„Irrsinn“: Ärzte-Alarm wegen neuem EU-Verbotsplan – „Würde Gesundheitswesen lahmlegen“
Könnte eine Produkt-Umbewertung seitens der EU das gesamte deutsche Gesundheitssystem lahmlegen? Davor warnen zumindest verschiedene Ärzteverbände.
Berlin – Alarmstimmung bei mehreren deutschen Ärzteverbänden. Sie befürchten im schlimmsten Fall, dass das deutsche Gesundheitswesen zusammenbrechen könnte. Und das wegen einer möglichen neuen EU-Regelung.
Der Hintergrund: Ein aktuelles Verfahren der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Neubewertung von Ethanol – oder umgangssprachlich auch Alkohol. Setzt die EU bestimmte Pläne dabei um, könnte die Verwendung von Ethanol im medizinischen Bereich in Zukunft stark eingeschränkt werden, warnen die Verbände. „Das hätte weitreichende Folgen für Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Pflegeheime“, schreibt etwa die Bundeszahnärztekammer in einer aktuellen Mitteilung. Denn geht es nach dem Willen der EU, wäre der Einsatz von Ethanol aufgrund von geltenden Arbeitsschutzregelungen stark eingeschränkt oder sogar verboten. Dabei geht es beispielsweise um Desinfektionsmittel für Hände oder Oberflächen.
EU-Regel bedroht deutsches Gesundheitswesen – Ärzte schlagen Alarm: „Irrsinn“
Doch worum geht es in dem EU-Verfahren genau? Bereits Mitte November hatten sich vier andere medizinische Verbände aus Deutschland ähnlich alarmierend zu Wort gemeldet. Demnach könnte die EU Ethanol bald als reproduktionstoxisch oder krebserregend auf der Kategorie 2 einstufen – oder sogar auf der höchsten Gefahrenkategorie 1. Das hätte auch laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dem Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), dem Industrieverband Hygiene & Oberflächenschutz (IHO) und dem Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) weitreichende Folgen, wie aus einem Bericht des Ärzteblattes hervorgeht. Denn mit der neuen Kategorisierung dürfte Ethanol in vielen Prozessen weniger oder gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Die DGKH warnt vor „massiven Verwendungsbeschränkungen“.
Ein praktisches Beispiel der Folgen liefert die Bundeszahnärztekammer: „Eine im Raum stehende Einstufung als reproduktionstoxisch würde nach deutschem Arbeitsrecht ein Beschäftigungsverbot für alle Frauen im gebärfähigen Alter nach sich ziehen. Das würde das Gesundheitswesen unmittelbar lahmlegen“, heißt es in der Mitteilung. Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, spricht von „bürokratischem Irrsinn“ seitens der EU. Diese „neue Posse“ sei „sinnbildlich für kontinuierliche bürokratische Übergriffigkeiten“.
Neue EU-Regel könnte Ethanol-Einsatz erschweren – mit „massiven“ Folgen
Doch wie käme die EU darauf, plötzlich den Einsatz von Desinfektionsmitteln im medizinischen Bereich zu beschränken? Laut den Verbänden geht dies auf Studien zur Risikoeinstufung bei der oralen Einnahme von Ethanol zurück. Und das, obwohl man im medizinischen Bereich den Alkohol eben zumeist nicht oral einnehmen würde, sondern etwa Oberflächen damit desinfiziert. „Während die missbräuchliche Einnahme von Alkohol unserer Gesundheit schaden kann, ist Alkohol in der Medizin und Hygiene unverzichtbar. Ethanol ist in Produktionsprozessen sowie in Desinfektionsmitteln, Arzneimitteln oder Medizinprodukten wirksam, sicher und unabdingbar“, kontern die Verbände laut Ärzteblatt. Zudem beruft man sich auf die Weltgesundheitsorganisation, die ethanolhaltige Desinfektionsmittel für die Hände als „unverzichtbar“ eingestuft habe.
„Eine entsprechende Einstufung wäre unverhältnismäßig und auch unsachgemäß, da sie allein durch Studien bzgl. einer (missbräuchlichen) oralen Aufnahme von Ethanol-Gemischen, also dem Alkoholtrinken, erfolgen würde. Das Trinken alkoholischer Getränke soll allerdings weiter erlaubt bleiben“, heißt es nun auch in der Mitteilung der Zahnärzte.
„Wissenschaftlich nicht nachvollziehbar“: Ethanol-Verbot würde Versorgung verschlechtern
Das harte Fazit von Zahnarzt-Vize von Laffert: „Mit dem wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Verbot von Ethanol würde sich die Versorgung verschlechtern und die Hygienekette löchrig werden.“ Ethanol-Alternativen seien teuer und würden somit auch die Kosten im Gesundheitswesen weiter steigern, so der Vize der Bundeszahnärztekammer weiter. Er spricht von einem „weiteren bürokratischen Knüppel, der den unter Personalmangel ächzenden Praxen zwischen die Beine geworfen wird.“ Mit ihren Veröffentlichungen wenden sich die Ärzte auch an die Regierung und hoffen den „bürokratischen Burnout in den Praxen“ so stoppen zu können.
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Aktuell plant die EU zudem ein striktes Rauchverbot und will so eine „tabakfreie Generation“ bis 2040 schaffen. (rist)