Hilfreich und tödlich – Kampfroboter in der Ukraine auf dem Vormarsch
Neben Drohnen könnten Roboter die Hauptrolle in den nächsten Kriegen spielen – in der Ukraine werden sie zur Praxisreife entwickelt und lernen Eigenständigkeit.
Kiew – Er hat etwas von einem Lego-Technics-Modell – und einen Namen wie aus Star Wars: D-21-11; und er soll Russland das Fürchten lehren. Aktuell im Ukraine-Krieg und auch später als Universal-Vehikel in einem nächsten Landkrieg. Der D-21-11 ist ein Roboter im Entwicklungsstadium, vorgestellt vom ukrainischen Entwicklungs-Cluster Brave1 – einer Online-Plattform für die Kommunikation zwischen Entwicklern und Finanziers.
D-21-11 rollt Wladimir Putins Armee auf vier dicken Rädern entgegen und besteht nur aus einer Fahrzeugbasis – die Größe auf den ersten Bildern ist undefinierbar, technische Daten unbekannt; allerdings sollte er mitsamt Aufbauten Hüfthöhe haben. An Verantwortung hat er eine Menge zu tragen, denn er soll multifunktional sein. Als Chassis für einen automatisierten Turm mit einem schweren Maschinengewehr, als Munitionstransporter oder als Aufklärer. Laut dem Magazin DefenseExpress soll der Roboter in der Lage sein, Aufgaben von Aufklärung und Überwachung bis hin zu Angriffs- und Verteidigungseinsätzen durchzuführen: „Sein modularer Aufbau ermöglicht die nahtlose Integration abnehmbarer Frachteinheiten und ermöglicht so die sichere und effiziente Lieferung von Munition und Proviant an die Truppen selbst in lebensgefährliche Zonen.“
Killer oder Kuli – Rolle der Roboter im Krieg umstritten
Der D-21-11 erneuert damit die Diskussion, um den Einsatz unbemannter Systeme mit zunehmender Handlungsfreiheit. Kritiker sehen darin ernste Probleme mit ethischen Fragen, sofern die Lasteneinheiten mit Modulen zur Bekämpfung von Menschen aufgerüstet werden – sofern kein menschlicher Bediener die Kontrolle über das Feuer behält. Dennoch sind viele Systeme von vielen Ländern bereits einsatzbereit und Programme zur automatischen Zielerkennung und der Entscheidung über die Bekämpfung der Ziele sind ebenfalls praxisreif.
Die Automatisierung von Armeen läuft schon seit Jahren. Ronald Arkin ist Professor an der „Georgia Tech“ Hochschule in Atlanta und forscht zu autonomen Waffensystemen. Entscheidend ist für ihn die dienende Funktion, die solche Roboter einnehmen sollen, wie der Deutschlandfunk berichtet: „Ich denke, die Militärs wollen System mit den Truppen auf den Weg schicken, wie Hunde, oder Maultiere oder andere Dinge in der Vergangenheit, die den Soldaten halfen, ihre Mission zu erfüllen.“
Die entscheidende Frage wird sein, welche Befugnisse autonome Waffen bekommen – die ersten Drohnen auch im Ukraine-Krieg beginnen bereits, selbständig ihre Ziele auszusuchen. Auch D-21-11 ist für mehr konzipiert, als Gulaschsuppe in den vordersten Schützengraben zu fahren. Er soll töten können. Mit wie viel Entscheidungsfreiheit bleibt abzuwarten. Vorgestellt hat den Roboter der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow. Er sieht in seiner Kommunikationsplattform Brave1 den Schmelzofen ukrainischer Innovationskraft, um die Armee auszustatten mit den Werkzeugen, die ihr Land effektiv verteidigen und gleichzeitig die menschlichen Kosten minimieren.
KI im Krieg – Putins Armee ist der Ukraine unterlegen
Genau daran entzünden sich die Gemüter, wie beispielsweise der Arbeitskreis „Junge Sicherheitspolitiker“ in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik argumentiert: Das Kernproblem eines weitestgehend autonomen Systems sei demnach, dass es sich im Rahmen seiner Softwareprogrammierung zumindest zu einem gewissen Grade selber Wenn-Dann-Regeln gibt, ohne in irgendeiner Weise verantwortlich sein zu können. Die gesetzte Regel sei lediglich das Ergebnis eines Rechenvorgangs, dessen Programmierung zwar durch einen Menschen vorgenommen wurde, dessen konkretes Ergebnis zum Zeitpunkt der Programmierung aber noch nicht absehbar sein könne. Es käme zu einem Abreißen des erforderlichen Verantwortungszusammenhangs, wodurch ein solches System durchaus auch über das konventionelle humanitäre Völkerrecht hinaus als „bedenklich“ einzustufen sei.
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Die „Jungen Sicherheitspolitiker“ kommen zu dem Schluss: „Anders als der Soldat, der die Erwägungen seines Entscheidungsvorgangs kennt, sie schildern und rechtfertigen kann und damit Verantwortung für die Einhaltung des Völkerrechts zeigt, schafft der Einsatz von (teil)autonomen Waffensystemen die Gefahr einer Verantwortungslücke.“ Andererseits hebelt die Nutzung von Robotik und Künstlicher Intelligenz die Unwucht der Kräfte zwischen Russland und der Ukraine gerade auf und bringt den Verteidigern deutliche Vorteile, wie Anselm Küsters und Jörg Köpke für das Centrum für Europäische Politik (cep) klarstellen: Das KI-Zeitalter wird militärische Macht neu verteilen. Russland hat nach Meinung der Wissenschaftler zurzeit offenbar die schlechteren Karten.
Fakt oder Fantasie – der Flugzeugträger der Zukunft befördert Drohnen
Seit Kriegsbeginn haben mehr als 100.000 IT-Spezialisten und damit zehn Prozent aller zuvor im Technologiesektor Beschäftigten Russland verlassen – im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl ukrainischer Militär-Start-ups verzehnfacht, wie das cep schreibt. Der Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik zieht daraus den Schluss, dass die Robotik Kriege auch wieder über lange Distanzen möglich macht. Marcel Dickow behauptet: „Es ist vorstellbar, dass in einigen Jahren einzelne und größere Militäroperationen robotisch und autonom durchgeführt werden können, zumindest wenn sie weitgehend auf Luftschläge beschränkt bleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einsatzgebiete vom eigenen Territorium weit entfernt liegen und damit konventionelle Gegenschläge erschwert sind. In diese Richtung weisen amerikanische Planspiele, auf Flugzeugträgern Drohnen zu stationieren, die gegen Radar getarnt und in der Luft betankbar sind.“
D-21-11 ist davon noch weit entfernt; und er könnte sogar den russischen Ingenieuren hinterherhinken. Bereits 2015 hat der Stern berichtet, Wladimir Putin setze in Syrien Kampfroboter am Boden ein. Das Magazin bezog sich auf russische Militärblogger. Die wiederum hatten von einem kleinen Panzer mit Aufbau aus einem Vierfach-Raketenwerfer berichtet. 2017 hat der stern nachgelegt, mit einem angeblich von der russischen Waffenschmiede Kalaschnikow hergestellten kleinen Kettenfahrzeug mit einem Maschinengewehr-Turm und der angeblichen Möglichkeit, autonom zu feuern. Dieses Premiumprodukt des russischen Rüstungskonzerns Kalaschnikow soll Soratnik heißen: ein kleiner, roboterähnlicher Kampfpanzer, der wahlweise mit einem Granatwerfer oder einem Maschinengewehr ausgerüstet werden kann. Handfeste Beweise für die Einsatzfähigkeit beider russischer Produkte blieben aber jeweils aus.
Robotik und Rüstungsindustrie: Münchner Start-up mischt mit
Fakten geschaffen hat dagegen bereits der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall mit seiner Mission Master-Familie, die in Kanada entwickelt und gebaut werden und für alle Arten von Gelände ausgelegt sind. Auch diese Fahrzeuge sollen die Soldaten unterstützen und auch autonom fahren können, aber eben vorrangig Lasten tragen, Aufklärung betreiben und gegebenenfalls auch Feuerunterstützung leisten – der Mission Master ist immerhin mannshoch und kann eine Tonne Last tragen. Auch Deutschland kann mit zudem Start-ups zu unbemannten Fahrzeugen aufwarten. In München hat jetzt eine Ausgründung aus einem universitären Forschungsprojekt mehr als eine Million Euro Risiko-Kapital für die Entwicklung ihrer Modellpalette erhalten, wie das Magazin Europäische Sicherheit und Technik berichtet. In der Geschäftsführung sitzen Praktiker, die parallel als Offiziere der Bundeswehr dienen.
Parallel hat sich die Bundesregierung an der Aufrüstung der Ukraine mit Roboterfahrzeugen beteiligt – die Ukraine hat in diesem Jahr 14 unbemannte Fahrzeuge vom Typ Themis des estnischen Herstellers Milrem Robotics erhalten. Die ferngesteuerten Fahrzeuge wurden in zwei Versionen ausgeliefert – in einer zur Evakuierung von Verwundeten und in einer zur Minenräumung. Bedarf und Markt für die unbemannten Fahrzeuge wächst. Analysten kalkulieren die Größe des Marktes für Militärroboter im Jahr 2028 auf 31,90 Mrd. Dollar und sehen deshalb bis dorthin eine jährliche Wachstumsrate von 6,97 Prozent.
Für Mychajlo Fedorow und seine Brave1-Plattform müsste also Goldgräberstimmung herrschen; vor allem aufgrund des Umstands, dass der Ukraine-Krieg für Militärtechniker eine Testumgebung der unbegrenzten Möglichkeiten darstellt – ein zügiges Ende des Krieges würde zumindest D-21-11 in seiner Entwicklung wohl bremsen.