„Der Schlag sitzt tief“: Deutsche Politik reagiert heftig auf Trumps Sieg bei der US-Wahl

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„Der Schlag sitzt tief“: Die Reaktionen der deutschen Politik auf Trumps Sieg

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Nach einem knappen Kopf-an-Kopf-Rennen und vielen Kontroversen schafft Trump ein historisches Comeback. So reagiert die deutsche Politik.

Donald Trump kehrt nach vier Jahren ins Weiße Haus zurück. Der 78-Jährige kündigte für seine zweite Amtszeit als US-Präsident eine radikale Agenda an, die Amerika und die Welt verändern könnte. 

Trump versprach im Wahlkampf die „größte Deportation der Geschichte“ von Migranten aus den USA, das Ende des Ukraine-Kriegs sowie hohe Einfuhrzölle und Steuersenkungen. Auch leugnet der Republikaner die Klimakrise und kündigte einen drastischen Ausbau der Öl- und Erdgasförderung der USA an.

Umfragen hatten ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen vorhergesagt. Doch Trumps demokratische Gegenkandidatin und aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris erlebte ein Debakel. Für Trump ist es ein historisches Comeback. Bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus schien er politisch erledigt, nachdem seine Anhänger das Kapitol in Washington erstürmten und er das Wahlergebnis nicht anerkennen wollte.

In Deutschland hatten viele Politikerinnen und Politiker auf Kamala Harris als Präsidentin gehofft. Dementsprechend fallen die Reaktionen in der deutschen Politik aus. IPPEN.MEDIA sprach mit ihnen.

Ergebnisse der US-Wahl: „Der Schlag sitzt tief“, sagt Minister Özdemir

„Der Schlag sitzt tief“, sagte Özdemir am Rande seiner Afrika-Reise, die IPPEN.MEDIA begleitet. Das Wahlergebnis der US-Wahl habe „massive Auswirkungen auf die Frage der Zukunft des Westens“, so Özdemir in Sambia. „Man weiß gar nicht, wem man zuerst gratulieren soll: Herrn Trump oder Herrn Putin.“

Das Wahlergebnis in den USA erkläre sich aus einer „Mischung aus Wut und Enttäuschung“. Viele Menschen in den USA hätten das Gefühl, „ein Millionär wie Trump ist näher an den einfachen Leuten“, als demokratische Kräfte. „Das sollte für uns alle ein Warnhinweis sein.“

Bundesernährungsminister Cem Özdemir
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. © Kay Nietfeld/dpa

Für Deutschland heißt das: „Wir müssen Probleme lösen, damit die Leute nicht zu den radikalen Rändern gehen.“ Der Grünen-Politiker weiter: „Wir brauchen da auch gar nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die USA schauen, wenn wir die Wahlergebnisse der letzten drei Landtagswahlen sehen.“ Dort hatten AfD und BSW starke Zugewinne erzielt. „Wenn wir Linksaußen und Rechtsaußen zusammenzählen, sehen wir, wie viele Menschen auch hier an der Lösungskompetenz der Parteien der Mitte zweifeln.“

Dementsprechend sei auch die Bundesregierung gefordert. Jene Bundesregierung, die in diesen Stunden um ihre Zukunft ringt: „Die Bundesregierung muss sich fragen: Kann sie es? Will sie es? Wenn die Antwort ja ist, dann muss sie es auch machen.“ Heißt: „Nicht mehr so sehr abarbeiten am Koalitionspartner, sondern abarbeiten der Dinge, von denen die Leute erwarten, dass wir sie umsetzen.“

„Als Chance sehen, als Europa geschlossen in unsere Außen- und Sicherheitspolitik zu investieren“

Die Verteidigungsexpertin der CDU/ CSU im Bundestag, Serap Güler sagte: „Die Rhetorik im transatlantischen Verhältnis, besonders in der NATO, wird sich spätestens ab dem 20. Januar massiv verändern, gerade wenn der neue Präsident auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses hat.

Serap Güler
Serap Güler ist Mitglied im Bundesvorstand der CDU. © Peter Sieben

Deutschland fällt erneut, wie während Trumps erster Amtszeit, die Rolle zu, Verantwortung und Führung für Europa und die freie Welt zu übernehmen. Bei allen Unwägbarkeiten und Herausforderungen, die das Wahlergebnis in den USA für uns mit sich bringt: Wir sollten dies als Chance sehen, als Europa geschlossen in unsere Außen- und Sicherheitspolitik zu investieren und als Deutschland Führung für Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu demonstrieren.

Dazu gehört definitiv mehr Investment in die eigene Verteidigung und auch in die Unterstützung der Ukraine. Der europäische Pfeiler der NATO ist nun mehr gefragt denn je, die Rolle Deutschlands muss die Bundesregierung heute und nicht erst morgen annehmen. Zeitenwende ist jetzt!“

Ergebnisse der US-Wahl: „Nicht gerade leicht zu verdauen“

Macit Karaahmetoglu, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:„Der deutliche Wahlsieg von Donald Trump ist nicht gerade leicht zu verdauen. Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass Kamala Harris als erste US-Präsidentin ins Weiße Haus einzieht. Mit ihr hätte man eine verlässliche und diplomatisch handelnde Person im Amt gehabt. Trump hingegen ist, nach allem, was man von ihm im Wahlkampf gehört hat, unberechenbar und wird gerade innenpolitisch weiter zur Spaltung der amerikanischen Gesellschaft beitragen.

Macit Karaahmetoğlu im Bundestag
Macit Karaahmetoğlu ist stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. © Peter Sieben

In einer sich immer mehr wandelnden Weltordnung kommt mit dem Wahlsieg von Trump auch ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Europa und die Welt hinzu. Insbesondere für den Krieg, der in Europa tobt sowie die prekäre Lage im Nahen Osten, könnte Trump zur schweren Bürde werden. Auch die NATO steht als Bündnis vor einer großen Herausforderung.

Gleichzeitig gilt es aber auch, nicht in Panik zu verfallen. Wir haben bereits eine Amtszeit von Trump überstanden. Bundeskanzler Olaf Scholz wird darum bemüht sein, auch mit Trump seriöse Politik im Sinne der historisch wichtigen transatlantischen Beziehungen zu machen. Entscheidend ist jetzt umso mehr, den Zusammenhalt in Europa und Deutschland zu stärken und sich auf die Bewältigung der vielen Herausforderungen unserer Zeit zu konzentrieren. Das ist mit dem Ausgang der US-Wahlen nicht einfacher geworden.“

Strack-Zimmermann: „Trump wird deutlich mehr von uns und den anderen NATO-Mitgliedern einfordern“

Die FDP-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung, Annemarie Strack-Zimmermann, warnt nach dem Ergebnis der US-Wahl davor, dass sich Europa weiterhin in Sicherheitsfragen zu sehr auf die USA zu verlassen. „Donald Trump wird deutlich mehr von uns und den anderen NATO-Mitgliedern einfordern“, sagte die Politikerin im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann in ihrem Büro im Bundestag in Berlin
FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. © Peter Sieben

Und weiter: „Unsere Konsequenz daraus muss sein, endlich europäisch zu denken. Europa muss sich aus sich selbst heraus stärken. Die Zeiten, in denen wir uns Frieden und Sicherheit gewünscht und die Umsetzung insbesondere den USA überlassen haben, ist vorbei. Die alte Weltordnung, in der die USA auf uns aufgepasst haben, es aus Russland bedingungslos billiges Gas gab und der Handel mit China einfach nett und erfolgreich war, ist vorbei.“ 

Europa und Deutschland hätten zu lange Zeit verstreichen lassen und sich sicherheitspolitisch nicht gut vorbereitet. „Es reicht nicht, eine Zeitenwende zu propagieren und diese nicht mit Leben zu füllen. Wachsweiche Ansagen bringen uns nicht weiter. Auch die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels wird langfristig nicht reichen.“

Dass die USA unter Donald Trump das NATO-Bündnis verlassen könnte, das glaubt Strack-Zimmermann indes nicht. „Auch die USA stehen unter Druck und brauchen hierfür ein stabiles Bündnis. Auch die USA unter Trump können nicht alle Krisen, die es aktuell gibt, alleine lösen.“

Die Tatsache, dass 10.000 nordkoreanische Soldaten auf europäischem Boden stünden, zeige, dass es sich beim russischen Angriff auf die Ukraine nicht nur um einen territorialen Konflikt handele, „sondern um einen Angriff auf die freie, westliche Welt“, sagte die FDP-Politikerin. Nordkoreanische Soldaten seien auch ein Alarmzeichen für Japan und Südkorea sowie die Philippinen und damit die USA, da diese engste Verbündete der USA seien. „Es kann auch dem neuen Präsidenten der USA nicht entgehen, dass Putin nicht nur in Europa Feuer legt, sondern auch im Indopazifik, mit Unterstützung der Chinesen.“

Nach Trump-Wahlsieg: „Befürchte rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative“

Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, warnte vor hohen US-Zöllen: „Trumps protektionistische Pläne bedeuten höhere Zölle für Europa und treffen die deutsche Exportwirtschaft direkt. Unsere Antwort darauf ist eine klare europäische: Die Stärkung des Binnenmarktes ist unser größtes Kapital.“ Das bedeute eine gemeinsame europäische Industriestrategie, die auf Innovation, Digitalisierung und nachhaltige Investitionen setze. „Deutschland muss hier weiter als treibende Kraft vorangehen“, so Düring.

Sie fürchtet überdies Verwerfungen in der politischen Debattenkultur. „Bereits Trumps erste Präsidentschaft hat weltweit zu einer massiven Verschiebung des Diskurses nach rechts geführt. Ich befürchte, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative, Desinformation und gesellschaftliche Spaltung sowohl innen- als auch außenpolitisch weiter zunehmen werden. Als demokratische Fraktionen müssen wir gemeinsam dieser Verrohung des Diskurses entgegentreten.“

Stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Neubaur zu Trump-Wahlsieg: „Disruptive Momente“

Mona Neubaur, stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin und -Wirtschaftsministerin, sagte: „Unabhängig davon, wer im Weißen Haus Präsident oder Präsidentin ist, werden wir als überzeugte Demokratinnen und Demokraten einen Weg finden, um mit dem Wahlsieger konstruktiv zusammenzuarbeiten.“ Die USA seien immer ein zentraler Stabilitätsfaktor in den internationalen Beziehungen und zwischen den westlichen Demokratien gewesen.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur während des Interviews in der Berliner Landesvertretung.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur: „Wer sich noch an Trumps erste Amtszeit oder auch seine Äußerungen im vergangenen Wahlkampf erinnert, muss so realistisch sein und sich auf disruptive Momente einstellen.“  © Peter Sieben

„Sie waren politisch, kulturell und wirtschaftlich stilprägend und haben stets aufs Neue bewiesen, dass demokratische Gesellschaften stärker sind als autoritäre. Ich habe die große Hoffnung, dass das auch nach dem klaren Wahlsieg von Donald Trump weiter so sein wird.“ Allein Hoffnung werde aber nicht reichen, so Neubaur. „Wer sich noch an Trumps erste Amtszeit oder auch seine Äußerungen im vergangenen Wahlkampf erinnert, muss so realistisch sein und sich auf disruptive Momente einstellen. Wollen wir die einigermaßen abfedern, müssen wir in Europa jetzt unmittelbar damit beginnen, im wahrsten Wortsinne deutlich mehr in die Resilienz unseres Kontinents zu investieren – wirtschafts-, aber auch natürlich sicherheitspolitisch.“

Kooperationen mit US-Bundesstaaten wie Minnesota in Bereichen wie Energie und Klimaschutz zeigten unterdessen, wie die transatlantischen Beziehungen auch unabhängig von politischen Entwicklungen aufrechterhalten und ausgebaut werden könnten, so die Ministerin. „Der Ausbau dieser Partnerschaften in Schlüsselbereichen wie Klimaschutz und erneuerbarer Energien ist essenziell, um zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen und die Resilienz unserer Wirtschaft zu erhöhen.“

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Wahlsieg von Donald Trump, sei noch schwer abzusehen. „Höhere Zölle auf Importe aus der EU würden sicherlich eine neue Herausforderung für exportorientierte Unternehmen im Maschinenbau oder der Chemiebranche darstellen.“ Die Landesregierung sei aber auf „alle möglichen Entwicklungen“ vorbereitet und setze auch auf Diversifizierung: „Dazu gehört auch, dass ich gerade in Portugal und Spanien für eine vertiefte europäische Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Wasserstoff werbe.“

NRW-Europaminister Nathanael Liminski (CDU) kommentierte: „Donald Trump hat im Wahlkampf keinen Hehl daraus gemacht, dass Europa sich sicherheitspolitisch und wirtschaftlich auf massive Veränderungen einstellen muss.“ Die USA seien gerade für das stark exportorientierte Land Nordrhein-Westfalen in den vergangenen fünf Jahren der wichtigste außereuropäische Absatzmarkt gewesen. „Ein wie auch immer gearteter Handelskrieg würde uns hart treffen. Donald Trump hat unter anderem die deutsche Automobilindustrie in vielen seiner Reden als Feindbild ins Feld geführt. Es kommt jetzt darauf an, dass die Europäische Union und die Bundesregierung einen solchen Konflikt durch eine kluge Kombination aus Stärke und Verhandlungsgeschick im Keim ersticken.“

Was die Sicherheit in Europa betreffe, gelte es nun, den „verteidigungspolitischen Schrebergarten in Europa“ zu beenden: „Statt wie bisher 270 Milliarden in sechs Mal so viele Waffensystem wie die USA zu investieren, sollten die Länder der Europäischen Union ihre Mittel besser einsetzen, indem sie etwa – koordiniert durch den neuen EU-Verteidigungskommissar – einen nennenswerten Anteil in gemeinsame europäische Projekte investieren“, so Liminski.

NRW-Medienminister Nathanael Liminski
NRW-Europaminister Nathanael Liminski. © Peter Sieben/IPPEN.MEDIA

Der CDU-Politiker und Chef der NRW-Staatskanzlei fürchtet überdies: „Radikale und Extremisten werden auch bei uns noch viel stärker als bisher versuchen, die mitunter fragwürdigen Mittel und Methoden von Donald Trump zu kopieren. In dieser Situation kommt es umso mehr auf das Verantwortungsbewusstsein der Parteien der Mitte an, diesen Versuchungen nicht zu erliegen.“

US-Wahlergebnis „nicht als Bürde, sondern als Chance verstehen“

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich, Mitglied der Parlamentariergruppe USA im Deutschen Bundestag sowie Mitglied der Atlantik-Brücke sagte: „Ich gratuliere Donald Trump zu seiner erneuten Wahl zum US-Präsidenten. Mit der Realität, die sich daraus für Deutschland und Europa ergibt, müssen wir jetzt umgehen. Zum Beispiel war und ist unsere Sicherheit abhängig von der transatlantischen Partnerschaft und damit von den USA. Das zu betonen, ist Einsicht in die Realität und die geschichtliche Entwicklung zugleich. Das alles meint Westbindung.“ Die Wahl von Donald Trump bedeute, mehr Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung zu übernehmen. „Die Ergebnisse der Wahlen in den USA sollten wir nicht als Bürde, sondern als Chance verstehen“, so Ullrich.

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