„Seit Ende des NS noch nie zu beobachten“: Umfrage-Experte warnt vor AfD-Gefahr

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Die AfD ist im Umfrage-Höhenflug. Einen Demoskopen veranlasst das nun zu einer eindringlichen Warnung. Er zieht den Vergleich zum Beginn der NS-Diktatur.

Berlin – Gerade erst hat eine Umfrage einen neuen Höchstwert für die AfD auf Bundesebene erbracht – nun folgt die zugehörige Warnung: Manfred Güllner, Chef des ausführenden Instituts Forsa, hat am Mittwoch (20. Dezember) per Newsletter jedenfalls einen demoskopischen Vergleich zum Beginn der NS-Herrschaft gezogen. Er schrieb von einem „erschreckenden Ergebnis“. Aus der Mail des Berliner Instituts zitierte Focus Online.

AfD punktet in Wahl-Umfragen: Forsa-Chef sieht „erschreckendstes Ergebnis“

Tags zuvor hatten die Sender RTL und n-tv die aktuellen Ergebnisse ihres „Trendbarometers“ verkündet. In der Forsa-Umfrage legte die AfD in der Sonntagsfrage einen Prozentpunkt zu – auf nunmehr 23 Prozent. Damit ist die rechtspopulistische bis rechtsextremistische Partei auf acht Prozentpunkte an die Union herangerückt. Sie würde nach diesen Daten zweitstärkste Kraft bei einer hypothetischen Bundestagswahl am Heiligen Abend werden.

„Das für uns erschreckendste Ergebnis ist der bisher nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus noch nie zu beobachtende rapide Anstieg der Anhängerschaft einer rechtsradikalen Bewegung in Deutschland“, urteilte Güllner nun. Er schrieb die Verantwortung für die Entwicklung sowohl der Politik der Ampel-Koalition als auch dem Auftreten der Union in der Opposition zu.

Forsa-Chef Manfred Güllner (li.) sieht einen bedenklichen Wählerzustrom zur AfD um Faschist Björn Höcke.
Forsa-Chef Manfred Güllner (li.) sieht einen bedenklichen Wählerzustrom zur AfD um Faschist Björn Höcke. © Montage: Imago/Reiner Zensen/Funke Fotoservice/fn

Bei der Reichstagswahl 1930 hatte die NSDAP 18,3 Prozent der Stimmen erzielt – 15,5 Prozentpunkte mehr als 1928. Bei der vorgezogenen Neuwahl 1932 erreichten die Nazis bereits 37,3 Prozent, das Unheil nahm seinen Lauf. Seit Gründung der Bundesrepublik 1949 hatten abseits der AfD Rechtsextreme nie mehr als 4,3 Prozent der Stimmen erhalten. Auf diesen Wert kam 1969 die NPD.

AfD-Umfragehöhenflug: Meinungsforscher nimmt Ampel und Union in die Pflicht

„Nach unserer Einschätzung ist dafür sowohl die Politik der Ampel-Koalition als auch die von Friedrich Merz betriebene Oppositionspolitik der Union verantwortlich, der es nicht gelingt, den Unmut über die Ampel aufzufangen“, erklärte Güllner in dem Forsa-Newsletter.

Er sprach sich für einen Kurswechsel beider Seite aus: Die Akteure aller demokratischen Parteien müssten sich ihrer Verantwortung bewusst werden, forderte Güllner. Ziel müsse es sein, im Konsens einen Zulauf zur AfD wie in den 1930er-Jahren zur NSDAP zu verhindern. Zuletzt hatte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Münchner Merkur eine „Allianz der Mitte“ gefordert – jedenfalls beim Thema Migration.

Wie groß ist das Wählerpotenzial der AfD? Analyse verweist auf Status-Ängste und autoritäre Einstellung

Über die Gründe für den seit Monaten anhaltenden Umfrage-Höhenflug der AfD gibt es unterschiedliche Thesen. „Statusverlustängste, Zukunftssorgen, vor allem aber rigide, autoritär-nationalistische Einstellungen im Bereich der Migration, Identität und innere Sicherheit, kennzeichnen die Wählerschaft der Partei“, hieß es etwa im September in einer Analyse des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien, aus dem der RBB zitierte. In dem Papier war auch von einem vorerst „hohen, möglicherweise noch steigenden Zuspruch für die AfD“ die Rede.

Die Politologin Ursula Münch verwies im Merkur auf politische Fehler, etwa beim Heizungsgesetz – rügte aber auch „Stimmungsmache“ in der Reaktion der Oppositionsparteien CDU, CSU und Freie Wähler: Diese habe der AfD genützt. Die Partei erhält allerdings auch nach Abebben des Heizungs-Streits hohe Umfragewerte. Und sie hat Erfolg bei kleineren Wahlen. Zuletzt gewann die AfD ihr erstes Oberbürgermeister-Amt im sächsischen Pirna.

Forsa-Chef Güllner ist indes für pointierte Urteile bekannt. Durchaus in alle politischen Richtungen. Im Sommer kritisierte er die Ampel-Koalition scharf: Eine „kleine elitäre Minderheit der oberen Bildungs- und Einkommensschichten“ zwinge der gesellschaftlichen Mehrheit ihre Werte auf, sagte der Meinungsforscher damals der Welt. Einige Wähler wechselten wegen „überbordenden grünen Zeitgeists“ zur AfD, erklärte Güllner. Die Erfolgschancen einer Wagenknecht-Partei gegen die AfD erachtete er Ende Oktober als eher gering. (fn)

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