Koalitionsvertrag steht: Hier ist Klingbeil der Gewinner und Merz der Verlierer

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Lange hatten SPD und CDU/CSU um den Koalitionsvertrag gerungen – jetzt steht er. Wer hat sich wo durchgesetzt?

Der Koalitionsvertrag steht. 146 Seiten lang und mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ überschrieben. Ein Projekt der Einigkeit hieß es am Mittwochnachmittag auf der Pressekonferenz der Parteispitzen von Union und SPD. Doch ganz so einig war man sich lange nicht. Das zeigen die unterschiedlichen Positionen in den Arbeitsgruppen. CDU/CSU und SPD hatten sich dort in etlichen Punkten unterschieden, etwa bei der Migrations- oder Steuerpolitik. Nun, wo das Regierungspapier steht, bleibt die Frage: Welche Partei hat mehr eigene Punkte durchgebracht? Wo setzte sich Bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) durch? Wo sein künftiger Vize Lars Klingbeil (SPD)?

Migration: Union und SPD wollen „Rückführungsoffensive“

Bei der Migrationspolitik setzte die Union in entsprechenden Arbeitspapier auf strengere Grenzkontrollen und restriktivere Vergaberegeln für Aufenthaltsrechte. Letztlich wurde eine „Rückführungsoffensive“ beschlossen. Im Koalitionsvertrag steht wie schon im Sondierungspapier, dass Zurückweisungen „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ erfolgen sollen. Wie das genau geschehen soll, konnte Friedrich Merz auf Nachfrage am Mittwoch nicht plausibel erklären.

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Die SPD zeigte sich beim Thema Migration zurückhaltend, unterstützte jedoch einige Unions-Punkte wie Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Der Koalitionsvertrag spiegelt hier mehr die Handschrift der CDU/CSU wider, obwohl Friedrich Merz seinen Fünf-Punkte-Plan zur Migration nicht umsetzen konnte. Ein Einreiseverbot für Personen ohne gültige Papiere fehlt.

Nicht durchsetzen konnte sich die Union auch mit der Forderung nach der Einrichtung von „Bundesausreisezentren in der Nähe von großen deutschen Flughäfen“, ebenso wenig mit der Prüfung des Entzugs der deutschen Staatsangehörigkeit für „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten“. Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts bleibt bestehen, jedoch soll die sogenannte „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren abgeschafft werden.

Markus Söder, Friedrich Merz und Lars Klingbeil
Markus Söder, Friedrich Merz und Lars Klingbeil © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Steuern: Keine Erhöhungen, Soli bleibt

Die Union wollte die Unternehmenssteuern von etwa 30 auf 25 Prozent senken, beginnend 2026. Die SPD wollte erst ab 2029 starten. Kompromiss: 2028. Die SPD plante zudem, den Spitzensteuersatz und die Vermögensteuer zu erhöhen, was die Union ablehnte. Stattdessen sollen die Einkommensteuern für kleine und mittlere Einkommen gesenkt werden, Details fehlen jedoch.

Die SPD wollte zudem das Ehegattensplitting abschaffen, die Union den Soli streichen. Hier konnte sich keiner durchsetzen. Das Ehegattensplitting taucht im Vertrag nicht auf; der Soli bleibt.

Mindestlohn: Erhöhung auf 15 Euro ab 2026

Die SPD setzte sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ein, was die Union so nicht unterstützte. Sie wehrte sich gegen einen politischen Mindestlohn, doch nun ist klar: Ab 2026 soll es 15 Euro pro Stunde geben, festgelegt durch die Mindestlohnkommission. Aktuell beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde.

Rente: 48 Prozent bis 2031

Die SPD wollte das Rentenniveau „dauerhaft bei 48 Prozent“ festlegen. Die Union nannte keine konkreten Zahlen. Die 48 Prozent haben die Sozialdemokraten bekommen; allerdings nicht dauerhaft, sondern bis 2031.

Neue Grundischerung statt Bürgergeld: Strengere Regeln für Arbeitsverweigerer

Die Union kritisierte das Bürgergeld im Wahlkampf scharf – und griff damit indirekt auch die SPD an, schließlich ist es ein Projekt des sozialdemokratischen Arbeitsministers Hubertus Heil. Nach einigem parteiinternen Hin und Her stimmte die SPD schon in den Sondierungsgesprächen einer „Reform“ des Bürgergelds zu.

Diese sieht laut Koalitionsvertrag wie folgt aus: „Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um.“ Bei Arbeitsverweigerung „wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“.

Cannabis: Gesetz bleibt

Die Union wollte das Cannabis-Gesetz stoppen: „Wir machen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig“, hieß es in der entsprechenden Arbeitsgruppe. Das Gesetz bleibt jedoch bestehen und wird lediglich „ergebnisoffen“ evaluiert. Diese Evaluation hatte das Ampel-Gesetz ohnehin vorgesehen. Ein Erfolg für die SPD.

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Klimapolitik: Verbrenner-Verbot bleibt, kein Tempolimit

Die Union wollte das Verbrenner-Verbot ab 2035 aufheben, die SPD nicht. Das Thema fehlt im Koalitionsvertrag, ebenso wie das Tempolimit, das die SPD nicht bekommen hat. Die Union forderte zudem eine „bedeutende Rolle“ der Kernenergie, was ebenso nicht umgesetzt wurde. Eine Forderung der Union wurde jedoch erfüllt: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“

Wehrpflicht: Neuer Wehrdienst „auf Freiwilligkeit“ kommt

Hier lagen beide Parteien gar nicht so weit auseinander. Die Union wollte die Wehrpflicht zurück; die SPD auch, allerdings anders.„Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren“, forderte die SPD in der Arbeitsgruppe Verteidigung – und bekam das durchgesetzt. „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Lars Klingbeil und Friedrich Merz.
Fanden nach intensiven Koalitionsverhandlungen einen Nenner: die SPD um Lars Klingbeil (l.) und die CDU um Friedrich Merz. © Florian Gaertner/Photothek/Imago

Entwicklungspolitik: Ministerium bleibt

Die Union wollte das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung abschaffen, was nicht gelang. Das Ministerium bleibt bestehen, und Svenja Schulze hat nach Informationen der Frankfurter Rundschau gute Chancen, das Amt weiterhin zu führen.

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