Energieressourcen verzichten können. Auf dem Weg dorthin sollen die Emissionen bereits bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Um die Ziele der Energiewende einzuhalten, muss jedoch irgendwann flächendeckend mit dem Umbau von Technik und Versorgungsnetzen begonnen werden. 

Deutsche Haushalte heizen mit Gas und Öl

Nachdem die Bundesregierung im letzten Jahr klimapolitisch auf die Dekarbonisierung von Privathaushalten fokussiert war, rücken nun logistische und infrastrukturelle Fragen in den Vordergrund. Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zufolge werden aktuell nämlich immer noch rund 72 Prozent der Heizungen deutscher Haushalte mit Gas oder Erdöl betrieben. Gegenüber 2019 ist der Anteil fossiler Energieträger an der Gesamtversorgung damit nur geringfügig zurückgegangen.

Um die Nachfrage nach fossilen Energieträgern zu senken, müssen in den kommenden Jahren immer mehr Haushalte durch Wärmenetze versorgt werden, oder ihre Wärme direkt aus strombetriebenen Wärmepumpen beziehen. Sinkt die Zahl der Erdgasverbraucher und die Abnahmemenge von Erdgas, müssen die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung der Versorgungsnetze von immer weniger Kunden getragen werden. Das wird für die verbliebenen Gaskunden irgendwann sehr teuer. Wie also kann eine bezahlbare und ökonomisch tragfähige Energieversorgung auch in der Übergangsphase der Energiewende gesichert werden?

Experten mahnen vor massiv ansteigenden Versorgungsentgelten für Erdgasnetze

Um diese Diskussion wie diese in Gang zu bringen, hat Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) im März (21.03.2024) ein Gesprächspapier vorgelegt – ein sogenanntes Green Paper. In ihm geht es unter anderem darum, wie Eigentümer und Mieter rechtzeitig über die Umstrukturierung oder Stilllegung von Gasnetzen informiert werden. Aber auch darum, die Netzbetreiber vor dem Ruin zu schützen, wenn sie gezwungen werden, ein untragbares Gasnetz weiterzubetreiben. 

Für die Netzbetreiber wird der massenhafte Wechsel der Energieversorgung von Haushalten und Firmen im Rahmen der Energiewende eine Herausforderung. Nehme die Anzahl angeschlossener Kunden um 40 Prozent ab, sei das für die Versorger noch stemmbar, erklärte Pascal Hütt, Partner des Beratungsunternehmens Arthur D. Little, kürzlich im Gespräch mit dem Spiegel. Doch es gebe einen Kipppunkt: „Wenn die Zahl der Anschlusskunden um 80 Prozent zurückgeht, drohen die Netzentgelte für die Verbliebenen in utopische Höhen zu steigen“, betonte Hütt. 

Wie der Übergang der Energiewende wirtschaftlich tragbar funktionieren kann, ist auch eines der Hauptanliegen in Habecks Gesprächspapier. „Entscheidend ist, dass während der Transformationsphase eine kontinuierliche, bezahlbare Energieversorgung der Endverbraucher gewährleistet bleibt“, heißt es darin unter anderem. „Falls Erdgasnetze stillgelegt werden, müssen die angebundenen Kunden einen hinreichenden Vorlauf haben, um ihre Energieversorgung umzustellen“, betont das BMWK weiter. Welcher Zeitraum mit einem „hinreichenden Vorlauf“ konkret gemeint ist, wird aber nicht benannt.

„Was die Kommunen mit ihren Gasnetzen machen, entscheiden sie ganz alleine“

In ihrem Green Paper weist das BMWK auch darauf hin, dass gesetzliche Rahmenbedingungen für genehmigungspflichtige Stilllegungspläne der Verteilernetzbetreiber geschaffen werden müssen, um die EU-Gas und Wasserstoff-Binnenmarktrichtlinie umsetzen zu können. Mit dem Papier richte man sich erst einmal mit Fragen an die Energiebranche, betont das Ministerium – um konkrete Pläne gehe es an dieser Stelle noch nicht.

Mit einem Greenpaper zur Energiewende hat das BMWK eine Debatte um die Stilllegung der Gasnetze angeheizt. Am heutigen Tag endet eine Frist, bis zu der die Stadtwerke aufgerufen waren, auf das BMWK-Green Paper zu reagieren.
Bundeswirtschafts- und Umweltminister Robert Habeck (Grüne) © IMAGO

Ursprünglich wollte die Regierung den Einbau neuer Heizgeräte für fossile Energieträger schnell und flächendeckend untersagen. Nachdem sich dagegen jedoch massiver Widerstand regte, hat die Ampel-Koalition dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) seit Jahresbeginn auch ein Wärmeplanungsgesetz zur Seite gestellt. Ihmzufolge sollen alle Großstädte im Land bis Mitte 2026 Versorgungspläne für ihr komplettes Stadtgebiet vorlegen. Kommunen sollen bis Mitte 2028 folgen.

„Was die Kommunen mit ihren Gasnetzen machen, entscheiden sie aber ganz alleine, und nicht das BMWK“, schrieb Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Energiesicherheit im Ministerium, jüngst beim Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter).

Wie gehen Städte und Kommunen mit der Debatte um Gasnetze um?

Wie aber gehen Städte und Kommunen in Deutschland damit aktuell um? Am Dienstag titelte die Bild-Zeitung, mit Augsburg werde die erste deutsche Stadt ihre Gasversorgung einstellen, und zwar bis 2035. Die Stadtwerke Augsburg (SWA) wehren sich gegen die Berichterstattung: „Die Gasversorgung in Augsburg bleibt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen auch weiterhin gesichert“, erklärten ihre Vertreter in einer Pressemitteilung. Aktuell zumindest sei kein Rückbau der Versorgungsnetze geplant.

Jedoch betonen die SWA in der Mitteilung auch, sie informiere bereits seit vier Jahren große Wärmeverbraucher aus Industrie und Gewerbe mit einem Schreiben, dass dort in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren Fernwärme verfügbar sein wird. Grund sei, dass Verbraucher die Informationen bei der Planung neuer Arten der Wärmeversorgung in ihre Überlegungen künftiger Wärmeversorgung einbeziehen können.

„Wir sprechen hier nicht von einzelnen Eigenheimbesitzern, die jetzt befürchten müssen, dass ihr Gaskessel bald zum alten Eisen gehört“, erklärte SWA-Sprecher Jürgen Ferrg dem Spiegel. Die Vorstellung, dass Augsburger Bürgern plötzlich der Gasanschluss gestrichen würde und sie zu einem Wechsel ihrer Heizung gezwungen seien, sei Unsinn.

Stadtwerke sollen sich zu den Anregungen des Green Papers zurückmelden – wie reagieren sie?

Das BMWK hat die Branche der Energieversorger aufgerufen, bis Freitag (12. April 2024) Rückmeldungen zu ihrem Green Paper zu geben. Wie aber reagieren die Stadtwerke? Schließlich sind sie nach wie vor ökonomisch auf den Betrieb der Gasversorgungsnetze angewiesen. In Hannover plant man aktuell etwa, im Jahr 2040 nur noch mit zwei Prozent Gas zur gesamten Wärmeversorgung Hannoveraner Haushalte beitragen zu wollen, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Hannoveraner Energieunternehmens Enercity, Marc Hansmann. „Jedes Stadtwerk muss seinen eigenen Weg finden“, wird Hansmann von der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) zitiert.

Ein großangelegter Ausbau des Fernwärmenetzes findet seit Anfang März auch in der Innenstadt des bayerischen Dillingen an der Donau statt, wie der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet. Mit den neuen Leitungen sollen dort rund 250 Einfamilienhäuser beheizt werden. Gerade für Altbauten unter Denkmalschutz sei die Fernwärme der optimale Weg, um künftig gesetzeskonform zu heizen, erklärte Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz (CSU) dem BR. Denn Wärmepumpen seien hier kaum einsetzbar, außerdem könne man die Häuser wegen des Denkmalschutzes nicht von außen dämmen. (fh)

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