Ex-Polizist packt aus: Auf Flut an Messerattacken müssen wir endlich reagieren

Ein junger Polizist liegt mit Schnittwunden im Krankenhaus. Der Angreifer – ein 27-jähriger verurteilter Straftäter – ist tot. Er hatte ein Messer gezogen. Die Polizisten schossen.

Wieder ein Fall tödlicher Polizeigewalt. Wieder eine Messerattacke. Wieder eine Debatte – über Migration, Gewalt und Vertrauen in den Rechtsstaat.

Der Vorfall ereignete sich in Wangen im Landkreis Göppingen. Die Polizei wollte einen verurteilten Mann in Haft bringen – doch die Situation eskalierte. Der Asylbewerber zog ein Messer und verletzte einen Beamten schwer. Die Kollegen eröffneten das Feuer. Der 27-Jährige starb trotz Reanimationsversuchen noch vor Ort.

Über Thomas Herzing

Thomas Herzing ist ein international gefragter Sicherheitsspezialist und ehemaliger bayerischer Polizist. Nach seiner Auswanderung in die Schweiz war er als Fachbereichsleiter und Lehrgangsleiter an der größten Schweizer Polizeischule tätig. Seit über 10 Jahren berät er Kunden zur integralen Sicherheit und ist Sparringspartner für Führungskräfte. Auch als Impulsredner fesselt er sein Publikum anlässlich von Messen, Symposien und Firmenanlässen.

München, Passau, Hamburg – zuletzt nun Göppingen. Messerangriffe sind kein Randphänomen mehr. Sie treffen Großstädte wie Kleinstädte, Polizisten wie Passanten.

-> Was früher als Ausnahme galt, ist heute Teil des sicherheitsrelevanten Alltags.

Polizisten unter Erwartungsdruck – und unter Beschuss

Der Einsatz in Wangen reiht sich ein in eine bedrückende Serie: Bereits sieben Mal musste die Polizei in Baden-Württemberg 2025 von der Schusswaffe Gebrauch machen – meist, weil Angreifer mit Messern oder Äxten auf Beamte losgingen. In Schramberg richtete ein Täter eine Schusswaffe auf Polizisten – auch hier wurde geschossen.

-> Die Polizei steht zunehmend vor der Entscheidung: tödliche Gewalt oder selbst Opfer werden.

Ich selbst konnte einen Angriff abwehren: Durch Kraft und Glück

Ich selbst war mit einer solchen Situation konfrontiert. Ein Mann lief in einer Fußgängerzone mit gezücktem Messer auf mich zu – 25 Meter Entfernung, kein Ausweichen möglich. Der Einsatz meiner Schusswaffe war wegen der Nähe zu Passanten nicht vertretbar. 

Mein Kollege versuchte, den Angreifer von mir wegzuziehen – er wurde mehrfach in den Unterbauch gestochen. Nur durch Körperkraft, Training und einen Schutzengel konnte ich den Angriff abwehren.

-> Echte Bedrohungen sind chaotisch, schmutzig und brutal – nicht wie im Film.

In der Schweiz ist der Schusswaffengebrauch ein angemessenes Mittel

In der Schweiz ist die Rechtslage klar: Bei Messerangriffen geben Dienstanweisungen den Schusswaffengebrauch ausdrücklich als angemessenes Mittel vor. 

In Deutschland hingegen müssen Beamte oft mit langwierigen Verfahren rechnen – obwohl sie im Bruchteil einer Sekunde entscheiden müssen.

-> Eine klare, rechtssichere Linie stärkt Einsatzkräfte – und schützt die Gesellschaft.

Keine Panik – aber Vorbereitung

In meinem kommenden Fachbuch „Messer im öffentlichen Raum – Gefahren, Verhalten, Prävention“ analysiere ich reale Fälle und zeige auf, wie man sich schützt – ohne martialisches Heldentum, sondern mit klarem Kopf und einfachen Mitteln:

  1. Distanz wahren – ein Fahrrad oder eine Tasche können Schutz bieten
  2. Frühwarnzeichen erkennen – hastiges Annähern, verdeckte Hände
  3. Aufmerksam sein – besonders in engen Räumen wie Bussen oder Fluren

-> Wer vorbereitet ist, handelt schneller. Und wer schneller handelt, überlebt.

Ich warne vor filmreifen Entwaffnungstechniken

Ich warne ausdrücklich davor, an filmreife Entwaffnungstechniken zu glauben. In der Realität zählt nicht Ästhetik – sondern Wirkung. 

Spezialeinheiten trainieren nicht mit Kampfkunst, sondern mit Schutzkettenhemden, Zugriffshunden und Schusswaffen. Alles andere ist gefährlicher Irrglaube.

Polizeiausbildung muss echt sein – nicht akademisch

Als Ausbilder in Taktik, Selbstverteidigung und Schießen versuchte ich, realistisches Training umzusetzen – oft gegen den Widerstand von Vorgesetzten, die selbst nie im Einsatz waren.

In der Schweiz trainieren Polizisten mit Farbmarkierungsmunition unter Stressbedingungen. Wer in der Ausbildung falsch reagiert oder Kollegen gefährdet, erkennt früh, ob der Beruf passt – manche steigen danach konsequent aus.

-> Einsatztraining darf nicht nett sein – es muss realistisch sein. Alles andere gefährdet Leben.

Fazit: Aufmerksamkeit statt Ohnmacht

Die Fälle von Göppingen, München, Passau und Hamburg zeigen: Messerangriffe sind keine seltenen Ausnahmen mehr – sie sind ein strukturelles Problem unserer Zeit.

Die Antwort darf nicht Verdrängung sein, sondern konsequente Vorbereitung: juristisch, taktisch, gesellschaftlich.

Lesetipp (Anzeige)

“AMOK – Wenn der Alltag zerreisst: Täter, Tat, Trauma. Wie wir uns schützen können.“ - Das neue Fachbuch von Thomas Herzing erscheint Ende 2025 im Fachverlag.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.