Endlose Debatte über Unterbringung von Flüchtlingen
Oberallgäu – Die Unterbringung von Geflüchteten beschäftigt zurzeit die Kommunalpolitik im Oberallgäu intensiv. Ein jüngstes Beispiel ist die Diskussion in der Versammlung des Kreisverbandes Oberallgäu im Bayerischen Gemeindetag, die diesmal in Memhölz stattfand.
Der Landkreis bekomme in der Woche etwa 40 Personen zugewiesen, die meisten momentan „aus afrikanischem und arabischem Kontext“, berichtete Landrätin Indra Baier-Müller und stellte die Frage: „Wo können wir in den nächsten Wochen diese Leute unterbringen?“ Sie hält die Quote, nach der jede Gemeinde eine Anzahl an Menschen, die zwei Prozent ihrer Bevölkerung entspricht, aufnehmen muss, für einen guten Richtwert.
Sie habe aber auch großes Verständnis für die Situation in den Gemeinden, man sei an der Grenze der Belastung. Das Problem gehe nicht den Landkreis allein an, sondern „alle hier“. „Wir brauchen die Plätze und die Lösungen von euch.“ Auf ihre konkrete Bitte ist im Laufe der Sitzung niemand eingegangen.
Die Frage nach der Schuld
Die Bundesregierung sei verantwortlich, behauptete der Sonthofer Bürgermeister Christian Wilhelm. „Die Bürgermeister und die Landrätin bekommen Menschen vor die Nase gesetzt.“ Es sei „abartig“, sie für die Situation verantwortlich zu machen. Sein Oberstdorfer Kollege Klaus King berichtete über einen Termin in Berlin, wo die Kommunalpolitiker auf die Ängste in der Bevölkerung hingewiesen hätten, was jedoch bis auf einen Abgeordneten niemand habe hören wollen. Die Landrätin wies auf einen Brief an die Innenministerin Nancy Faeser hin. Sie sei mit einer Antwort eines Ministerialdirektors „abgespeist“ worden, in der behauptet wurde, dass für den Landkreis keine finanziellen Aufwendungen entstünden, weil diese aus dem Bundeshaushalt bezahlt würden.
Bürgermeister Nico Sentner aus Immenstadt forderte einen fundamentalen Richtungswechsel in der Bundespolitik. Burgbergs Bürgermeister André Eckardt erzählte, dass seine Gemeinderäte durch ihre Weigerung ein Zeichen setzen wollten, damit die Bundesregierung merke, dass es so nicht weitergehe. „Halte dagegen!“, bekomme er immer wieder zu hören.
Oberallgäuer Landrätin fordert Schulterschluss
Der Kreis sei nicht der Verursacher, so die Landrätin. In Burgberg wolle sie nicht ohne die Zustimmung der Gemeinde handeln, aber „am Ende des Tages“ müsse sie das tun. Sie appellierte an die Anwesenden, regional zusammenzuhalten. Die Gemeinden dürften sich nicht gegen den Landkreis positionieren. Aber ein Statement gegen Berlin sei okay. Für das gemeinsame Handeln gebe es keine Alternative, betonte Wilhelm. „Wir brauchen einen Schulterschluss, lasst uns zusammenstehen und nicht auseinanderdividieren“, lautete der Appell von Baier-Müller.
Was die Bundesimmobilien betrifft, gebe es in den nächsten Tagen eine Begehung, berichtete die Landrätin. Aber im Unterschied zum Kemptener Vorstoß in der Ari-Kaserne seien die Chancen sehr gering, weil die Bundeswehr die Sonthofer Kasernen zur Eigenbewirtschaftung benötige.
Die Art der Unterbringung
„Wir haben die Verpflichtung, Menschen menschenwürdig unterzubringen“, mit diesen Worten eröffnete Kreisvorsitzender Thomas Eigstler, der Wiggensbacher Bürgermeister, die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt. Zelte seien nicht menschenwürdig und gelten nicht „als Maß aller Dinge“, so die Landrätin. „Aber wir müssen schauen, wie wir die Menschen unterbringen.“ Langfristig sehe sie entweder Bestandsgebäude oder Container als Lösung an. „Wenn eine neue Unterkunft steht, geht das Zelt weg.“
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Sentner konterte: „Ich warne davor, zu glauben, dass die Zelte bald weg sind.“ Die Bautätigkeit werde in den nächsten Jahren massiv zurückgehen und die Nachfrage nach Wohnraum sei jetzt schon hoch. Baier-Müller entgegnete, man müsse mehr Standorte für Container schaffen, damit man das Thema vom Wohnungsmarkt entkoppeln könne. Die Zelte stelle das Landratsamt als „vorübergehende“ Lösung dar, dazu meinte André Eckardt aber: „Die Leute glauben es nicht.“ Auch die Unterbringung in Containern sei immer verlängert worden. „Wir kriegen das Zelt nicht los.“
Die Bürger haben die Nase voll
„Wir reden seit drei Jahren ununterbrochen über dieses Thema“, stellte die Landrätin fest. Die Bürgerschaft reagiere sehr sensibel. „Was passiert, wenn wir auf die Wahlen 2026 gucken?“ „Die Bürger haben die Nase voll“, meinte Christian Wilhelm in Bezug auf die hohe Zahl der Zuweisungen. „Die Leute in den Helferkreisen kommen auf dem Zahnfleisch daher“, so Sentner.
In Oberstdorf gibt es sechs Unterkünfte. „Dort ist Ruhe, aber die Bevölkerung wird unruhig“, berichtete Klaus King. Die Marktgemeinde lebe fast ausschließlich von Tourismus. „Die Gäste kommen aus den Städten und wollen bei uns die ‚heile Welt‘ sehen, die es dort nicht mehr gibt.“ Da die Asylbewerber im Dorf sichtbar seien und nichts zu tun hätten, bekämen die Oberstdorfer Angst, dass ihre Umsätze fallen. Auf konkrete Unterkünfte bezogen meinte er, diese seien „Gott sei Dank“ mit Ukrainern beziehungsweise mit Familien belegt. Oberstdorf sei gerade ein Musterbeispiel dafür, dass das Zusammenleben in einem Kurort funktioniere und etliche der dort untergebrachten 200 Menschen arbeiteten schon, entgegnete ein Mitarbeiter des Landratsamtes. Baier-Müller wies darauf hin, dass die Bundesregierung den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber in den letzten Monaten erleichtert habe. „Das sollte nicht nur bei der Möglichkeit bleiben.“
Langfristige Herausforderungen
Er versuche vor Ort die Bälle so flach wie möglich zu halten und die Leute zu beruhigen, so Eckardt. „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Er appellierte an die Presse, verantwortlich mit dem Thema umzugehen. Auch der Sulzberger Bürgermeister Gerhard Frey forderte mehr Öffentlichkeitsarbeit, auch vom Landratsamt. Dieses solle seine aktuelle Situation darstellen und hervorheben, dass der Landkreis für die Situation nicht verantwortlich sei. „Das machen wir doch seit Monaten“, reagierte die Landrätin. „Es kommt bei den Leuten nicht an“, erwiderte Frey. Dadurch werde aber das Problem nicht gelöst, ergänzte Baier-Müller. Papier sei geduldig und entpflichte die Kommunalpolitiker nicht davon, mit den Leuten im Gespräch zu bleiben. „Unsere Aufgabe ist, die Ängste ernst zu nehmen, sie aufzunehmen und zu entkräften.“
„Integration ist nicht gleich Geld“, sagte Christian Wilhelm. Sie passiere beispielsweise in den Schulen vor Ort. Diese seien jedoch voll. Man müsste den Hort ausbauen. Aber er habe das Personal nicht. „Sie können mir Geld schicken, was sie wollen, ich krieg das Personal nicht.“
Es gehe nicht nur um Geld, aber die Kommunen müssten entlastet werden, meinte Nico Sentner. Man sollte die Folgen für die soziale Infrastruktur mit bedenken und einbeziehen. Er wolle kein Ghetto, sondern die Menschen integrieren, sagte er in der Pause.
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