Bürokratie in der EU: Wie die EU-Regulierungswut die Wirtschaft lähmt

Eine Flut aus Formularen, Datenpunkten und Berichtspflichten überschwemmt Europas Wirtschaft – und viele Unternehmen drohen, darin zu ertrinken. Auch in einem mittelständischen Familienunternehmen in Baden-Württemberg stapeln sich die Akten. Drei neue Vollzeitkräfte wurden eingestellt – nicht etwa für Forschung, Entwicklung oder Vertrieb, sondern ausschließlich, um Daten für die EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung zu sammeln.

Die ausufernde Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Was der Familienunternehmer erlebt, ist kein Einzelfall. Mit der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD, Corporate Sustainability Reporting Directive) hat die EU ein bürokratisches Monster geschaffen. Die CSR-Richtlinie soll wichtige Umwelt- und Sozialstandards sicherstellen. Sie ist in ihrer jetzigen Form aber für viele Unternehmen kaum umsetzbar. Rund 1150 Datenpunkte auf mehr als 200 Seiten müssen Unternehmen künftig erfassen und berichten. Die sogenannten „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) decken dabei nicht nur Umwelt- und Klimaschutzaspekte ab, sondern reichen bis hin zu Angaben über die Meinungsfreiheit bei Zulieferern oder CO₂-Emissionen durch Pendler.

Die bisher teuerste Berichtspflicht

Die Folgen sind dramatisch: Schätzungen zufolge kostet die Umsetzung der CSR-Richtlinie die deutsche Wirtschaft jährlich 1,6 Milliarden Euro. Noch nie wurde durch nur ein einziges Vorhaben ein so hoher Aufwuchs an Bürokratiekosten ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz brachte es beim Arbeitgebertag 2024 auf den Punkt: „Da sind irgendwie die Gäule durchgegangen.“

Gesetzliche Pflichten, die nicht umsetzbar sind

Besonders problematisch: Selbst mit enormem Aufwand lassen sich manche geforderten Daten kaum verlässlich ermitteln. Wenn beispielsweise CO₂-Emissionen für Einzelteile aus Nicht-EU-Ländern erfasst werden sollen, müssen Unternehmen auf widersprüchliche Datenbanken zurückgreifen, deren Angaben für identische Waren teilweise mehrfach voneinander abweichen können.

Die EU will nachbessern

Die Europäische Kommission hat mittlerweile erkannt, dass sie übers Ziel hinausgeschossen ist. Die Ausweitung der CSR-Richtlinie auf eine zweite und dritte Welle von Unternehmen wurde erst einmal um zwei Jahre verschoben.

Ein weiterer Vorschlag sieht weitreichende Vereinfachungen vor. So soll der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen bei der CSR-Richtlinie auf Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern beschränkt, grundsätzlich nur noch über Informationen über direkte Geschäftspartner berichtet und die zivilrechtlichen Haftungsrisiken stark eingeschränkt werden.

Sollte sich die Kommission durchsetzen, könnte es zu nennenswerten Entlastungen kommen. Allerdings regt sich bereits Widerstand dagegen im Europäischen Parlament. 

Die Gefahr freiwilliger Standards 

Unternehmen, die nicht (mehr) unter die CSR-Richtlinie fallen, sollen künftig freiwillig nach einem neuen vereinfachten Standard berichten können, der auf dem von der EFRAG – einem privaten Verein – entwickelten Standard basiert. Dies lässt aufhorchen! Häufig entwickeln sich freiwillige Standards in den Wirtschaftsbeziehungen zu Selbstläufern und setzen sich faktisch durch. Sie entwickeln sich zu „Quasi-Normen“. Erinnern wir uns an ISO 9000 – eine inzwischen international anerkannte Normenfamilie für Qualitätsmanagement.

Ein EU-Rechtsakt mit vielen Nebenwirkungen

Die CSRD-Regeln greifen mit dirigistischen Mitteln in das Marktgeschehen ein, indem Marktmechanismen, wie z.B. Angebot und Nachfrage, durch ökologische und soziale Kriterien überlagert werden.

Dies führt nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Nicht-EU-Standorten, sondern kann auch zu Produktionsengpässen führen. 

Für Unternehmen werden Geschäftsbeziehungen in Entwicklungsländern wegen der fehlenden Informationslage teilweise unmöglich gemacht. Dies schadet deren Wachstumschancen. 

Die Kontrollpflichten nehmen zu und blähen den Staatsapparat auf. 

Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen sichern

Der Fall der CSR-Richtlinie steht exemplarisch für ein grundsätzliches Problem in Europa: Gut gemeinte Regulierung wächst sich zu lähmender Bürokratie aus. Unternehmen müssen sich auf ihren Geschäftsbetrieb konzentrieren, um erfolgreich sein zu können. Familienunternehmer – sie sprechen immerhin für 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland – fordern daher, dass die Europäische Kommission, das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten nun schnell substanzielle Vereinfachungen der CSR-Richtlinie und weiterer EU-Bürokratie verabschieden, ohne das Ziel der Nachhaltigkeit generell in Frage zu stellen. Die Botschaft der Wirtschaft ist klar: Europa muss einfacher werden.